Senator Film Verleih
Wolfgang Murnberger
Wolfgang Murnberger zur österreichischen Kunst
Interview: "Wir sind Nestbeschmutzer"
"Der Knochenmann" ist Wolfgang Murnbergers dritte Verfilmung eines Wolfgang Haas Romans. Die Reihe um den Privatdetektiv Simon Brenner ist eine der erfolgreichsten Buch- und Filmserien Österreichs. Bei der Berlinale 2009 feierte die schwarze Komödie Weltpremiere, Murnberger stand uns geduldig Rede und Antwort. Dabei erklärt er uns auch, wieso sich in Österreich der schwarze Humor so wohl fühlt.
erschienen am 21. 02. 2009
Majestic Filmverleih
Der Knochenmann
Ricore: Warum dauerte es so lange, bis der Film ins Kino kam?

Wolfgang Murnberger: Josef Hader hat sehr viele Projekte gehabt. Wenn er keine Zeit für die Presse hat, ist es schlecht zu starten. Josef ist zehn mal so viel im Einsatz, wie ich. Das war der Grund. Dann gab es noch mal eine kleine Verschiebung weil es in Österreich einen Kinotag geben sollte. An diesem Tag sollten die Zuschauer sich für fünf Euro Eintritt beliebig viele Filme anschauen können. Doch das ist jetzt sowieso gestrichen. Uns hätte es geärgert, dass wir eine Woche später als in Deutschland gestartet wären. Denn die Besucher während des Kinotages hätten nicht offiziell gezählt und wir hätten weniger Geld bekommen. Das ist in der zweiten Woche natürlich tödlich.

Ricore: Was wollten Sie anders machen, als bei den vorherigen Filmen?

Murnberger: Wir wollten auf jeden Fall eine größere Liebesgeschichte zwischen Brenner und einer Frau einbauen. Von diesem Roman haben wir lediglich die Familiensituation übernommen und dem Brenner noch eine Liebesgeschichte mitgegeben. Daraus haben wir das Drehbuch gemacht. Im Roman ist ja noch die ganze Fußballgeschichte drin, die Künstler auf dem Bauernhof, aber das haben wir alles rausgekippt. Wir wollten uns auf weniger Figuren konzentrieren und den Brenner nach Wien und Salzburg mal aufs Land schicken. Und auch nicht nach Graz, zum ewigen Leben.

Ricore: Es ist ja ein weiterer Film über Brenner in der Planung. Wann wird der realisiert?

Murnberger: Das Drehbuch sollte heuer fertig werden. Wenn wir's nicht nächstes Jahr drehen dann übernächstes.

Ricore: Wird es wieder mit den bewährten Schauspielern besetzt?

Murnberger: Der Brenner und der Berti werden wieder fix dabei sein. Ansonsten werden wir uns wieder umschauen.
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Der Knochenmann
Ricore: Die Südsteiermark hätte mit der Backhendlstation im Süden auch ein Set in der steirischen Toskana möglich gemacht. Warum ist es diese düstere Location unter der Autobahnbrücke geworden?

Murnberger: Ich war in der Südsteiermark. Die Original-Location, wo dieser Roman spielt, liegt in einer irrsinnig lieblichen, hügeligen Landschaft mit Weinbergen. Ich finde die Gegend, in der wir gedreht haben, für einen Thriller eigentlich besser.

Ricore: War Josef Bierbichler von Anfang Wunschkandidat als Brenners Gegenspieler?

Murnberger: Wir wollten dem Brenner einen starken Gegner geben, das war der Plan. Wir haben von Anfang an, von der ersten Drehbuchseite, den Sepp Bierbichler gewollt. Mit der ersten Fassung sind wir brav zu ihm gefahren, haben sie ihm gezeigt, gesagt, dass wir gern mit ihm drehen wollen. Er hat's gelesen und gesagt "Hmm…" Die erste Fassung war noch nicht so ausgereift. Also hat er gesagt, "Ich sag nicht ja, ich sag nicht nein, aber ich les auf jeden Fall die zweite Fassung". Also haben wir uns mit der zweiten Fassung angestrengt und der Figur natürlich mehr Fett gegeben. Wir wollten da wirklich zwei gleich starke Gegner aufbauen, die zuerst ein bisserl Freunde werden, damit es schwieriger ist, wenn sie Feinde sind. Das war die Idee.

