20th Century Fox
Sebastian Koch in Berlin bei der "Bridge of Spies"-Premiere
Schauspielerei hat keinen Rhythmus
Interview: Sebastian Koch im Arbeitsrausch
Mit seiner Nebenrolle in Steven Spielbergs hochgelobtem Kaltem-Kriegs-Drama "Bridge of Spies - Der Unterhändler" baut Sebastian Koch seine internationale Karriere weiter aus. Er spielt darin Rechtsanwalt Doktor Vogel, der beim ersten Agentenaustausch zwischen der Sowjetunion und den USA eine wichtige Rolle spielt. Im Interview mit Filmreporter.de spricht Koch über die Zusammenarbeit mit dem Regisseur, über Berlin, seine Tochter und den Arbeitsrhythmus eines Schauspielers.
erschienen am 26. 11. 2015
20th Century Fox
Sebastian Koch auf der Berliner PK zu "Bridge of Spies - Der Unterhändler"
Genese der Mitarbeit
Ricore Text: Herr Koch, erzählen Sie uns die Genese Ihrer Mitarbeit bei "Bridge of Spies - Der Unterhändler".

Sebastian Koch: Steven Spielberg ließ über meine deutsche Agentur anfragen, ob ich dabei sein will. Eine diffizile Situation, denn ich war damals in einer französischen Produktion mit Daniel Auteuil ["Au nom de ma fille"; Red.] eingeplant, bei der die Dreharbeiten unter anderem in den Pyrenäen und in Tanger stattfanden. Wir hatten einen unglaublich straffen Drehplan. Insofern war es nicht so ganz einfach, die beiden Projekte unter einen Hut zu kriegen. Trotzdem hat es Spielberg möglich gemacht. Er machte feste Termine für mich. Das ist für die Amerikaner normalerweise nicht üblich. Aber nur so war das überhaupt machbar.

Ricore: Sie spielen Rechtsanwalt Wolfgang Vogel - eine schillernde Persönlichkeit.

Koch: Ja, ein toller Charakter. Das Adjektiv, das auf ihn am meisten zutrifft, ist Zuverlässigkeit. Er hatte sowohl in Ost- als auch in Westberlin eine Zulassung als Anwalt, was ihn für die Verhandlungen über den ersten Agentenaustausch zwischen den USA und der Sowjetunion prädestinierte. Durch diesen Fall ist er in das Metier erst so richtig reingekommen. Danach hat er an die 150 Agenten ausgetauscht. Später dann war er sehr aktiv im Freikaufen von Häftlingen. Er kam mit allen gut zurecht. Helmut Kohl, Helmut Schmidt, Herbert Wehner, Erich Honecker, sie alle mochten ihn. Allein diese vielen Persönlichkeiten, diese zwei so unterschiedlichen Systeme auszubalancieren erzählt schon viel über diesen Charakter. Leider gab es dafür im Film nur wenig Platz.

Ricore: Dafür bräuchte man einen eigenen Film.

Koch: Stimmt, ich hatte mir gewünscht, dass die Figur ein bisschen mehr Raum bekommt. So steht seine Geschichte für die Frage, wie wichtig es für die DDR war, als Staat anerkannt zu werden. Die Bundesregierung versuchte damals, genau das zu verhindern. Erst 1972 wurde die DDR mit dem Grundlagenvertrag anerkannt. Bis dahin wurden Verhandlungen verweigert, so dass die Regierungen nicht miteinander sprechen konnten. Sie hatten keine Berechtigung dazu. Das ist im Film sehr schön herausgearbeitet. Bei aller Tragik hat das auch einen großen Humor, was für die Coen-Brüder spricht, die das Drehbuch geschrieben haben. Man redet miteinander, obwohl man nicht offiziell verhandeln darf. Das haben sie sehr schön umgesetzt. Es ist subtil erzählt, vieles spielt sich zwischen den Zeilen ab. Ich bin sehr begeistert vom Ergebnis.

Ricore: Der Anfang des Films hat eine unglaubliche Sogwirkung.

