Universum Film
Lars Büchel
Berge begrenzen den Blick
Interview: Lars Büchel liebt das Meer
Regisseur Lars Büchel feiert mit "Jetzt oder nie - Zeit ist Geld" im Jahr 2000 seinen bisher größten Kinoerfolg. Der Schleswig-Holsteiner war an der Kunsthochschule für Medien in Köln unter anderem Schüler von Dominik Graf, Horst Königstein und Alfred Biolek. Für "Lippels Traum" adaptiert er die gleichnamige Kinderbuchvorlage von Schriftsteller Paul Maar. In unserem Gespräch äußert sich Büchel zu den Dreharbeiten in Marokko, seinem Verhältnis zu Til Schweiger und seiner Liebe zum Meer.
erschienen am 12. 10. 2009
Universum Film
Regisseur Lars Büchel bei der Arbeit
Ricore: Was ist Ihnen noch von den Dreharbeiten zu "Lippels Traum" in Marokko in Erinnerung?

Lars Büchel: Zunächst natürlich die großartige Landschaft. Dort filmen zu dürfen ist ein Geschenk. Die Landschaft ändert sich alle 20 Minuten. Die US-Filmindustrie dreht dort häufig, etwa für "Kundun" oder "Gladiator", was uns sehr zu Gute kommt, weil die nötige Infrastruktur vorhanden ist. Die Leute vor Ort sind sehr angenehm und arbeiten höchst professionell. Beispielsweise hat es der Tiertrainer geschafft ein Pferd vor eine zwei Meter hohe Windmaschine zu stellen. Es geht darum sich nicht zu sehr von dem Land beeindrucken zu lassen, sondern sich darauf zu konzentrieren das Land filmisch einzufangen.

Ricore: Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie vor Ort zu kämpfen?

Büchel: Vor allem mit der Hitze und dem Licht. Ab 11:30 Uhr ist das Licht für uns uninteressant gewesen, weil es dann schon im Zenit steht. Die US-Amerikaner unterbrechen die Dreharbeiten von 11:30 Uhr bis 16 Uhr. Wir mussten drehen weil wir kein so großes Budget zur Verfügung hatten. Das ist ein Problem, weil in dieser Zeit flache Bilder entstehen. Schwierig ist auch, dass sich der Wind nicht ankündigt und plötzlich fliegt ein Cateringzelt für 60 Personen einfach weg. Hinzu kommt, dass es sehr schnell dunkel wird und speziell bei den Kinderdarstellern gibt es natürlich Grenzen hinsichtlich der Belastbarkeit.

Ricore: Haben Sie vor Ort auch Eindruck von den sozialen Missständen gekriegt?

Büchel: Überhaupt nicht, weil dies einem vollkommen vorenthalten wird. Im Grunde ist es eine Monarchie, die eigentlich eine verkappte Diktatur ist. In der Wüstenstadt Ouarzazate ist jedoch alles auf Service und Film ausgelegt. Dort sah man nur vereinzelt Bettler, ansonsten wird der schöne Schein weitestgehend gewahrt.
Gudrun Schmiesing/Ricore Text
Lars Büchel mit zwei seiner Hauptdarsteller
Ricore: Würden Sie nach Marokko in den Urlaub fahren?

Büchel: Ja. Es ist unfassbar schön. Wir hatten das Glück und haben nicht nur an einem Ort gedreht, sondern sind fast bis Algerien vorgestoßen. Dort kommt einem die Wüste wie ein unendliches Meer vor. Der zumeist blaue Himmel macht es mir als Regisseur schwer, weil nichts langweiliger ist, als ein wolkenloser Himmel.

Ricore: Wann haben Sie das erste Mal Paul Maars und seine Kinderbücher wahrgenommen?

Büchel: Kennengelernt habe ich Paul tatsächlich durch die Lektüre von "Lippels Traum" im Vorfeld der Dreharbeiten. Meine Kinder haben seine Bücher zunächst ebenfalls sträflich vernachlässigt. Mittlerweile haben sie es jedoch nachgeholt. Die Assoziationskette beginnt mit "Am Samstag kommt das Sams", dann kommt der Name Paul Maar und irgendwann folgt "Lippels Traum". Paul hat mir erzählt dass "Lippels Traum" sein Lieblingsroman sei.

Ricore: Wie war die Zusammenarbeit?

Büchel: Sehr gut. Paul ist ein zutiefst liebenswürdiger Mann, zurückhaltend und bescheiden. Natürlich war auch er etwas aufgeregt, weil sein Buch nach 1991 schon das zweite Mal verfilmt wurde. Mit dem ersten Versuch war er nicht ganz so glücklich, deshalb ist auch der Druck für hin gestiegen. Am Drehort war er immer sehr entspannt und ich glaube für ihn war es immer eine große Freude mitzuerleben wie aus seiner Vorgabe etwas Dreidimensionales entsteht.

Ricore: Wie kamen Sie auf Moritz Bleibtreu?

