Wild Bunch Germany
Die Mittagsfrau (2023)

Die Mittagsfrau

Originaltitel
Die Mittagsfrau
Regie
Barbara Albert
Darsteller
Mala Emde, Max von der Groeben, Thomas Prenn, Liliane Amuat, Fabienne Elaine Hollwege, Laura Garde
Kinostart:
Deutschland, am 28.09.2023 bei Wild Bunch
Kinostart:
Österreich, am 25.10.2023 bei Filmladen
Kinostart:
Schweiz, am 16.11.2023 bei Ascot Elite Entertainment Group
Genre
Drama
Land
Deutschland, Schweiz, Luxemburg
Jahr
2023
FSK
ab 12 Jahren
Länge
136 min.
IMDB
IMDB
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brillant  10|
6,0 (Filmreporter)
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Gelungene Bestselleradaption von Barbara Albert
Helene (Mala Emde) wächst mit ihrer Schwester Martha (Liliane Amuat) in der deutschen Provinz auf. Die Kindheit ist geprägt von der Abwesenheit des Vaters, der im 1. Weltkrieg gefallen ist. Die geistigen Kräfte ihrer Mutter schwinden immer mehr. Sie klammert sich noch immer an die Hoffnung, ihr Mann könne zurückkommen.

Die Mädchen entfliehen der geistigen Enge bei einer Tante im Berlin der 1920er Jahre. Während sich die naive Martha dort im Party- und Drogenrausch verliert und schließlich in eine Entzugsklinik eingeliefert wird, arbeitet die emanzipierte Helene als Krankenschwester. Nebenbei macht sie ihr Abitur nach, denn sie will unbedingt Medizin studieren.

In Karl (Thomas Prenn) findet sie die Liebe ihres Lebens. Nach dem Tod des progressiven Sohns aus bürgerlichem Haus in den Straßenkämpfen zwischen linken Gruppen und Nazis, bleibt sie alleine zurück. Ihre Tante setzt sich kurz nach der Machtübernahme der Nazis nach Brasilien ab.

Die Familie ist jüdischen Glaubens, was plötzlich relevant wird. Helene darf nicht länger arbeiten. Um zu überleben, wählt sie die Flucht in die Ehe. Wilhelm (Max von der Groeben) ist ein überzeugter Nazi, hat sich aber unsterblich in sie verliebt. Er besorgt ihr falsche Papiere und heiratet sie. Der biedere Ehemann zwingt Helene zu einem traditionellen Hausfrauendasein und ist enttäuscht, dass sie beim ersten Geschlechtsverkehr keine Jungfrau mehr ist.
Die Österreicherin Barbara Albert adaptierte den Bestseller von Julia Franck über das Schicksal einer selbstbewussten Frau, die über mehr als 30 Jahre vom Ende des 1. Weltkriegs bis Mitte der 50er Jahre begleitet wird. Dafür taucht sie in einzelne Zeitabschnitte intensiv ein, über Kostüm und Kulisse sowie das politische Geschehen sind sie leicht einzuordnen. Dezent wird dagegen der Alterungsprozess von Helene angedeutet, was dem Film gut tut. Mala Emde kann ihre mimische Ausdruckskraft voll ausspielen.

Schon im Filmformat deutet Albert die Weite der Welt um Helene und die Vielfalt der Möglichkeiten an, die ihr bis 1933 offenstehen. Mit Beginn der Nazidiktatur wird das Bildformat des Films ebenso wie die Welt Helenes kleiner und enger, um sich erst gegen Ende wieder zu öffnen. Hier erlaubt sich Albert eine gravierende Abweichung von der Vorlage, die den Preis für Helenes Abgrenzungsprozess zum eigenen Schicksal mindert.

Die Abwesenheit von Männern hat sie geprägt. Und wenn sie da sind, plustern sie sich wie Wilhelm mit einer schwarzen Uniform auf, um letztlich wieder vor der Verantwortung zu fliehen. Zum zweiten Hauptmotiv des Films über den Preis von Emanzipation und Überleben ist der Zwang für Helene, sich zu verstecken. Zunächst ihre ungewollte Schwangerschaft, dann ihre Identität, später vor ihrem Sohn. Ihre Entscheidung, die Scheinidentität nach 1945 samt ihrem bisherigen Leben wieder abzulegen, wird auch zu einer Abrechnung mit der Idealisierung der deutschen Mutter unter den Nazis, das sich diesmal als Ideal des aus den USA übernommen Familienbildes wandelt.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
Wild Bunch Germany, Lucky Bird Pictures, Nick von Nostitz
Mala Emde in "Die Mittagsfrau" (2023)
2024