Koch: Ein unfassbarer Anfang. Er setzt den Ton für den Film und hält ihn bis zum Schluss aufrecht. Es gibt oft Filme, die spektakulär anfangen und nie wieder dorthin kommen. Spielberg setzt von Beginn an den Ton, den Humor, den Rhythmus und behält das bis zum Schluss bei. Es ist ein sehr langsamer, klassisch inszenierter Film. Allein die kleinen Gesten, mit denen Spielberg die amerikanische Familie Ende der 1950er Jahre beschreibt, so was begeistert mich. Das ist für mich Kino at it's best. Allein die Tatsache, wie er über den Checkpoint Charlie schwenkt. Eine sehr aufwendige Aufnahme, die ein Vermögen gekostet haben muss, die er aber nur einmal zeigt. Es wird nie inflationär. Wirklich sehr, sehr klug. Wieder eine tolle Arbeit von Steven Spielberg.

Ricore: Sie spielen eine vergleichsweise kleine Rolle. Wie kamen Sie damit zurecht?

Koch: Ich fühle mich in kleineren Rolle nicht so wohl, weil ich gewöhnlich eine Zeitlang brauche, um rein zu kommen und Vertrauen zu finden. Aus diesem Grund mache ich das nicht so oft. In diesem Fall war es einfach, weil Spielberg und sein Team, die sich ja alle seit Jahren kennen, es mir leicht gemacht haben. Sie waren sehr interessiert daran, dass ich dabei bin und haben mich dementsprechend in der Familie aufgenommen. Dadurch fiel das Fremdeln am Anfang nahezu weg.

Ricore: "Bridge of Spies" spielt zum Teil dort, wo Sie seit 25 Jahren leben. Was macht für sie den Reiz Berlins aus?

Koch: Im Vergleich zu Städten wie London und Paris ist in Berlin der Wettkampf und der Druck nicht so groß. Viele Menschen, die nach Berlin kommen, lieben die Entspanntheit der Stadt, die Möglichkeit, Sachen auszuprobieren. Das bietet Berlin in einer sehr schönen Art und Weise.

Ricore: Jetzt fehlt nur noch Los Angeles auf Ihrer Arbeits-Landkarte.

Koch: Los Angeles ist eine ganz andere Welt. Ich fühle mich in Städten am wohlsten, die europäische Wurzeln haben. Zum Beispiel New York oder San Francisco. Es geht mir um die Verbundenheit mit der großen Geschichte. Das fehlt mir in Los Angeles ein bisschen.

Ricore: Und wenn es Rollenangebote gibt?

Koch: Das Tolle ist, die kommen ja gerade alle nach Berlin (lacht). Abgesehen davon, wenn es eine gute Rolle ist, dann bin ich natürlich sofort dabei. Ob das nun in Grönland ist oder Los Angeles, spielt keine Rolle.
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Steven Spielberg feiert in Berlin die deutsche "Bridge of Spies"-Premiere
Sebastian Koch: Ich will mich nicht wiederholen
Ricore: Sie sind in letzter Zeit immer internationaler unterwegs...

Koch: Ich wähle meine Rollen sehr genau aus. Dabei versuche ich, immer so gut es geht bei mir zu bleiben und nicht Dinge zu machen, die ich nicht vertreten kann. Ich will mich nicht wiederholen. Das ist ein wichtiger Grundsatz. Nach so vielen Jahren gelingt das immer noch ganz gut. Darauf bin ich stolz.

Ricore: Bedingt diese Einstellung auch, dass Sie spektakuläre Rollen absagen?

Koch: Ja, das kann vorkommen, wenn die Rollen nicht stimmt oder das Umfeld.

Ricore: Können Sie ein Beispiel nennen?

Koch: Ungern, da laufe ich Gefahr überheblich zu klingen.

Ricore: Auch amerikanische Produktionen?

Koch: Ja.

Ricore: Sie bleiben beharrlich.

Koch: (lacht)

Ricore: Haben Sie Rollen angenommen, die Sie im Nachhinein bereuen?

Koch: Nein, noch nicht. Das ist ein gutes Zeichen, oder?

Ricore: Haben Sie Traumrollen?

