Tzveta Bozadjieva/Ricore Text
Uschi Glas
"Ich war noch nie Detektiv!"
Interview: Uschi Glas mag Happy Ends
Kaum eine Frau ist im deutschsprachigen Fernsehen seit langem so erfolgreich, wie Uschi Glas. Seit den 1960er Jahren ist die Bayerin präsent, sie verkörpert meist starke, dynamische Frauen. Privat ist sie nach eigener Aussage eher konservativ und hat auch ihre schwachen Seiten. Im Interview sprach sie mit uns über ihren ungewöhnlichen Auftritt in einer Episode der langjährigen Krimiserie "Ein Fall für Zwei".
erschienen am 20. 06. 2009
Ulrich Blanché/Ricore Text
Uschi Glas
Ricore: Sie spielen meist Hauptrollen. Wie war das, als man an Sie herantrat und fragte, ob sie eine Episodenrolle spielen wollen?

Uschi Glas: Ich schaue mir "Fall für Zwei" gerne an und habe die Serie seit Beginn an verfolgt. Ich habe mich gefreut, dass ich gefragt wurde. Das Drehbuch hat mir geschmeckt. Ich sah es als Herausforderung.

Ricore: Was schmeckte Ihnen daran?

Glas: Ich spiele eine Verlegerin, die gegen Ende in arge Schwierigkeiten kommt. Jedes weitere Wort würde zu viel verraten.

Ricore: Ist das Ihre erste Rolle in einem Freitagskrimi?

Glas: Ja.

Ricore: Stimmt es, dass Sie in Ihrer langen Karriere nie eine Kommissarin oder Detektivin gespielt haben?

Glas: Das ist richtig. Ich war schon Staatsanwältin und Richterin, aber nie Detektivin [lacht]. Aber einmal ausprobieren würde ich das schon. Auch Kriminal-Kommissarin könnte ich mir vorstellen.
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Uschi Glas in Pose für "Familienbande"
Ricore: Sind Sie durch "Ein Fall für Zwei" auf den Geschmack von Gastrollen gekommen?

Glas: Wenn mir das Drehbuch gefällt, würde ich öfter zusagen. Es ist schön, als Gast zu arbeiten. Man kommt in ein eingespieltes Team. Bei diesem Dreh war die Atmosphäre sehr toll, was nicht selbstverständlich ist. Der Ton hätte sich im Laufe der jahrelangen Zusammenarbeit auch verschärfen können. Beeindruckt hat mich auch die Ausstattung. Als Verlegerin einer Modezeitung wurde mir ein eigen kreiertes Heft vorgelegt, wo die Titelseite wie die Vogue aussah. Oft sind innen nur weiße Seiten, aber hier war das gesamte Heft gestaltet. Das hat mich beeindruckt.

Ricore: Sie spielen oft starke Frauen. Wo werden Sie schwach?

Glas: Man darf nie verwechseln, dass meine Figuren Filmrollen sind. Ob ich selbst eine starke Frau bin, bezweifele ich dann doch. Wobei ich sicherlich nicht schwach bin. Ich bin eine Kämpfernatur. Ich denke, man kann sich nur selbst helfen und sein Leben anpacken. Aber so perfekt, wie das im Film funktioniert, davon bin ich weit entfernt. Auch was diese Toughheit betrifft. Ich bin überhaupt nicht der Chef-Typ. Im Film macht das Riesenspaß, aber im normalen Leben könnte ich das nicht.

Ricore: Die Daily Soap "Dahoam is Dahoam" des Bayrischen Rundfunks hat eine neue Form von Kultstatus bei Fernsehserien eingeläutet. Wenn Sie ein Angebot hätten, dort zwei Jahre mitzuspielen, tägliche Dreharbeiten eingeschlossen, würden Sie das machen? Oder hat das für Sie nichts mehr mit Schauspielkunst zu tun?

Glas: Vor vielen Jahren hat mich eine junge Kollegin an der Tankstelle angesprochen und gemeint, sie hätte ein Angebot für eine Soap und wollte wissen, was ich davon halte. Ich habe zu ihr gesagt: "Ich würde das sofort machen". Man darf nicht vergessen, was die Kollegen leisten. Natürlich kann man bei dem Zeitdruck nicht mehr ins Detail gehen. Aber was die an Disziplin und Professionalität bei dieser Arbeit an den Tag legen müssen, ist enorm. Und für jeden Anfänger eine Riesenchance. Da kannst du nicht sagen: "Entschuldigung, ich hab mich versprochen, können wir nochmal von vorn anfangen". Ich habe vor dieser Arbeit großen Respekt. Neulich traf ich Doris Kunstmann, sie hat sich darauf eingelassen. Sie hat meine Theorie des vielen Büffelns und Auswendiglernens bestätigt. Darüber die Nase zu rümpfen, steht mir nicht zu.
Ulrich Blanché/Ricore Text
Uschi Glas
Ricore: Hat dies denn noch mit Talent zu tun?

