Walt Disney Studios Motion Pictures
Marc Rothemund
Dauerhafte Beziehungen?
Interview: Hoffnungsloser Romantiker: Marc Rothemund
Eigentlich hat er sich vorgenommen, abwechselnd ernste und heitere Filme zu drehen. Doch nach "Groupies bleiben nicht zum Frühstück" inszeniert Marc Rothemund mit "Mann tut was Mann kann" nun doch wieder eine romantische Komödie. Im Interview mit Filmreporter.de spricht der 44-jährige Regisseur über den Mann von heute und verrät, ob er trotz der Scheidung seiner Eltern an Beziehungen glaubt.
erschienen am 23. 10. 2012
Warner Bros. Pictures
Mann tut was Mann kann
Ricore: Wie haben Sie es geschafft, eine deutsche Komödie nicht aussehen zu lassen wie eine deutsche Komödie?

Marc Rothemund: Indem ich mir darüber keine Gedanken gemacht habe. Ab dem Moment, in dem ich mich für ein Projekt entscheide, schaue ich mir keine Filme an und gehe auch nicht mehr ins Kino. Ich arbeite an der Geschichte und ziehe keine Vergleiche. Alle Entscheidungen, vom Casting über die Requisite und Kostüme bis hin zur Kameraeinstellung, werden der Geschichte untergeordnet. Dabei höre ich auf mein Bauchgefühl und das meiner Mitarbeiter. In der Summe der ganzen Entscheidungen kommt dann ein Film wie "Mann tut was Mann kann" heraus, von dem ich hoffe, dass er keine Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Filmen zulässt. Das ist mir persönlich sehr wichtig.

Ricore: Andererseits sieht der Film, vor allem in seinen Außenansichten, sehr amerikanisch aus.

Rothemund: Das liegt vielleicht eher an den Architekten des Potsdamer Platzes, über den wir geflogen sind. Ich kann Ihnen aber versichern: Wir benutzten eine deutsche ARRI-Kamera, hatten einen deutschen Piloten und einen deutschen Hubschrauber und wir flogen über Berlin. Ich müsste richtig in mich gehen, um herauszufinden, woher der amerikanische Touch des Films kommt. Es könnte höchsten aus der Tatsache resultieren, dass es noch nie einen deutschen Film gegeben hat, bei dem die Kamera nachts durch Berlin flog. Vielleicht ist das das Amerikanische. Aber ich finde es interessant, dass "Mann tut was Mann kann" solche Assoziationen weckt.

Ricore: Am Drehbuch wirkten insgesamt fünf Autoren mit. War das ein kollegialer Arbeitsprozess oder stach jemand besonders hervor.

Rothemund: Das war eher ein Arbeitsprozess, der nacheinander verlief. Das hatte mit zeitlicher Verfügbarkeit zu tun. Man hatte mir eine Drehbuchfassung von Gernot Gricksch und André Erkau angeboten. Ich fand sie interessant und entschloss mich, die Roman-Vorlage zu lesen. Anschließend habe ich mit Gricksch und Erkau eine weitere Fassung erarbeitet. Weil die irgendwann keine Zeit mehr hatten, habe ich zunächst alleine weitergeschrieben, bis ich mir zwecks Ideenaustauschs einen weiteren Partner wünschte. So stieß Autor und Regisseur Hendrik Hölzemann hinzu. Er hatte allerdings nur sechs Wochen Zeit. In dieser Arbeitsphase habe ich Hans Rath genauer kennen und seinen Humor schätzen gelernt. Als ich erfahren habe, dass die Hauptfigur ein Alter Ego von Hans ist, habe ich ihn gebeten, mit mir zusammen dem Buch den Feinschliff zu verpassen. Die Arbeit war also ein kollegiales Nacheinander. Alle wurden bezahlt und sind zufrieden (lacht).

Ricore: Was hat Sie am Stoff am meisten gereizt.

