MFA+ FilmDistribution e.K./Marek Sabogal
Dome Karukoski ("Tom of Finland", 2017)
Kaurismäkis Schatten
Interview: Dome Karukoski über Tom of Finland
Dome Karukoski geht mit seinem Biopic "Tom of Finland" für seine finnische Heimat ins Oscar-Rennen. Der 1976 als Sohn einer finnischen Journalistin und eines amerikanischen Schauspielers auf Zypern geborene Regisseur erhält für seine sechs Filme 33 Nominierungen für finnische Filmpreise, sie sind dort Kassenschlager. "Tom of Finland" zieht mehr als 100.000 Zuschauer in seinen Bann. Karukoski erzählt die Biografie Touko Valio Laaksonens, einem gefeierten Cartoonisten und Vorkämpfer der Bewegung für die Gleichberechtigung von Homosexuellen, der erst in den USA und später in Deutschland seine sexuelle Neigung auslebte.
erschienen am 10. 10. 2017
MFA+ FilmDistribution e.K./Josef Persson
Niklas Hogner ist "Tom of Finland" (2017)
Kassenschlager Tom of Finland
Ricore Text: Fiel es Ihnen schwer, aus dem Schatten der Kaurismäkis herauszutreten?

Dome Karukoski: Die Kaurismäkis bestimmten das Bild des finnischen Films vor zehn Jahren. Aki hat sein eigenes Universum auf die Leinwand gebracht, das kaum der Realität entspricht und doch das Bild Finnlands im Ausland prägte. Einige ältere Finnen mögen noch so schweigsam sein, meine Generation ist kontaktfreudiger. Das spiegelt sich auf der Leinwand wieder, wo heute auch verschiedene Stimmen erklingen. Trotzdem kommen wir 'Jungen' von den Übervätern nicht los. Wir spekulieren gerne, wie wäre der Film geworden, wenn einer der Kaurismäkis ihn inszeniert hätte.

Ricore Text: Warum wollten Sie an Touko Laaksonen erinnern?

Karukoski: Im Juni wurden Dutzende Homosexuelle in der Türkei verhaftet. In Russland landen sie im Gefängnis. Wir werden den Film dort niemals zeigen dürfen, aber hoffentlich nehmend die Finnen und die Deutschen die Ideen auf ihren Reisen in diese Länder mit. Aber seien wir nicht hochnäsig. Viele Jungen, besonders aus kleinen Städten, haben Angst vor dem Coming Out. Für sie soll der Film eine Ermutigung sein.

Ricore Text: Wie sind Sie auf diese Geschichte gestoßen?

Karukoski: 1991 kam ein Dokumentarfilm über Touko Laaksonens Leben und künstlerisches Schaffen heraus, der mir nicht aus dem Kopf ging. Ich wunderte mich, dass niemand seine Biografie verfilmte. Seine Geschichte ist ja eine Steilvorlage für einen Film. Sie ist universell, sie fesselt auch Menschen, die sich nie für das Schicksal Homosexueller interessierten. Laaksonen wollte nur seinen Neigungen folgen, er schämte sich nie seiner Sexualität, die ihn zum Außenseiter machte. Seine Comics spiegeln sein Streben nach Freiheit und Glück wieder.
MFA+ FilmDistribution e.K./Jaana Rannikko
Dome Karukoski am Set von "Tom of Finland" (2017)
Dome Karukoski: erst nach seinem Tod anerkannt
Ricore Text: Sind die Comics in Finnland populär?

Karukoski: Seine Kunst wurde erst nach seinem Tod Ende der 1990er anerkannt. Bis 1971wurde Homosexualität in Finnland als Krankheit eingestuft, seine Zeichnungen waren illegal und wurden unter der Hand weiter gegeben. Mit der Legalisierung der Homosexualität änderte sich aber nicht schlagartig die Einstellung der Menschen, auch die Antischwulenpropaganda machte munter weiter. Keiner wagte, seine Zeichnungen offiziell auszustellen. Daher kannte bis in die 1990er Jahre nur ein kleiner Kreis seine Zeichnungen. Im Ausland war er dagegen anerkannt. Seine erste Ausstellung hatte er 1959 in Hamburg. Auch in den USA, in Dänemark, Schweden und Deutschland war er populär.

Ricore Text: Warum folgen Sie seinem Weg über viele Jahre und haben sich nicht für einen Lebensabschnitt entschieden?

Karukoski: Wir haben fünf Jahr nach der passenden Form gesucht, 39 Versionen des Drehbuches habe ich geschrieben. Laaksonen konnte seine Utopien und Wünsche erst in den USA ausleben, in der Comunity fand er endlich Partner, mit denen er normal leben konnte. Daher begannen einige Bücher in den USA und gingen in Rückblenden zurück in seine Kindheit. Andere hatten seine Zeichnungen als Klammer der Geschichte. Doch keine der Konzeptionen überzeugte mich. In seinem Leben gibt es keine Schlüsselepisode, die alles erklärt. Daher sind wir zum klassischen Biopic zurückgekehrt.

Ricore Text: Um auch die Zeit mit zu erzählen?

Karukoski: Wir können den gesellschaftlichen Kontext natürlich nur andeuten. Ansonsten sind all die verrückten Dinge, die der Film zeigt, wirklich passiert. Wir haben uns genau an seine Biografie gehalten, auch wenn vieles im Dunkeln liegt.

Ricore Text: Hat die Zensur, auch die innere Zensur, seine Kunst beflügelt?

Karukoski: Das lässt sich nicht leugnen. Kunst entsteht nie durch Kompromisse, durch eine Vision und den Willen, sie durchzusetzen. Touko Laaksonen musste vorsichtig und zugleich mutig sein, um seine Comics zu gestalten. Und er musste sich stets Veränderungen stellen. Als die Pornoindustrie in den 1960ern den Markt mit Fotos homosexueller Handlungen flutete, mussten seine Zeichnungen subtiler werden.

Ricore Text: Wie weit wollten Sie bei den Sexszenen gehen?

Karukoski: Sex im Film ist nie so gut wie im Film, daher sind etliche Szenen im Papierkorb gelandet. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie die Geschichte weiter bringen. Das waren eher seine Zeichnungen, die die Atmosphäre sehr gut wiedergaben. Aki Kaurismäki

Ricore Text: Danke für das Gespräch.
erschienen am 10. Oktober 2017
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