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Christian Ulmen in "Hochzeitspolka"
Keine Angst vor Schubladen
Interview: Beat-Machine Christian Ulmen
Man mag es fast nicht glauben, aber Christian Ulmen ist ziemlich viel peinlich. Silvester oder Hochzeitsfeiern kann er gar nicht ausstehen. Denn da kann eine Torte platzen oder der Großvater sterben. Romantik mag er auch nicht. Wenn, dann muss Romantik aus dem Moment entstehen. Der 35-jährige Radiomoderator und Schauspieler gesteht uns beim Gespräch zur "Hochzeitspolka" noch weitere Eigenheiten seiner Persönlichkeit.
erschienen am 29. 09. 2010
Constantin Film
Das Tanzen beherrscht er
Ricore: Schlummert in Ihnen ein geheimer Rocker?

Christian Ulmen: In mir schlummert ein richtiger Offensiv-Rocker. Ich rocke das Haus, würde man in Berlin sagen.

Ricore: Rocken Sie auch unter der Dusche oder vor Freunden?

Ulmen: Beides - und beides zugleich. Wir laden dann schon mal Freunde ein, denn unser Badezimmer ist sehr geräumig. Da passen sicher 15 bis 20 Leute rein. Dann dusche und rocke ich gleichzeitig.

Ricore: Das ist sicher lustig.

Ulmen: Das ist vor allem cool.

Ricore: Mussten Sie extra Gitarre lernen für "Hochzeitspolka"?

Ulmen: Das Gitarrenspielen habe ich mir in meiner Jugend selbst beigebracht, unter anderem hat es ein Freund mir gelehrt. Das gehörte einfach dazu.

Ricore: Sie haben das Tote-Hosen-Lied "Bommerlunder" sicher selbst gespielt?

Ulmen: Ja klar.
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Christian Ulmen in "Maria, ihm schmeckt's nicht!"
Ricore: Sind Sie musikalisch?

Ulmen: Total. Ich habe früher in der Schülerband Schlagzeug gespielt. Natürlich nur mittelgut. Viervierteltakt. Ich bin nicht gerade überbordend musikalisch aber auch nicht unmusikalisch.

Ricore: Was singen Sie denn mit Ihren Freunden - etwa unter der Dusche?

Ulmen: Ich singe nicht. Ich mache eher Beatbox und klatsche im Takt. Ich bin ja eher eine Beat-Maschine. Man nennt mich daher auch Beat-Machine.

Ricore: Ein cooler Spitzname!

Ulmen: Ja, so nennen mich meine Freunde, Beat-Machine.

Ricore: Fürchteten Sie nicht, durch Ihr Engagement bei "Hochzeitspolka" in eine Schublade geschoben zu werden?

Ulmen: Welche denn?

Ricore: Jene der Vorurteile und Klischees. Denn darum geht es sowohl in "Hochzeitspolka", als auch in "Maria, ihm schmeckt's nicht!"

Ulmen: Welcher Film behandelt nicht Vorurteile und Klischees? Ich habe keine Angst vor Schubladen. Ich habe noch nie in einem Projekt mitgewirkt, wo ich das Gefühl hatte, das schon mal gemacht zu haben. Ich selbst sehe mich nicht in einer Schublade. Ich habe aber auch kein Problem damit, wenn mich andere in Schubladen reinlegen. Das finde ich völlig ok. Denn man kann schließlich immer wieder herausklettern. Das kann sogar Spaß machen.
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Christian Ulmen bei Übungen mit der Pistole
Ricore: Wie meinen Sie das?

Ulmen: Naja, es macht Spaß, mal etwas ganz Anderes zu machen. Jetzt drehe ich beispielsweise eine Serie, die heißt "Die Snobs". Darin spiele ich natürlich einen Snob. Die Figur und die Rolle unterscheiden sich komplett von dem, was ich bisher gemacht habe. Ich haue darin beispielsweise Menschen mit dem Golfschläger die Zähne raus. Das hat mit Vorurteilen wiederum weniger zu tun, eher mit dem Vorschlaghammer. Ich mache soviel unterschiedliche Sachen und fühle mich so wohl dabei, dass ich jetzt auch gar kein Problem darin sehe.

