Universum Film
Bettina Mittendorfer in "Eine ganz heiße Nummer"
Einsatz für Glück und Gerechtigkeit
Interview: Rebellische Bettina Mittendorfer
Bis Bettina Mittendorfer als Sex-Telefonistin in "Eine ganz heiße Nummer" ihre erste Spielfilm-Hauptrolle bekommt, ist es für die Bayerin ein weiter Weg. Ihre Eltern sind gegen die Schauspielerei, den Lehrern gilt sie als Rebellin. Insbesondere habe sie unter ihrer Religionslehrerin gelitten, wie sie im Interview mit Filmreporter.de berichtet. Dies habe schließlich sogar zum Kirchenaustritt geführt. Weshalb Sie dennoch gläubig ist und ihre Kinder zur Kirche schickt, erklärt sie ebenso gut gelaunt, wie die Bedeutung der Emanzipation.
erschienen am 26. 10. 2011
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Eine ganz heiße Nummer
Ricore: Haben Sie vor "Eine ganz heiße Nummer" Erfahrungen mit Telefonsex gesammelt?

Bettina Mittendorfer: Nein, in keiner Weise. Aber ich habe mich natürlich vor Drehbeginn informiert. Das hat sehr viel Spaß gemacht.

Ricore: Was haben Sie gemacht, um sich vorzubereiten?

Mittendorfer: Ich habe ein wenig im Internet gesucht. Dort findet man ja schnell, was solche Damen sagen. Dann habe ich versucht, das ein wenig nachzumachen. Das hat auch ziemlich gut geklappt, weshalb es schnell nicht mehr witzig war und professionell wirkte. So sollte es in "Eine ganze heiße Nummer" ja nicht sein.

Ricore: Könnte den Telefon-Job jeder machen?

Mittendorfer: Nein. Das ist wirklich eine sehr schwierige Sache. Zumal das Ganze sehr natürlich und nicht professionell wirken soll. Das Schwierige für den Schauspieler ist, wieder etwas wegzunehmen, damit das Gestöhne real wirkt.

Ricore: Inwieweit hat Ihre Erfahrung als Sprecherin von Hörspielen beim Telefonsex geholfen?

Mittendorfer: Natürlich hat es geholfen. Vor allem, wenn man eine Schauspielausbildung hat. Man hört ganz anders und achtet viel mehr auf die eigene Stimme.
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Bettina Mittendorfer in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Waren Sie vor Drehbeginn schon mal in einem Sex-Shop?

Mittendorfer: Na klar. Selbstverständlich! Warum sollte man da auch nicht hineingehen, wenn man ein normaler und emanzipierter Mensch ist?

Ricore: Im Gegensatz zu Ihren Kolleginnen, tragen Sie das mit einer ziemlich großen Energie vor.

Mittendorfer: Stimmt. Wir haben bereits bei den Dreharbeiten festgestellt, dass wir drei [Mittendorfer, Gisela Schneeberger und Rosalie Thomass] sehr unterschiedliche Zugänge zu diesem Thema haben. Ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn sich eine Frau einen Dildo oder einen Vibrator kauft. Heutzutage ist so etwas doch auch kein Thema mehr.

Ricore: Wie kam es dazu, dass Sie von einer Floristin zur Schauspielerin wurden?

Mittendorfer: Nach der Arbeit als Floristin war mir klar, dass ich wieder zur Schule gehen möchte. Ein Leben lang im Blumenladen zu stehen, hätte mich nicht ewig mit Freude erfüllt - auch wenn es noch so schön ist, was man da macht. Danach bin ich zur Fachoberschule gegangen und wollte Landwirtschaft oder Gartenbau studieren. Das war mir jedoch alles viel zu schwierig, weil ich dafür Mathe, Chemie und Physik hätte können müssen. Im sozialen Bereich der Schule, habe ich schließlich einige Praktika in Krankenhäusern und Altenheimen gemacht. Das war aber irgendwie auch nicht mein Ding. Schließlich habe ich überlegt, was ich wirklich machen wollte, da mir alles bisherige zu trostlos war. Mir kam in den Sinn: Alles was Spaß macht. Das waren Dinge wie Tanzen und Singen. Da kam mir plötzlich die Idee, Schauspielerin zu werden. Nachdem ich mich bei zwei Schauspielschulen beworben hatte, klappte es auch gleich.
Nena Jaegersberger
Bettina Mittendorfer
Ricore: Wann haben Sie das erste Mal auf der Bühne gestanden?

