Heiko Thiele/Ricore Text
Djo Munga
Besseres Image für den Kongo
Interview: Djo Munga engagiert
Djo Munga feiert zwei Premieren. So ist sein Werk "Viva Riva!" 2011 die erste kongolesische Produktion, die von MTV als bester afrikanischer Film des Jahres ausgezeichnet wird. Zum anderen ist die Gangstergeschichte Mungas erster Spielfilm. Weshalb es für den Regisseur wichtig war, ausschließlich Kongolesen für "Viva Riva!" zu engagieren, erläutert er im Interview mit Filmreporter.de. Darin spricht er auch über seine Erfahrungen mit Rassismus, die aktuelle Situation im Kongo sowie sein Vorbild Akira Kurosawa.
erschienen am 13. 03. 2012
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Viva Riva - Zu viel ist nie genug
Ricore: Sie haben das Drehbuch zu "Viva Riva!" bereits vor sieben Jahren geschrieben. Weshalb wurde es erst jetzt realisiert?

Djo Munga: Mein Heimatland Kongo ist nicht unbedingt beliebt, unser Image ist sehr schlecht. Außerdem herrschte damals durch die Wahlen ein großes Durcheinander. Zudem sagen dir Leute, wenn du in den Kongo fährst und erzählst, dass du dort einen Film drehen möchtest: "Warum machst du das nicht in Südafrika, Burkina Faso oder Mali?" So dauerte es einige Zeit, bis es besser wurde und der Film gedreht werden konnte. Währenddessen habe ich andere Dinge gemacht, um die Zeit zu überbrücken.

Ricore: Wie wichtig war es, Kinshasa realistisch darzustellen?

Munga: Das war essentiell.

Ricore: Sie sagten mal, dass Kinshasa eine der sichersten Städte der Welt sei. "Viva Riva!" vermittelt jedoch einen ganz anderen Eindruck.

Munga: Wenn ich zusammenfasse, wie sich Kinshasa in den letzten 15 Jahren entwickelt hat, kann ich Ihnen sagen, dass Kinshasa heute eine der sichersten Städte der Welt ist. 1997 als Mobutu gestürzt wurde, war dies jedoch noch nicht der Fall. Außerdem muss ich betonen, dass ich nicht die Kriminalität im Allgemeinen meine, wenn ich über Sicherheit spreche, sondern die Gefahr um sein Leben fürchten zu müssen. Ich würde sagen, dass die Situation, die 1997 in Kinshasa herrschte, "Viva Riva!" stärker entspricht als die Situation heute.
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Marlene Longange und Djo Munga am Set von "Viva Riva!"
Ricore: Wie schätzen Sie die aktuelle politische Lage im Kongo ein?

Munga: Die Situation hat sich definitiv verbessert, speziell für Künstler wie mich. Wenn ich zurück ins Jahr 1997 reisen müsste, wäre das eine sehr schlechte Sache. Die Situation damals, als Mobutu gestürzt wurde, war wirklich dramatisch. Insofern kann man sagen, dass sich heute die Dinge weiterentwickelt haben, auch wenn noch nicht alles perfekt ist. Kongo unterscheidet sich aber nicht ernsthaft von anderen Nationen. Überall ist das Leben hart, nicht nur im Kongo.

Ricore: Inwieweit könnte der Aufbau einer kongolesischen Filmindustrie das Image des Landes verbessern?

Munga: Wenn wir eine richtige Industrie hätten, würde man Kongo von einer ganz anderen Seite kennenlernen. Aber bisher fehlen uns die regelmäßigen kongolesischen Produktionen und finanziellen Mittel. Aber eines Tages wird es soweit sein.

Ricore: Der MTV Movie Award für "Viva Riva!" ist auf jeden Fall schon mal sehr hilfreich.

Munga: Absolut, er hat einen guten Effekt. Jeder Preis den ich bisher für den Film erhalten habe, war ein Türöffner zu etwas Größerem.

Ricore: Wie entstand Ihr Interesse für das Medium Film?