Ricore: Wurden am Set die diversen Vorurteile und Klischees, die es zwischen Deutschen und Polen gibt, besprochen?

Ulmen: Nein, ich habe mich vor allem auf meine Rolle und mein Spiel konzentriert. Über die Gesamtthematik habe ich mir keinen Kopf zerbrochen. Ist ja auch nicht meine Aufgabe. Im Vorfeld - wenn man das Buch liest - macht man sich vielleicht einige Gedanken. Für das Spielen ist das aber nicht relevant. Der Zuschauer soll sich hinterher schon diese Fragen stellen.

Ricore: Im Film wird viel gegessen und getrunken. Ging es bei den Dreharbeiten ähnlich rustikal zu?

Ulmen: Ja, das ist so. Mein Magen ist auf Lebzeit abgehärtet. Das Essen, das Catering war mein Gesundheitsentzug. Morgens, mittags und abends gab es fette Wurst. Das ist unglaublich. Das stimmt alles, was man im Film sieht. Aber es schmeckt toll. Irgendwann habe ich das liebgewonnen. Schon nach einer Woche habe ich mich morgens auf die Wurst gefreut.

Ricore: Haben Sie selbst Vorurteile?

Ulmen: Ja klar. Jeder Mensch hat Vorurteile. Das ist auch ganz normal. Man muss nur wissen, dass man gerade ein Vorurteil hat. Man darf es nicht sofort glauben sondern soll es auch überprüfen. Dann kann es revidiert oder bestätigt werden.
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Christian Ulmen: ein Möchtegern-Agent
Ricore: Ist Alkohol in rauen Mengen geflossen?

Ulmen: Ja. Jeder Moment, der sich halbwegs anbietet, wird begossen. Jeder mögliche Anlass wird dazu genutzt, um zu trinken. Wenn alle da sind, wird darauf angestoßen, dass alle da sind. Wenn man die Schwelle zur Kirche überschreitet, wird darauf angestoßen, dass man jetzt in der Kirche ist. Dann wird darauf angestoßen, dass alle Platz genommen haben.

Ricore: Dann war das Drehen der Hochzeitsszene sicherlich ein großer Spaß?

Ulmen: Wir haben diese Szene mit rund 200 polnischen Komparsen in Köln gedreht. All die Innenaufnahmen und die Hochzeit selbst entstanden beispielsweise dort. Man muss sagen, die Polen können wirklich feiern. An vier Tagen drehten wir die Hochzeit und sie fühlte sich sehr real an. Das klingt jetzt vielleicht seltsam, ist aber wahr. Die Komparsen waren brillant. Sie haben jeden Tag Hochzeit gefeiert. Lars Jessen hat die Szenerie ja auch ein wenig dokumentarisch gedreht. Er meinte zu ihnen, los geht's, feiert drauflos und hat die Kamera einfach draufgehalten. Das hat Spaß gemacht. Was die Dreharbeiten betraf, war das wirklich eine Traumhochzeit.

Ricore: Ihre Filmfigur Frieder ist äußerst harmoniebedürftig. Sind Sie das auch?

Ulmen: Schon, aber nicht krankhaft. Ich kann auch Konflikte aushalten. Wenn es aber gerade eine Möglichkeit gibt, dem Konflikt auszuweichen, dann nutze ich die auch.

Ricore: Gaukeln Sie manchmal Unwahrheiten vor, um Harmonie zu verbreiten?

Ulmen: Eigentlich finde ich das Konzept, immer die Wahrheit zu sagen, sehr spannend. Aber das ist oft gar nicht möglich. Wenn man aber große Lügen bewusst pflanzt, hauen die dich irgendwann um. Spinnt man eine große Lüge, muss man nämlich viele kleine Lügen drumherum bauen. Das ist sehr anstrengend und gefährlich. Denn wenn nur eine einzige kleine Lüge wankt, wankt das ganze Gerüst. Dann bekommt man Angst, denn das Lügengerüst kann jederzeit einstürzen. Ich kann das auch gar nicht, ich fange dann an, zu schwitzen.
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Christian Ulmen und Katarzyna Maciag
Ricore: Und wie schaut es mit kleineren Lügen aus?