Mittendorfer: Also das absolut erste Mal im Kindergarten. Da habe ich eine feine Dame gespielt. In meiner Kindheit und Jugend, war ich immer in allen möglichen Gruppen wie dem Kinderchor engagiert und durfte auf Veranstaltungen auch Gedichte aufsagen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Vor allem, wenn man in Altenheimen gemerkt hat, wie sehr sich die Menschen freuen, wenn da jemand mit großer Lust auf sie zukommt. Sie finden es super, dass man ihnen etwas vorträgt und Aufmerksamkeit schenkt. Die Leute haben oft vor Rührung geweint. Dadurch entwickelte ich das große Bedürfnis, traurigen Menschen Freude zu bringen. Ich konnte die Schauspielerei und die anderen Dinge jedoch lange nicht weiterverfolgen, da meine Eltern gegen meine Vorhaben waren. Für sie war das, was ich gemacht habe Schmarrn.

Ricore: Was sagen Ihre Eltern heute?

Mittendorfer: Jetzt sind sie stolz. Aber ehrlich gesagt erst so richtig, nachdem sie mich in "Sommer in Orange" gesehen haben. Nun kann ich sagen, dass sie mich und meine Schauspielerei akzeptieren. Als ich damals an der Otto-Falckenberg-Schule angenommen wurde, haben sie mich noch ausgeschimpft. Mein Vater fragte, was ich denn da wolle.

Ricore: Weshalb waren Ihre Eltern dagegen?

Mittendorfer: Ein Grund war, dass die Schauspielerei ein unsicheres Geschäft ist. Außerdem haben Schauspieler bei der ländlichen Bevölkerung bekanntermaßen keinen tollen Ruf. Bei meinen Eltern kamen die Schauspieler gleich nach den Schaustellern [lacht].

Ricore: In welchem Beruf hätten Ihre Eltern Sie gerne gesehen?

Mittendorfer: Sie hätten sich gewünscht, dass ich im Blumenladen und im Ort bleibe. Aber jetzt sind sie wirklich froh für mich.
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Bettina Mittendorfer in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Was halten Ihre Kinder von ihrer schauspielenden Mama?

Mittendorfer: Der Kleine findet das toll. Er hat "Sommer in Orange" und "Eine ganz heiße Nummer" schon gesehen. Mein 14-jähriger lehnt momentan jedoch alles ab. Ihm brauch ich die Filme derzeit nicht zu zeigen. Er findet das sowieso blöd.

Ricore: Was sieht er dann gerne?

Mittendorfer: Er guckt gerne "Die Simpsons". Aber er ist sehr sensibel. Er mag keine Gewalt und Sex. Er ist ein ganz braver und lieber Junge. Wenn er dann mitbekommt, dass die Mama in einem Telefonsexfilm mitspielt, ist das natürlich nicht so einfach. Aber eigentlich habe ich ihnen nur gesagt, dass es um Telefonflirt geht und nicht um Sex.

Ricore: Kommt das Brave von der mütterlichen oder väterlichen Seite?

Mittendorfer: Dieses Empfindliche hat er von mir. Ich bin auch sehr sensibel und hasse Gewalt im Film. In der Realität natürlich auch [lacht]. Psycho-Sachen sind auch nicht mein Ding.

Ricore: Wie würden Sie reagieren, wenn Sie im echten Leben einen obszönen Anruf erhielten?

Mittendorfer: Ich würde wahrscheinlich auflegen, danach mit einem Puls von 180 wie paralysiert durch die Wohnung laufen und hyperventilieren [tut so, als würde sie hyperventilierend durch die Gegend laufen].
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Rosalie Thomass und Sigi Zimmerschied in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Als Bayerin wurden Sie vermutlich katholisch erzogen, oder?

Mittendorfer: Ja, ich bin so erzogen worden. Allerdings bin ich jetzt nicht mehr in der Kirche.

Ricore: Weshalb?