Büchel: Es gab ein Besetzungskonzept und dabei tauchte die Frage auf: wollen wir durchgehend prominent besetzen oder nur vereinzelt? Als Anke Engelke zugesagt hatte, war klar, dass die anderen Figuren, bis in die kleinsten Nebenrollen, prominent besetzt werden. Letztendlich bleibt die Besetzung ein Bauchgefühl. Als Regisseur geht man dann die Namen durch. Was ist mit Til Schweiger, passt Benno Fürmann auf die Rolle? Wer bringt noch ein Geheimnis mit? Anke ist beispielsweise eine großartige Komikerin, man hat sie jedoch noch nie so böse wie in "Lippels Traum" gesehen. Es kann sein, dass dies viele Zuschauer irritiert, weil es eben nicht nur Blödelei ist. Es gab nicht so viele Alternativen zu Moritz.
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Lippels Traum
Ricore: Wussten Sie, dass Anke Engelke die Rolle trägt oder haben Sie es nur gehofft?

Büchel: Ich kannte sie nicht, aber ich wusste, dass sie es kann. Sie hat ein tolles Timing und ist gleichzeitig so empfindsam. Große Clowns haben immer auch eine traurige Seele. Mir war klar, dass Anke eine gute Schauspielerin ist. Sie weiß was sie tut, und nur wenn einem das bewusst ist, kann man Dinge verändern. Für mich war es ein großes Geschenk, mit ihr zu arbeiten. Tendenziell spielt sie immer ein wenig zu viel, was für mich als Regisseur toll ist, weil es ein leichtes ist, zu korrigieren. Andersherum ist es schon schwieriger. Im Grunde bin ich überrascht, dass Anke verhältnismäßig wenig besetzt wird.

Ricore: Was sind Ihre Stilmerkmale als Regisseur?

Büchel: Ich kann feststellen, dass in den wenigen Filmen die ich gemacht habe, ich nicht gerade den Alltag belichte, sondern eigene Welten kreiere. Wahrscheinlich kommt es daher, dass ich noch nicht wirklich zuhause bin in der Jetztzeit. Es machte beispielsweise sehr viel Spaß den Palast in "Lippels Traum" zu bauen.

Ricore: Sind Sie ein autoritärer Regisseur?

Büchel: In der Tendenz bin ich sehr klar, wenn mir jedoch von den Schauspielern etwas Besseres angeboten wird, nehme ich das jedoch gerne an. Regie zu führen hat nichts damit zu tun an den Drehort zu kommen und zu sagen: mal gucken was wir heute machen!? Dafür sind die Projekte einfach zu groß, man hat ja auch eine Verantwortung für die ganzen Mitwirkenden. Je besser man sich vorbereitet, desto mehr hat man von der Arbeit. Trotzdem sollte man sich Zufällen nicht verschließen, und versuchen sie eventuell für sich zu nutzen.
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Regisseur Lars Büchel mit Hauptdarsteller Alexander Seidel
Ricore: Wie sind Sie zum Film gekommen?

Büchel: Ich habe zunächst Theater gespielt und fotografiert. Das hat mir bald nicht mehr gereicht. Mit 19 oder 20 Jahren habe ich mich bewusst dem Film zugewandt. Ich fühle mich als Regisseur immens privilegiert. Wenn ich sage, wir brauchen für eine bestimmte Szene vier Kamele, dann stehen da am nächsten Tag vier Kamele. Zudem ist der Job Risikobehaftet, denn wenn sich kein Erfolg einstellt, kann es auch mal eng werden. Trotzdem muss man jeden Film mit einer gewissen Radikalität machen, allen Widerständen und Meinungen zum Trotz.

Ricore: Haben Sie noch Kontakt zu Til Schweiger mit dem sie für "Jetzt oder nie" zusammengearbeitet haben?

Büchel: Ja. Til und ich haben uns so viel gestritten, dass wir jetzt ziemlich eng miteinander sind. Ich bin ihm für vieles, was er gemacht hat, sehr dankbar. Er hat damals irre viel Geld für "Jetzt oder nie" aufgewendet. Vielleicht arbeiten wir in Zukunft nochmal zusammen.

Ricore: Sie sind gebürtiger Eutiner. Welche Verbindung haben Sie noch zu Schleswig-Holstein? Büchel. Ich lebe in Kiel, direkt am Meer. Ich pendle zwischen Hamburg und Kiel, weil meine Produktionsfirma ihren Sitz in Hamburg hat. Ich könnte mir nicht vorstellen irgendwo anders zu leben. Es ist normal, dass man dort besonders verwurzelt ist wo man herkommt. Ich finde Berge zwar toll, aber sie begrenzen den Blick. Das Meer verändert sich jeden Tag, es ist der perfekte Platz für mich. Für die Dreharbeiten war ich längere Zeit in München, was mir als Besucher gut gefiel, jedoch möchte ich dort nicht leben.

Ricore: Herr Büchel, wir bedanken uns für das Gespräch.
erschienen am 12. Oktober 2009
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Lippels Traum (Kinofilm)
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2024