Glas: Talent ist das eine, aber sein Handwerk gut zu beherrschen, muss man erst lernen. Diese Serien sind eine gute Schule dafür. Ob ich mich für zwei Jahre täglich hinstellen würde, glaube ich nicht. Ich glaube, ich könnte dieses Arbeitspensum gar nicht mehr erfüllen. Dazu habe ich neben der Schauspielerei zu viele andere Betätigungen, auf die ich nicht verzichten möchte.

Ricore: Sie haben 2008 den Bierorden bekommen. Welches ist ihr Lieblingsbier?

Glas: Da treffen sie mich am falschen Fuß.

Ricore: Darf man das nicht sagen?

Glas: Doch, doch. Am liebsten trinke ich ein Bier im Nürnberger Brauhaus, aber ich könnte ihnen jetzt nicht den Namen nennen. Aber da schmeckt's mir am besten.

Ricore: Würden Sie gern mehr böse Rollen spielen?

Glas: Ich gebe zu, dass ich kitschig bin und gerne Happy Endings spiele. Ich will einen Ausweg aufzeigen und mitteilen, dass es keine hoffnungslose Situation gibt. Diese Botschaft bringe ich gern rüber. Mal eine richtig böse Figur, vielleicht eine Giftmischerin zu spielen, ist auch verführerisch, klar.
Universal
Ein Fall für Zwei
Ricore: Sie gelten privat als schüchterne und zurückhaltende Person, die Promi-Events meidet. Warum?

Glas: Auf bestimmte Veranstaltungen muss man hingehen. Aber darüber hinaus finde ich die Zeit zu wertvoll. Wenn man, wie ich, in München wohnt, könnte man theoretisch täglich auf drei Events gehen. Zumindest nach meinen Einladungen zu urteilen. Wenn man nix kochen mag, kann man irgendwo hingehen und wird satt (lacht). Aber mir ist die Zeit zu schade. Ich will das gar nicht werten, aber es ist mir wichtiger, mit Freunden im kleinen Kreis zu sitzen, etwas Nettes zu essen und ein gutes Gespräch zu führen. Bei großen Empfängen kann man sich nur selten unterhalten, da es meistens zu laut ist. Das ist nicht meine Welt.

Ricore: Sind Sie nie abgehoben?

Glas: Ich habe als junges Mädchen angefangen und bin seit 40 Jahren dabei. Ich hatte, ohne eitel klingen zu wollen, große Erfolge gehabt. Die Gefahr abzuheben ist ziemlich groß. Ich habe immer geschaut, dass ich auch ein Privatleben habe und nicht in einer Scheinwelt lebe. Mit ist wichtiger, dass ich bei mir bin. Ich freue mich über meinen Beruf und finde ihn klasse. Man darf mal Kind sein, in eine Rolle einsteigen und die tolle Staatsanwältin raushängen lassen. Dann steigst du aus, gehst heim und bist wieder du. Das ist herrlich und das möchte ich nicht tauschen. Aber ich möchte auch mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und der Verführung dieses Geschäfts nicht nachgeben. Diese ist nach so vielen Jahren nicht mehr so groß, aber am Anfang meiner Karriere war das anders. Da musste ich aufpassen und nicht den inneren Schweinehund zum Zuge kommen lassen, der gesagt hat: "Du kannst dir alles leisten, die verzeihen dir sowieso wieder".

Ricore: Welche Ratschläge haben Sie für junge Schauspieler, damit sie dieser Versuchung widerstehen?

Glas: Ich würde immer versuchen, mich in meinen Gegenüber hinein zu versetzen und nachdenken, ob ich gerne so behandelt werde, wie ich mich gerade anderen gegenüber gebe. Garderobieren oder Maskenbildner gegenüber und so weiter. Dann glaube ich, ist es auch wichtig, Disziplin zu haben. Ich würde jedem Schauspieler sagen "Spiel mal Theater. Geh malochen". Zum großen Teil tragen auch die Agenten eine Mitschuld. Diese kreieren einen Hype, dass ich mir denke, was ist das denn? Schauspieler zu sein ist ein Beruf und kein Freischein, um seinen schlechten Charakter auszupacken und auf Leuten rumzuhacken. Als Schauspieler hat man immer die besseren Karten, ist ja klar. Wenn ich mich aufrege und sag, die Maskenbildnerin ist schlecht, was wird wohl passieren? Mich werden Sie ja wohl nicht auswechseln, nicht wahr? Es ist furchtbar, wie junge Menschen von Anfang an falsch gepolt werden.
Ulrich Blanché/Ricore Text
Uschi Glas
Ricore: Zeit ist Ihnen wichtig. Sie engagieren sich für ein Projekt, das Brot und Zeit gibt. Was steckt dahinter?

Glas: Ich habe einen Bericht gehört, dass es in München massiven Hunger an Schulen gibt. Das hat mich sehr ergriffen, ich konnte es kaum glauben. Wir haben uns dann erkundigt und die Grundschulen direkt angeschrieben und nachgefragt. Die Antworten bestätigten, dass an manchen Schulen bis zu 30 Prozent der Kinder hungern. Wir haben uns vier Schulen rausgepickt, da wir klein anfangen wollten und nicht wussten, wie viel wir stemmen können. Auf unsere Frage, was am dringendsten benötigt wird, meinten die Schulleiter: "Zwieback". Sie meinten, das reicht aus, um die erste Unterzuckerung der Kinder, wenn sie in der Früh in Schule kommen, zu überbrücken.