Rothemund: Ich konnte mich mit der Hauptfigur identifizieren. Paul ist wie ich ungefähr 40 Jahre alt. Er strahlt Freunden und dem Leben gegenüber eine gewisse Wärme aus. Er ist sehr humorvoll. In den Gedanken hadert er manchmal mit sich, schafft es aber, die negativen Gedanken zu überwinden und macht das Beste aus seiner Situation. Er pflegt tiefe Männerfreundschaften und mag Tiere. Außerdem fand ich den Gedanken reizvoll, dass man auch als Mann mit einer biologischen Uhr ausgestattet ist und sich mit Anfang bis Mitte 40 Sorgen macht, dass man immer noch keine Kinder hat. Auch Männer werden mit zunehmendem Alter verkrampfter und verzweifelter, wenn die große Liebe, Kinder und Familie auszubleiben drohen. Schön fand ich auch, dass Paul über dieses Problem ein Helfersyndrom entwickelt. Wenn er schon nicht selber hat, was er sich wünscht, steht er wenigstens seinen Freunden bei. Mit all dem konnte ich mich sehr gut identifizieren.
Warner Bros.
Jan Josef Liefers und Wotan Wilke Möhring in "Mann tut was Mann kann"
Ricore: Die Identifikation hat aber ihre Grenzen. Der von Jan Josef Liefers gespielte Schamski war mehrere Male verheiratet.

Rothemund: Stimmt, ich war noch nicht so oft verheiratet. Ich habe aber die Scheidungsdramen meines Vaters mitgekriegt.

Ricore: Ist die Sehnsucht Ihrer Protagonisten nach Familie und Verwurzelung repräsentativ für den Mann von heute?

Rothemund: Beziehungen sind heute nicht von Dauer und es gibt sehr viele Singles. Es werden mehr Ehen in einem schnelleren Rhythmus geschieden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Sehnsucht von Männern nach Liebe und einer stabilen Beziehung typisch für die heutige Zeit ist. Wenn man sich zum Beispiel Doris Dörries Komödie "Männer" aus den 1990er Jahren anschaut: Auch dort ging es um einsame Männer, die um die Liebe kämpften und sich fast lächerlich machte, um an die Frau ranzukommen. Dieses Männerbild ist nicht neu. Es ist die Umgebung, die anders ist. Die Welt ist schnelllebiger geworden, die Sehnsüchte und die Urinstinkte sind die gleichen.

Ricore: Ihre Hauptfigur Paul macht zwar den ersten Schritt auf die Frau zu, dann ist es aber sie, die die Initiative ergreift. Sind die Männer ein bisschen ratlos geworden?

Rothemund: Die Frage, die sich im Film wie im Buch stellte, war: Wie verhält sich Paul, nachdem er nach seiner Annäherung an Iris einen Korb bekommen hat? Soll er weiter um sie kämpfen? Oder ist er anständig und stark genug, um sich zurückzuziehen? Der Film zeigt die zweite Möglichkeit. Dadurch, dass er ihr ständig vor der Nase rumläuft, erkennt sie, dass er ein unterhaltsamer und netter Kerl ist. Filmisch ist das nichts Vorantreibendes, aber emotionaler und großherziger.

Ricore: Sie sagten, dass Sie die vielen Scheidungen ihres Vaters mitgekriegt haben. Glauben Sie da noch an den Bestand von Beziehungen oder sind Sie eher skeptisch geworden?

Rothemund: Als hoffnungsloser Romantiker hoffe ich doch, dass es noch dauerhafte Beziehungen gibt. Was mich allerdings geprägt hat, ist weniger die Anzahl von Scheidungen, sondern die Scheidung meiner Eltern, die ich mitbekommen habe. Sie waren beide noch sehr jung. Diese Erfahrung hat mich nicht dahingehend geprägt, dass ich nicht mehr an Beziehungen glaube. Dennoch bin ich vorsichtiger geworden bin, weil ich den Scheidungskrieg, das Emotionale und die Verletzungen ungern selber erleben würde.
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Marc Rothemund, Anna Fischer
Ricore: Das müssen Sie näher erläutern!

