Bellaria - So lange wir leben
Kino von gestern - heute!
Feature: Morbid, verstaubt, charmant: Bellaria
Einige Meter hinter dem Volkstheater: Langsam und quietschend öffnet sich der schwere Brokatvorhang. Die Besucher - überwiegend Stammgäste - warten bereits ungeduldig auf den Hauptfilm.
erschienen am 31. 10. 2002
Szene aus: Bellaria - So lange wir leben
Manche kennen die Filme fast auswendig, aber das tut ihrer Freude keinen Abbruch. Außerdem kennen sich hier alle - manche seit Jahren: Vorführer, Kartenverkäufer, die in die Jahre geratenen Kinobesucher. Gezeigt werden nicht "Matrix" oder "Der Herr der Ringe", nein, das Zelluloid im Bellaria hat längst Patina angelegt. Die Filme sind allesamt vor dem zweiten Weltkrieg überwiegend in den legendären UFA-Studios entstanden. Farbe sieht man hier selten, Dolby Digital ist gänzlich unbekannt. Um derartige Filme überhaupt zeigen zu können, haben die Gründer sogar einen eigenen Filmverleih gegründet.
Szene aus: Bellaria - So lange wir leben
Das Bellaria ist im deutschen Sprachraum einmalig, seine Fans kommen aus München, Zürich, Hamburg und natürlich aus Wien. Sie wollen Johannes Heesters, Brigitte Horney und Marika Rökk sehen. Nicht nur die Filme sind für ein Kino im Jahr 2002 außergewöhnlich, auch die Besucher haben ihre eigene, oft kurios anmutende Geschichte. So wie die ehemalige Sängerin - sie war mit Zarah Leander befreundet. Karl Schönbeck kommt ins Bellaria, um seinen besonders langlebigen Fans 50 Jahre nach Entstehung eines seiner Filme Autogramme zu geben und den Film erstmals wieder zu sehen. Für den wackligen Greis werden Blumen gestreut, rosa Rosen in ganzen Sträußen.
Szene aus: Bellaria - So lange wir leben
Eine Reportage in der Süddeutschen Zeitung animierte Filmemacher Douglas Wolfsperger zu der anrührenden Dokumentation. Mit beschwingten Melodien und interessanten Protagonisten, viel Wiener Schmäh und dem in die Jahre gekommenen Kino als Hauptdarsteller vermeidet Wolfsperger jede Langeweile. Bellaria ist eine wohltuend gelassene Dokumentation. Sie gibt dem Zuschauer Zeit die Protagonisten zu mustern, sich Thema und Ort zu nähern, mitzudenken, sich ein eigenes Urteil zu erlauben, auch dann, wenn in den eingestreuten Interviews politisch bedenkliche Gedanken artikuliert werden. Vor allem hat Wolfsperger dem Reflex widerstanden, eine Filmsprache zu entwickeln, die im Bellaria zu Hause ist, sein Bild vom Bellaria zeigt er den Zuschauern in einer sehenswerten Dokumentation.
erschienen am 31. Oktober 2002
Zum Thema
Douglas Wolfsperger ist seit Anfang der 1980er Jahre im Filmgeschäft, meist schreibt er für seine Dokumentationen und Spielfilme auch die Drehbücher. Er erhielt unter anderem den Bayerischen Filmpreis, den Ernst-Lubitsch-Preis der deutschen Filmkritik, den Prix Europa sowie The Gold Plaque For Best Documentary in Chicago.
Einige Meter hinter dem Volkstheater: Langsam und quietschend öffnet sich der schwere Brokatvorhang. Die Besucher- überwiegend Stammgäste - warten bereits ungeduldig auf den Hauptfilm. Bellaria - eine Filmdokumentation über ein Kino - ein Filmtheater mit Filmen aus einer fernen Vergangenheit.
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