Munga: Es ergab sich zufällig, dass ich in Belgien an eine Filmschule ging. Das Interesse für das Medium hatte ich aber schon sehr lange. Bereits als Kind habe ich sehr viele Filme gesehen. Im Nachhinein habe ich realisiert, dass alle Filme die ich gesehen habe, dass alle Bücher die ich je gelesen habe, in dieselbe Richtung zur Filmschule gezeigt haben beziehungsweise führten. Dort sind schließlich alle meine Interessen aufeinander getroffen, haben sich vermischt und mir eine Identität gegeben.
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Patsha Bay in "Viva Riva!"
Ricore: Warum bezeichnen Sie Akira Kurosawa und dessen "Ein herrenloser Hund" als künstlerisches Vorbild für "Viva Riva!"?

Munga: Als ich überlegte wie ich die Geschichte über Kinshasa erzählen möchte, dachte ich, dass es sehr schwierig ist, ein Modell und Konzept zu entwickeln, wonach ich schließlich die Stadt beschreiben und schildern könnte. Ich fragte mich: "In welcher Tonlage sprichst du über deine Stadt?" Ich konnte nicht einfach jemanden nehmen, der morgens aufwacht und sagt wie toll die Stadt ist. Es ist wesentlich komplizierter. Dann erinnerte ich mich an Kurosawas "Ein herrenloser Hund" und sah mir den Film nochmals an. Was mir an Kurosawas Werk so gut gefiel, war, dass er neben einem Porträt einer Stadt, zugleich einen sehr schlichten Thriller erzählte. Während der Ermittler den Täter jagt, lernt man Tokio kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs kennen. Mit ihm entdecken wir die Stadt, so dass sich der Film zeitweise wie eine Dokumentation anfühlt. Man denkt, dass das, was man sieht, wirklich passiert. Als ich "Ein herrenloser Hund" also erneut sah, dachte ich sofort, dass das ein perfektes Konzept für eine Erzählung über Kinshasa sein könnte. Denn bei meinem Film wollte ich unbedingt den Eindruck vermeiden, dass Szenen von Kinshasa in einem Studio gedreht worden sein könnten. Es sollte möglichst real wirken sowie eine Chemie zwischen fiktionalen und dokumentarischen Szenen entstehen.

Ricore: Dabei hat Ihnen Ihre Erfahrung als Dokumentarfilmer sicher geholfen.

Munga: Selbstverständlich. Insbesondere hatte ich durch meine Zeit als Dokumentarfilmer einen besseren Blick für Details und wusste welche echten Häuser und Straßenzüge ich für meinen Film zu verwenden hatte. Man hat einfach ein Gefühl dafür entwickelt.

Ricore: Welche Rolle haben Ihre Erfahrungen als Zeichner und Maler bei der Konzeption von "Viva Riva!" gespielt?

Munga: Mein gesamter visueller Background sowie meine Ausbildung hat mir natürlich sehr geholfen und spielt noch immer eine große Rolle. Immer wenn ich einen Film schreibe, habe ich die visuellen Aspekte im Hinterkopf. Das ermöglicht mir, effizienter zu arbeiten.
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Patsha Bay in "Viva Riva!"
Ricore: In "Viva Riva!" spielen viele Laien. Wie sind Sie mit ihnen umgegangen, damit diese sich wohlfühlten?

Munga: Ich habe viele Trainingsprogramme organisiert, in denen die Menschen üben konnten. Viele haben Talent zu schauspielern, jedoch kaum Möglichkeiten, diese Fähigkeit zum Ausdruck zu bringen. Deswegen haben sie natürlich auch kaum Erfahrungen im Filmemachen. Aber sie haben woanders Erfahrungen gesammelt. Deswegen war es für mich wichtig eine Plattform zu kreieren, wo sie ihr Talent weiterentwickeln konnten. Mein erstes Trainingsprogramm und Workshop für die Schauspieler hat zwei Monate gedauert. Danach kehrten sie für einige Monate in ihr normales Leben zurück. Als die Dreharbeiten schließlich beginnen sollten, wurden sie von mir nochmals für zwei Monate ins Trainingslager nach Kinkuch geschickt.

Ricore: Wie erkennen Sie, ob ein Schauspieler talentiert ist?

Munga: Man sieht es einfach.

Ricore: Sie haben also keine spezielle Methode?

Munga: Es ist ganz einfach: Ein guter Schauspieler, ist ein guter Schauspieler. Nicolas Ray sagte dazu mal etwas sehr Interessantes: "Man kann keinen schlechten Schauspieler zu einem guten Schauspieler machen. Es ist nicht möglich." Wenn er nicht gut ist, dann ist er nicht gut. Bei einem guten Schauspieler muss man lediglich dafür sorgen, dass er seine Fähigkeiten veredelt.