Rothemund: Ich bin in München aufgewachsen. Kaum machte ich 1988 mein Abitur, wurde ich schon vom Kreiswehrersatzamt ins Visier genommen. Daraufhin bin ich in einer Nacht- und Nebelaktion nach Berlin gezogen, wo ich angefangen habe, zu arbeiten. Dann fiel die Mauer und ich fürchtete schon, dass ich trotzdem noch eingezogen werde. Tatsächlich kam 1994 der Brief, in dem ich zur Musterung aufgefordert wurde. Zum Glück gab es damals noch viele Anwälte, die einem halfen, um den Dienst rumzukommen. Mein Anwalt schickte mich jede Woche zu irgendwelchen Ärzten, die meine Dienstuntauglichkeit begründen sollten. Einer davon war ein Psychiater, der von mir meine schlimmsten Kindheitserinnerungen hören wollte. Ihm habe ich dann die Tragik und die Konsequenzen meiner Erlebnisse als Scheidungskind geschildert. Ach ja, und meine Bienenallergie tat dann ihr übriges. Es hörte sich aber viel schrecklicher an, als es wirklich war (lacht).

Ricore: Damit hatten Sie freie Bahn für die Regiekarriere.

Rothemund: Als ich geboren wurde, war mein Vater Regie-Assistent und kämpfte auch ums finanzielle Überleben. Irgendwann wurde er Regisseur. Als Scheidungskind verbrachte ich die Ferien an Filmsets meines Vaters. Dabei habe ich die Leidenschaft fürs Filmemachen und das Geschichten-Erzählen entdeckt. Ich merkte, dass mir diese Welt Spaß macht. Meine erste Anstellung war als Fahrer. Wenn man sich als Fahrer vornimmt, Regisseur zu werden, kann man daran zerbrechen, weil der Weg dahin unendlich lang ist. Daher versuchte ich, kurzfristig zu denken und jeden Tag so gut wie möglich zu arbeiten, bis einige Leute das zu schätzen wussten. So stieg ich zum Aufnahmeleiter auf. Irgendwann wurde ich Regie-Assistent bei "Die glückliche Familie". Später wurde ich zum Regie-Assistent in einem Kinofilm befördert. Als ein Kollege seine Steuererklärung falsch gelesen hat, durfte er zwei Folgen einer Serie nicht inszenieren, also sprang ich ein. Dann wurde ich zum Fernsehfilm befördert. Schließlich durfte ich meinen ersten Kinofilm machen. Ich wurde also immer entweder befördert oder es fiel jemand aus, sodass ich einspringen konnte.

Ricore: Ist es für Sie seit Ihrem Kinodebüt "Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit" einfacher geworden in der Kinobranche?

Rothemund: Nein, ich kämpfe jede Stunde und mit jeder Entscheidung. Es gibt Tausende Entscheidungen durchzuringen. Es fängt schon im Vorfeld der Dreharbeiten beim Drehbuch an, geht über die Finanzierung weiter und endet noch lange nicht beim Casting und in der Requisite. Nein, das Filmemachen ist für mich ganz und gar nicht einfacher geworden. Wenn man einen Film in Angriff nimmt, dann stecken ein, zwei Jahre Arbeit drin. Man arbeitet sieben Tagen in der Woche, bis zu 18 Stunden am Tag und ist mit unzähligen Widerständen konfrontiert.

Ricore: Die Romanvorlage von "Mann tut was Mann kann" ist Teil einer Trilogie. Wird es weitere Verfilmungen geben?

Rothemund: Das ist durchaus denkbar. "Da muss Mann durch", der Titel des zweiten Teils der Romantrilogie, weckt schöne Erwartungen. "Was will Mann mehr", der dritte Teil, hat auch ein Geheimnis dahinter. Eine weitere Verfilmung hängt auch davon ab, ob die Zuschauer den ersten Teil gut aufnehmen und ihn mögen werden. Soweit ich weiß, hat die Produktion die Rechte für alle drei Bücher gekauft.

Ricore: Sie wären wieder dabei?

Rothemund: Wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sein werden, dann könnte es sein, dass ich wieder dabei bin (lacht).

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 23. Oktober 2012
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2024