Ulmen: Natürlich sagt man manchmal: "Mensch, heute schaust du ja toll aus!" obwohl man sich dann denkt, eigentlich schaust du aus, wie mit einem Flugzeug durch die Hecke gezogen. Sowas kann man schon mal machen.

Ricore: Sie sind in vielen Bereichen tätig. Fasst man nun all ihre Aspekte zusammen, hat man dann den realen Christian Ulmen?

Ulmen: Ich weiß nicht, wie ich wirklich bin, und ich denke auch nicht darüber nach. Das wissen am ehesten jene, die mit mir zu tun haben. Ich mache einfach meine Sachen. Ich mache jeden Tag etwas anderes und freue mich darüber. Aber ich denke nicht darüber nach, was die über mich aussagen, oder wie ich so drauf bin. Das ist mir herzlich egal. Viel spannender ist es für mich zu sehen, wie andere drauf sind. Sich selbst zu analysieren kann sehr negativ sein.

Ricore: Sehen wir in "Hochzeitspolka" ein Stück des echten Christian Ulmen?

Ulmen: Nein, überhaupt nicht. Große Hochzeiten finde ich beispielsweise doof. Bei meiner Traumhochzeit wären lediglich drei bis vier Gäste anwesend. Ich bin auch überhaupt nicht romantisch.

Ricore: Ein bisschen romantisch müssen Sie aber schon sein, immerhin waren Sie fünf Jahre lang verheiratet...

Ulmen: Das hat aber nichts mit Romantik zu tun. Klar gibt es romantische Momente, die zufällig entstehen. Manchmal denke ich mir ja auch, wow, der gestrige Abend war ja romantisch. Aber ich würde beispielsweise niemals einen romantischen Abend vorbereiten oder alles dafür tun, dass ein Abend romantisch wird. Das macht ein Romantiker. Der legt alles so aus, dass alles romantisch wird.

Ricore: Sie sind aber schon offen für romantische Momente?

Ulmen: Klar. Aber Romantik muss bei mir zufällig entstehen und darf nicht geplant sein. Wenn man romantische Momente plant, kann das sehr peinlich werden. Ich ertrage diese oft gar nicht, weil ich immer darauf warte, dass etwas ganz Schlimmes passiert.
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Christian Ulmen möchte am liebsten schreien!
Ricore: Schämen Sie sich oft fremd?

Ulmen: Absolut. Ich schäme mich auch schon dann, wenn es noch gar nichts zum Schämen gibt. Bei einer Hochzeit schäme ich mich schon im Voraus, weil ich weiß, es könnte gleich etwas ganz Peinliches passieren. Eine Riesentorte kann zusammenkrachen, die Braut kann sich übergeben, der Bräutigam kotzt in ihr Kleid oder der Großvater stirbt in der ersten Reihe aus dem Nichts. Es ist ja alles möglich. Das alles geht mir im Kopf herum, wenn ich an Hochzeit denke. Daher mag ich auch Silvester nicht. Ich hasse es, wenn um Mitternacht plötzlich alle fröhlich sein müssen. Man arbeitet so darauf hin und wenn das schief geht, dann haben alle das Ziel verfehlt. Das ist schrecklich.

Ricore: Das hört sich an, als würden Sie gar nicht gerne feiern?

Ulmen: Das ist auch so. Obwohl, das stimmt nicht ganz. Sehr gerne feiere ich beispielsweise Abschlussfeste von Filmen. Da betrinken wir uns immer, weil wir so gut zusammengearbeitet haben. Am nächsten Tag kann man dann ausschlafen. Auch Premieren feiere ich gerne. Spontanes Feiern finde ich generell sehr gut. Saufgelage können auch sehr romantisch sein, weil sie eben spontan sind. Aber Geburtstage feiere ich nicht. Meinen schon gar nicht. Silvester finde ich einfach unsympathisch.

Ricore: Den Geburtstag Ihres Kindes feiern Sie aber schon, oder?