Ricore: Sie haben dann Zwieback zur Verfügung gestellt?

Glas: Für die 52 Klassen unserer vier Schulen haben wir auf die Schnelle Notfall-Brotzeit-Boxen zur Verfügung gestellt, mit Knäckebrot, Butterkekse, Müsliriegel und Zwieback. Zugleich wussten wir, dass dies nicht alles sein kann. Der Wunsch der Schulen war, den Kindern ein richtiges Frühstück zu bieten. Mein Mann hat daraufhin Kontakt zu einem Lidl-Chef hergestellt. Wir sind hin und haben unser Projekt vorgestellt.

Ricore: Wo stehen Sie im Moment?

Glas: Im Moment sind wir soweit, dass wir jeden Morgen unsere vier Schulen mit einem wunderbaren Frühstück ausstatten. Das heißt Milch, Orangensaft, Brot und Knäckebrot, Müsli, Kakao. Ein hochwertiges Frühstück also.
Tzveta Bozadjieva/Ricore Text
Uschi Glas
Ricore: Sie haben aber auch ein Projekt mit Senioren, nicht wahr?

Glas: Das stimmt. Ein Freund aus unserer Stiftung betreut ein Seniorenstift. Er hat die Senioren aufgerufen, uns an den Schulen zu helfen. Sie dürfen bis zu 2.100 Euro im Jahr verdienen, ohne dies zu versteuern. Dieses kleine Entgelt bekommen sie von uns.

Ricore: Was genau ist deren Aufgabe?

Glas: Die Senioren helfen morgens beim Frühstück mit Eindecken, Abspülen und Wegräumen. Andere geben Nachhilfe-Unterricht oder Deutschstunden, machen Hausaufgaben- und Freizeitbetreuung, wie Schachspielen oder Vorlesen. Unsere Internetseite heißt "Brotzeit für Kinder". Bald kommen zwei weitere Schulen hinzu, wir wollen uns langsam ausbreiten. Mein größter Wunsch wäre, dass es so etwas überall in Deutschland gäbe, wie das Projekt "Die Tafeln". Dass sich auch in Frankfurt, Berlin und Hamburg Menschen zusammen tun und Spenden sammeln. Wir vergeben auch Patenschaften. Wenn jemand für ein Kind zum Beispiel das Mittagessen übernehmen will, kostet das im Moment einen Euro am Tag. Bei 200 Schultagen sind das für den Paten 200 Euro im Jahr und ein Kind kann jeden Tag zu Mittag essen.

Ricore: Tolles Projekt, wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg"

Glas: Vielen Dank. Das sollte es in jeder Stadt geben. Wir können nicht immer gleich nach dem Staat schreien. Wenn Kinder nicht an Hunger leiden, merkt man das auch an ihren Leistungen, die Kinder sind wacher und fröhlicher. Sie kommunizieren miteinander. In der einen Schule haben wir 87 Prozent Migrantenkinder mit unterschiedlichen Sprachen.

Ricore: Verspüren Sie eine Art Verpflichtung, dass Sie sich sagen, Sie müssen etwas zurückgeben?

Glas: Ja. Das war schon immer so. Meine Mutter hat das auch schon gemacht. Wir haben zuhause nicht viel gehabt. Meine Mutter meinte aber immer, dass wir genug haben, um etwas abzugeben. Das sehe ich auch als Verpflichtung. Jeder, der auf der Sonnenseite lebt, kann seine Hand ausstrecken. Er muss nicht sein letztes Hemd geben, davon ist keine Rede. Aber ein bisschen kann jeder tun.
erschienen am 20. Juni 2009
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Neben dem Tatort ist "Ein Fall für zwei" die langlebigste Krimi-Serie im Deutschen Fernsehen. In über 190 Folgen ermittelt Claus Theo Gärtner als Privatdetektiv Josef Matula für die im Lauf der Jahre mehrfach wechselnden Anwälte. Die Ermittlungen reichen von Ehebruch über Erpressung bis hin zu Mord. Immer ist der etwas raubeinige Matula der Key zum Erfolg.
Die junge Uschi Glas macht verschiedene Jobs, darunter als Buchhalterin und Sekretärin. Trotzdem versucht sie, einen Fuß ins Filmgeschäft zu bekommen. Dies gelingt ihr im Jahr 1965 mit einer kleinen Nebenrolle in "Der unheimliche Mönch". Damit scheint sie es geschafft zu haben. Zahlreiche Auftritte in Fernsehfilmen und eigene TV-Serien tragen zur Festigung ihrer Bekanntheit bei. Ihr Leben scheint abgesichert. Doch es folgt ein privater Schicksalsschlag nach dem anderen. Erst die Scheidung von..
2024