Ricore: Wie war das am Set mit Josef Bierbichler und Josef Hader? Wie redet man sich da an, dass es nicht zu Verwechslungen kommt?

Murnberger: Zum Sepp hab ich "Sepp" gesagt und zum Josef "Josef".

Ricore: Das ist nun schon die dritte Verfilmung eines Wolf Haas Romans. Was reizt Sie daran und warum verfilmen Sie weitere Haas Romane?

Murnberger: Zusammengebracht hat uns der Kulturredakteur vom Standard. Der hat den Wolf Haas zu einem Roman interviewt und gefragt "Wieso kommt eigentlich niemand auf die Idee, das zu verfilmen?" Haas hat geantwortet, dass schon Leute auf ihn zugekommen seien, um eine Fernsehserie zu drehen. Doch das tauge ihm nicht, er würde es lieber im Kino sehen. Auf die Frage nach dem Lieblingsregisseur hat er mich genannt. So war das. Dann hab ich mich mit dem Material beschäftigt und gesagt "Das kann man nicht verfilmen" Es lag auch schon beim ORF, aber alle haben gesagt 'unverfilmbar'. Wolf Haas meinte dann, man müsse nicht originalgetreu verfilmen, man könne Dinge rausnehmen, dazu erfinden, stückeln. Ich hab mir alles noch mal angeschaut und gedacht "Da ist ein guter Showdown drin". Wenn man da ein paar Figuren weglässt, könnte es klappen. Als der erste Film dann so gut geklappt hat, haben wir weitergemacht.
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Silentium
Ricore: War es schwer die Location, das Wirtshaus zu kriegen?

Murnberger: Ja, schon. Das Budget war begrenzt, das heißt ich kann keine Backhendlstation nehmen, wo ich dauernd 150 Komparsen sitzen hab. Es musste also ein Wirtshaus sein, das vorne nicht so groß war, hinten aber einen Saal hat, in den 200 Leute passen für einen Maskenball. Die Küche und das Wurstzimmer spielen allerdings in einem anderen Wirtshaus, die waren in unserem nicht groß genug. Die Kellertreppe spielt auch in einem anderen Haus (grinst). Es ist also ziemlich zusammengestoppelt.

Ricore: Das Drehbuch wurde von Wolf Haas, Josef Hader und Ihnen geschrieben. Wie war die Verteilung, wer hatte welche Aufgaben?

Murnberger: Das ist eine heikle Frage. Es ist so schwer auseinander zu dividieren wenn das mal fertig ist, weil alles ineinander greift.

Ricore: Ist bei den Dreharbeiten auch improvisiert worden oder wurde sich ans Drehbuch gehalten?

Murnberger: Teils-teils. Wenn man so gute Schauspieler hat wie die Birgit Minichmayr dann ergeben sich am Set auch mal andere Dialoge. Dadurch, dass der Josef und ich dabei sind, kann man das ganz gut handhaben. Als Regisseur hast du die Dialoge ja als Sicherheit. Oft ist es heikel mit den Schauspielern herumzubasteln, weil man sich nicht sicher ist, ob es besser wird. Vielleicht wird's nur anders. Oder sogar schlechter. Doch dadurch, dass der Josef den Brenner spielt und mitschreibt, ist es ganz leicht für uns, damit umzugehen. Wir erkennen es sofort, wenn ein Dialog besser wird. Dann weichen wir auch vom Drehbuch ab.
Ventura Film
Komm, süßer Tod (2000)
Ricore: Dadurch, dass Josef Hader die Figur des Brenner mitgeschrieben hat, steckt bestimmt eine Menge Hader im Brenner. Wie viel?

Murnberger: Das ist für mich schon total verwachsen. Da müssen Sie ihn selber fragen.

Ricore: Können Sie etwas über österreichische Stereotypen sagen und inwieweit diese im Film vorkommen?