Ricore: Ihr größter Coup für "Viva Riva!" war Patsha Bay als Hauptdarsteller zu verpflichten. Wie sind Sie auf ihn aufmerksam geworden?

Munga: Patsha war der letzte, der zum Projekt "Viva Riva!" hinzugestoßen ist. Seine Figur wurde als letzte mit einem Schauspieler besetzt, weil wir trotz vieler Castings keinen passenden Darsteller für die Hauptrolle fanden. Riva sollte zur gleichen Zeit mutig, cool und verletzlich wirken und ein ganz besonderes Charisma verströmen. Alle vier Punkte in einem Schauspieler vereint zu finden war wirklich sehr schwer. Als wir schließlich den letzten Castingaufruf starteten, trafen wir Patsha. Bei ihm dachten wir gleich: "Hey, der ist cool!"
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"Viva Riva!"
Ricore: Welche Erfahrungen haben Sie mit Rassismus in Ihrer Zeit in Belgien gemacht?

Munga: Belgien und Gesamteuropa sowie die 1980er und 1990er Jahre waren ganz anders als heute. Zwar waren die Leute damals durchaus nett, aber in der Verwaltung hat man schon mit Fremdenfeindlichkeit zu tun gehabt. Das System war rassistisch. Und wenn das System gegen dich arbeitet, ist es schwer damit zurecht zu kommen. Die gute Seite war hingegen, dass du als Künstler mehr Möglichkeiten hattest und ich meine Fähigkeiten besser ausbauen konnte.

Ricore: Weshalb ist Ihr nächstes Projekt eine chinesisch-kongolesische Koproduktion?

Munga: In meinem neuen Projekt möchte ich mich im Gegensatz zu "Viva Riva!" verstärkt dem heutigen Kongo widmen. Es ist ein Sprung in die Realität. Warum sollte ich mich nicht auch mit China befassen? Denn Chinesen sind es, die in den letzten 20 Jahren am häufigsten nach Afrika eingewandert sind. Sie verändern Afrika, aber Afrika verändert auch die Chinesen. Insofern interessiert mich insbesondere die Dynamik zwischen diesen zwei Kontinenten.

Ricore: Weshalb sind Sie von Belgien wieder in den Kongo zurückgekehrt?

Munga: Die Menschen meiner Generation sind nach Europa gegangen, um zu studieren. Als wir dann fertig waren, war es sehr naheliegend zurückzukehren. Für mich ergab das Sinn.

Ricore: Ich hätte gedacht, dass viele Kongolesen nach Ende des Studiums im Ausland bleiben würden.

Munga: Natürlich hängt es von jedem individuell ab, ob man wieder in den Kongo zurückkehrt. Das Wichtigste ist, dass jeder, der wieder im Kongo ist, am Ende des Tages noch immer mit seiner Rückkehr zufrieden ist. Man kann so positiv sein wie man möchte, aber man muss definitiv damit klar kommen, dass hier nicht alles so einfach funktioniert wie in Europa.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 13. März 2012
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Djo Tunda wa Munga wird am 25. Oktober 1972 in der Demokratischen Republik Kongo geboren. Schon früh begeistert er sich fürs Medium Film, insbesondere die Werke von Akira Kurosawa gefallen ihm. Doch für sein Studium zieht es Djo Munga nicht nach Japan, sondern nach Belgien. Am Viva Riva!" seinen ersten Spielfilm in seiner kongolesischen Heimat. Dorthin ist er zurückgekehrt, um den Aufbau der kongolesischen Filmindustrie voranzutreiben.
Als Riva (Patsha Bay) Kinshasa verlässt, ist er wie viele Mitbürger ein armer Mann. Erst zehn Jahre später kehrt er als reicher Draufgänger in seine Heimatstadt zurück. Doch nicht jedem gefällt es, wie Riva seinen Wohlstand zur Schau stellt. Der Gangster-Film "Viva Riva!" kann vor allem mit gelungener Action und einer spannenden Atmosphäre punkten. Diese wird durch schnelle Schnitte, abwechslungsreiche Musik und gute Darsteller wie Patsha Bay erzeugt.
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