Koch: Es gibt keine Traumrollen...bzw. man kann und sollte sie sich nicht ausdenken... Ich wäre z.B nicht im Traum darauf gekommen, dass ich eines Tages den Seewolf spielen würde. Dann kam das Angebot, das ich dann als großes Geschenk empfand. Eine tolle Arbeit war das - eine Traumrolle.

Ricore: Wie wäre es mit einer Rolle in "James Bond"?

Koch: Ich war bei "Ein Quantum Trost" nahe daran den Bösewicht zu spielen, am Ende haben sie sich dann für den Franzosen Mathieu Amalric entschieden.

Ricore: Gibt es einen Regisseur, mit dem Sie unbedingt zusammenarbeiten wollen?

Koch: Mit Spielberg würde ich jederzeit wieder drehen. Auch Tom Hooper ist ein toller Regisseur, mit dem ich "The Danish Girl" gemacht habe. Ich mag Menschen, die konkrete Ideen haben, aber auch bereit sind, neue Wege zu gehen. In Deutschland konnte man das zuletzt bei "Victoria" sehen. Ein spannender und aufregender Film, weil er etwas riskiert hat. Weil er dorthin gegangen ist, wo vor ihm keiner war.
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Sebastian Koch und Hauptdarsteller Tom Hanks auf der Berliner Premiere zu "Bridge of Spies - Der Unterhändler"
Den Rhythmus nicht selber bestimmen
Ricore: Haben Sie mit Spielberg über mögliche weitere Projekte gesprochen?

Koch: Wenn man eine Verbindung hat, dann sollte man nicht fragen. Es wird sich von selbst ergeben oder auch nicht.

Ricore: Hat ihre Tochter auch schauspielerische Ambitionen?

Koch: Die Idee dafür ist auf jeden Fall da. Ich mische mich da nicht groß ein. Mal sehen, wohin das führt. Sie muss das selber für sich entdecken. Wenn ich merke, dass da eine große Kraft vorhanden ist, dann werde ich das natürlich gerne unterstützen. Der Impuls muss allerdings von ihr kommen.

Ricore: Was macht sie derzeit?

Koch: Sie ist gerade in Marokko, wo sie in einem Waisenhaus ein soziales Praktikum macht. Sie sucht gerade sich und die Welt. Ich finde es schön, dass man nicht gleich von der Schulbank auf der nächsten Bank Platz nimmt. Sondern dass man zunächst schaut, was das Richtige für einen ist. Im Moment hat sie noch keine konkrete Idee, was ich auch nicht schlimm finde. Sie hat noch Zeit.

Ricore: Zeit ist das, was das deutsche Bildungssystem den jungen Menschen nicht geben will.

Koch: Ja, diesen Stress, dass man die Schule um ein Jahr kürzt, damit die Schüler noch früher an die Uni kommen - das ist kompletter Wahnsinn. Das hat mit Lust am Leben und damit, das Leben zu entdecken, herzlich wenig zu tun.

Ricore: Wie viel Zeit nehmen Sie sich für Ihr Privatleben?

Koch: (schmunzelt). Ach, wissen Sie, dieser Beruf hat wenig Rhythmus, weil die Angebote nun mal kommen, wann sie kommen. Da ist man plötzlich in einem anderen Land. Plötzlich ist man in einem französischen Projekt, dann gibt es wichtige Begegnungen wie mit Steven Spielberg. Da hat man kaum Zeit für etwas anderes. Das ist das Los eines Schauspielers. Auf der anderen Seite gibt es viele schöne Dinge, die diesen Beruf spannend machen. Einer der Nachteile ist aber leider, dass man den Rhythmus nicht selber bestimmen kann. Das bedingt, dass man das Private verschieben muss.

Ricore: Wenn Sie kein Schauspieler wären, was hätten Sie stattdessen gerne gemacht?

Koch: Musik. Musik ist ein Ausdruck, der ohne Sprache stattfindet und anders empfangen wird. Musik ist eine Weltsprache. Das finde ich toll.

Ricore: Welche Art von Musik mögen Sie?

Koch: Musik, die aus dem Herzen kommt. Leute, die Musik machen müssen, die machen gute Musik. Die Gattung ist vor diesem Hintergrund zweitrangig. Das Leben ist zu kurz, um schlechte Musik zu hören.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 26. November 2015
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