Murnberger: Wahrscheinlich kann man das selber nicht so beurteilen, das österreichische Klischee. Ich glaube wir in Österreich können heutzutage sehr gut mit schwarzem Humor umgehen. Mit Zynismus, Sarkasmus und Ironie.

Ricore: Warum ist das so? Warum kommt das in deutschen Komödien beispielsweise kaum vor?

Murnberger: Ich habe darüber auch schon nachgedacht. Es gibt kaum deutsche Filme, die mit schwarzem Humor agieren. Man kennt es aus den nordischen Ländern oder aus England. Auch aus Amerika. Doch in Deutschland tut das niemand. Der Humor in Deutschland ist oftmals so superlustig. Es ist zu dick, das Lustige.
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Wolf Haas
Ricore: Wie schwer ist es für Sie als österreichischer Filmemacher ein Budget für einen Film zusammenzustellen?

Murnberger: Dadurch dass die Vorgänger in Österreich so erfolgreich waren, geht es. Da kriegen wir bereits für die erste Drehbuchfassung eine Förderung. Es ist also etwas leichter als für andere. Die Bayerische Filmförderung hat uns ja leider abgelehnt, obwohl wir da drehen wollten mit dem Bierbichler.

Ricore: Wird der Film in anderen Ländern auch ankommen?

Murnberger: Ich bin da ganz froh. So klein dieses Land ist - Österreich geht mit diesen Stoffen sehr gut um. Wenn ich daran denke, wie Silentium aufgenommen wurde, das ja sehr kritisch mit einer Institution wie den Salzburger Festspielen umgeht. Da gab es keine Anfeindungen und auch die Katholische Kirche hat sich nicht zu Wort gemeldet. Obwohl wir ja Fürchterliches behaupten. Böses Märchen. In Frankreich waren die Reporter fassungslos, dass ein österreichischer Regisseur in seinem eigenen Land einen so bösen Film über eine Kulturinstitution wie die Salzburger Festspiele machen kann. Das ist total kritisch aufgefasst worden, nicht so sehr satirisch. Die haben gesagt, in Frankreich gäbe es keinen Regisseur, der so einen bösen Film über eine französische Institution macht.

Ricore: Woran liegt das? Ist der österreichische Markt offener für so etwas?

Murnberger: In Österreich ist es einfach Tradition, dass Künstler das Nest beschmutzen. Das wird so wahrgenommen und auch akzeptiert. Ich finde das gut, dass man es bei uns nicht so tierisch ernst nimmt. Wir haben ja gesagt, es ist ein böses Märchen. Das ist bei uns auch so verstanden worden, aber in Frankreich wurde ich gefragt "Können Sie noch nach Salzburg reinfahren?"
erschienen am 21. Februar 2009
Zum Thema
Der österreichische Regisseur Wolfgang Murnberger erhielt für seine Filme mehrere nationale und internationale Preise. Sein Krimi "Komm, süßer Tod" aus dem Jahr 2000 ist einer der erfolgreichsten Filme in Österreich. Mit Hauptdarsteller Josef Hader und Autor Wolfgang Haas verfilmte er auch "Silentium" und "Der Knochenmann". Bei allen drei Filmen wirkte Murnberger selbst mit und war am Drehbuch beteiligt. Daneben arbeitet er auch fürs Fernsehen und drehte zwei Tatort-Folgen.
Der Knochenmann (Kinofilm)
"Der Knochenmann" ist das dritte Krimi-Abenteuer mit Josef Hader als abgehalfterten Ex-Polizist Brenner: Diesmal soll er in der österreichischen Provinz Schulden eintreiben. Im Landgasthof "Löschenkohl" verliebt sich Brenner, merkt deshalb viel zu spät, das das Knochenmehl, mit dem die hauseigenen Brat-Hendl gefüttert werden, etwas allzu menschlich ist. In der Provinzsatire ist das Trio Hader, Wolfgang Haas und Wolfgang Murnberger erneut als Hauptdarsteller, Autor, und Regisseur sowie..
2024