Mittendorfer: Einfach so. Nicht aus finanziellen Gründen. Für die Kinder ist es schön, wenn sie in einer Kirchengruppe sind und irgendwo dazugehören. Bei Ereignissen wie der Kommunionsvorbereitung, macht man schöne Dinge, wie sich an Gott und vor allem an die Liebe erinnern. So etwas finde ich toll. Genau wie Taufen. Aber im Grunde finde ich das ganze Kirchenzeugs viel zu aufgesetzt. Das hat bei mir nicht mehr viel mit Gott zu tun. Ich bete sehr oft, aber ich mache das auf meine Art und Weise - ohne die Kirche. Bis vor einem Jahr, haben meine beiden Söhne und ich vor dem zu Bett gehen immer zu dritt gebetet. Das wollten die Kinder. Es war wie ein Beschützungsritual. Meine Kinder sind noch in der Kirche, aber ich wollte irgendwann nicht mehr.

Ricore: Gab es einen konkreten Anlass zum Kirchenaustritt?

Mittendorfer: Ja, tatsächlich. Ich habe eine ganz strenge und bigotte Religionslehrerin gehabt. Die hat in der dritten Klasse jedem Kind ein Bild von der Mutter Gottes geschenkt. Nur ich habe keines bekommen. Sie sagte zu mir, dass ich es nicht verdient habe. Und das, obwohl ich streng katholisch erzogen wurde und jeden Sonntag in die Kirche gegangen bin. Außerdem meinte sie, dass ich ganz viel beten solle, da ich sonst eh schon verloren sei. In Wirklichkeit war ich ein ganz normales Kind und habe nie etwas Schlimmes gemacht. Im Gegenteil. Ich habe zum Beispiel nie Freundinnen gegeneinander ausgespielt. Außerdem hat meine Religionslehrerin nicht gemocht, dass meine Eltern nicht mit dem Strom geschwommen sind. Das mit dem Marienbild hat mich jahrelang verfolgt, auch weil die Frau immer von den armen Seelen gesprochen hat. Religion war für mich so mit Angst erfüllt, dass es eine große Befreiung darstellte, aus der Kirche auszutreten. Endlich ging der Hokuspokus mich nichts mehr an.

Ricore: Aber an Gott glauben Sie noch?

Mittendorfer: Ich bin schon ein gläubiger Mensch. Aber ich kann nicht genau analysieren, was das genau ist. Ich glaube einfach an gute Energie und Liebe.
Nena Jaegersberger
Bettina Mittendorfer
Ricore: Was hat Sie bei "Eine ganz heiße Nummer" insbesondere an Ihr Leben auf dem Land erinnert?

Mittendorfer: Es gibt diese Szene, in der die Bewohner des Dorfes Maria aus dem Haus holen. So etwas kenne ich von früher, weil ich mich sehr oft behaupten musste. Ich glaube, dass ich als kleines Kind mit meinen Erzieherinnen sehr oft geschimpft habe [lacht],

Ricore: Waren Sie aufgrund Ihrer Probleme in der Schule eine Außenseiterin?

Mittendorfer: Ich war zwar keine Außenseiterin, gehörte aber zur Randgruppe [lacht].

Ricore: Waren Sie eher ruhig oder energisch?

Mittendorfer: Bis zur neunten oder zehnten Klasse in der Realschule, war ich noch in mich gekehrt und zurückhaltend. In der Fachoberschule war ich aber schon eine richtige Rebellin. Ich habe mir von keinem Lehrer etwas sagen lassen. Ich habe immer für Gerechtigkeit gesorgt, beziehungsweise für das, was ich als gerecht angesehen habe. Ich habe nie meine Meinung zurückgehalten. Wenn die Lehrer mal jemanden gedemütigt haben oder ähnliches, habe ich sie immer sofort zurechtgewiesen. Deswegen war ich natürlich nicht sehr beliebt.

Ricore: Sie haben mit Rosalie Thomass auch in "Beste Gegend" gespielt. Werden Sie auch im letzten Teil der "Beste"-Trilogie zusammen zu sehen sein?

Mittendorfer: Das wäre natürlich ein Traum, aber ich kann es mir nicht vorstellen. Ich hatte nur einen Drehtag. Ich spielte die Wirtin einer Wirtschaft, in die alle gingen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 26. Oktober 2011
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