Ulmen: Klar, aber bei Kinder ist das auch etwas anderes. Bei mir hat die Geburtstagsphobie mit 14 oder 15 angefangen. Es war mir total unangenehm, wenn in der Schule alle gesungen haben. Aber für Kinder ist es - glaube ich - etwas ganz Großes.

Ricore: Würden Sie sagen, dass die Schauspielerei ein familienunfreundlicher Beruf ist? Sie sind immerhin viel auf Reisen.

Ulmen: Nein, aber es kommt natürlich darauf an, wie man damit umgeht. Die Familie kann oft mitreisen oder bei drehfreien Tage fliegt man eben mal schnell nach Hause. Es gibt Webcams und hundert andere Möglichkeiten, eine Familie zu haben. Und man dreht ja auch nicht immer. Ich habe in den letzten Jahren im Schnitt immer zwei bis drei Filme pro Jahr gedreht. Das sind ungefähr sechs Monate. Das andere halbe Jahr war ich sozusagen zu Hause. Bin morgens ins Büro und abends zurück.
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Christian Ulmen in "Hochzeitspolka"
Ricore: Bringen Sie von Ihren Reisen Mitbringsel mit?

Ulmen: Manchmal ja. Aus Polen habe ich meinem Sohn beispielsweise eine polnische Mütze mitgebracht, weil es zu dieser Zeit sehr kalt war, in Polen und in Deutschland.

Ricore: Die Dreharbeiten zu Ihrem nächsten Film "Babydaddy" haben ja schon am 9. August [2010] begonnen. Hatten Sie überhaupt Zeit, privat zu vereisen, also Urlaub zu machen?

Ulmen: Nein. Ich war dieses Jahr im März eine Woche in Miami. Sonst habe ich keinen Urlaub gemacht. Aber ich muss sagen, dass was ich jetzt mache, wollte ich schon immer tun. Schon während der Ferien in der Schule habe ich in meiner freien Zeit im Offenen Kanal Fernsehsachen gemacht. Das ist mein Hobby. Das mache ich total gern. Ich meine, andere gehen im Urlaub ihren Hobbys nach, so gesehen habe ich das ganze Jahr über Urlaub. Natürlich ist Drehen anstrengend, aber das mache ich auch gerne. Ich sehe es nicht wirklich als Arbeit an, sondern eher als Privileg.

Ricore: Dann sind Sie kein Strandtyp?

Ulmen: Das kommt hinzu. Strandurlaub finde ich nach einer Woche uninteressant. Dann schalte ich meinen Computer an und lese meine Emails. Urlaub ist nicht wirklich meins.

Ricore: Ein richtiges Arbeitstier?

Ulmen: Das würde ich jetzt auch nicht gerade behaupten, da ich das alles ja sehr gerne machen. Mit Kind in Urlaub fahren ist wiederum sehr toll, da man immer beschäftigt ist.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 29. September 2010
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Hochzeitspolka (Kinofilm)
Christian Ulmen verkörpert in Lars Jessens Culture-Clash-Komödie einen deutschen Ex-Rock'n'Roller, den es in die polnische Provinz verschlägt. Dort soll er als Geschäftsführer einer deutschen Mutterfirma die Arbeiter darauf vorbereiten, dass ihre Firma in die Ukraine ausgelagert wird. Stattdessen verspricht er allen Gehaltserhöhungen. Ulmen portraitiert seine Rolle mit viel Naivität, Charme und Unbeholfenheit. Ähnlich agierte er bereits in der gelungenen Komödie "Maria, ihm schmeckt's nicht!".
Er ist ein talentierter Querkopf, ein begabter Komiker und ein facettenreicher Schauspieler: Christian Ulmen wird am 22. September 1975 in Neuwied geboren und wächst in Hamburg auf. Von 1988 bis Juni 1994 verfasst er Radiobeiträge für verschiedene Radiostationen. Für den Verschwende deine Jugend". Seitdem dreht er jedes Jahr mehrere Filme, überwiegend leichte Komödien. Auch im Fernsehen ist Ulmen mit Sendungen wie "Mein neuer Freund" zu sehen, in der er seine Paraderolle des unbeholfenen..
2024