Anita - Tänze des Lasters

Anita - Tänze des Lasters

Originaltitel
Anita - Tänze des Lasters
Regie
Rosa von Praunheim
Darsteller
Rainer Kranich, Eva-Maria Kurz, Marion Kutschke, Tillman Lehnert, Hannelene Limpach, Helge Musial
Kinostart:
Deutschland, am 25.02.1988 bei Filmwelt Verleihagentur
Genre
Drama, Erotik
Land
BRD
Jahr
1987
FSK
ab 16 Jahren
Länge
89 min.
IMDB
IMDB
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brillant  10|
8,0 (Filmreporter)
9,0 (2 User)
Die ältere Dame (Lotti Huber) zieht sich völlig ungeniert mitten auf dem Berliner Kurfürstendamm aus. Schreiend behauptet sie, Anita Berber zu sein, die berühmte Nackttänzerin aus den 1920er Jahren. Ihr Striptease zieht die neugierigen Blicke der Passante an. Sie reagieren teils mit Belustigung, teils mit Empörung. Doch bevor sich Anita völlig entkleiden kann, erscheint ein Polizist. Die lautstarke skurrile Darbietung wird unterbrochen und die korpulente Nackttänzerin landet in der psychiatrische Anstalt. Ihre eruptiv bejahende Lebenskraft verunsichert das Pflegepersonal jedoch nachhaltig und verurteilt jeden Therapieversuch zum Scheitern. Zwischen abgestumpften Sanitätern und dahinsiechenden Patienten findet Ihre Lebensgeschichte kein Gehör. Anita lässt sich davon nicht im Geringsten beeindrucken. Längst schwelgt sie in einer eigenen Realität, reist unentwegt zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Ob sie tatsächlich Anita Berber ist bleibt offen.
Träume sind manchmal wahrhaftiger als die Realität. Dieser Satz fällt gegen Ende von "Anita, Tänze des Lasters" und trifft die Quintessenz sowohl der dargestellten Geschichte Anitas, als auch des Dramas von Rosa von Praunheim. Die Verschmelzung von Wunsch und Wirklichkeit, die im Inneren der Hauptfigur längst stattgefunden hat, schlägt sich dramaturgisch über die gesamte Spielfilmdauer nieder. Während der trostlose Irrenhausalltag um die senile Anita, deren Personalausweis auf den Namen Kutowski ausgestellt ist, in grobkörnigen Schwarzweiß-Bildern festgehalten wird, bilden ihre Erinnerungen an die ausschweifenden Kabarettabende einen farbenfrohen glamourösen Kontrast. Von Praunheim benutzt zahlreiche Rückblenden, um in stilsicherer Stummfilmmanier zugleich die Biographie der skandalumwitterten Ausdruckstänzerin Anita Berber zu rekonstruieren. Im Mittelpunkt steht dennoch Hauptdarstellerin Lotti Huber als lebenslustige Alte - einer Rolle die sie sicher nicht üben musste! Ihr ausdrucksstarkes Spiel, ihre schier unerschöpfliche Energie treiben die Handlung entschieden voran. Was als Hommage an jene von Otto Dix auf Leinwand verewigte Ausdruckstänzerin gedacht war, ist so zum gelungenen Nachweis von Lotti Hubers damals noch ungebändigter Vitalität geworden.
Vincenzo Panza/Filmreporter.de
2024