Jean-François Martin/Ricore Text
Rodrigo Santoro
Jemaine Clements Song
Interview: Rodrigo Santoro kennt sich aus
Der eine ist Einheimischer, der andere ist zum ersten Mal am Zuckerhut. Rodrigo Santoro wurde ein wenig abseits von Rio de Janeiro geboren und ist mit dem Wesen der Stadtbewohner bestens vertraut. In dem Animationsabenteuer "Rio (3D)" spricht er einen menschlichen Vogelfreund. Jemaine Clement hat einem hinterhältigen Federvieh seine Stimme geliehen. Zwar haben beide jahrelang an dem Projekt gearbeitet, sind sich im Aufnahmestudio aber nie begegnet. Als die beiden Schauspieler zum Gespräch mit Filmreporter.de in Rio aufeinander treffen, sind noch Fragen offen.
erschienen am 6. 04. 2011
Jean-François Martin/Ricore Text
Rodrigo Santoro
Jemaine Clement: Ich habe eine Frage an Rodrigo Santoro: Sprichst du deine Figur, Vogelfreund Túlio auch in deiner portugiesisch Muttersprache?

Rodrigo Santoro: Ja, den habe ich auch eingesprochen. In nur einem Tag. Da hat mich einer, der wie ein strenger Soldat war, durch die Zeilen gejagt. Für die englische Version haben wir ein ganzes Jahr gebraucht. Da haben wir die Figur aber auch erst so richtig geschaffen. Den englischen Túlio spreche ich mit einem leichten brasilianischen Akzent.

Clement: Du hattest für die portugiesische Version wahrscheinlich ein Skript. Das macht alles einfacher. Ich kann mich nicht daran erinnern, je ein Drehbuch in der Hand gehabt zu haben. Wir hatten einzelne Textzeilen. Es war ein andauernder Schaffensprozess. Wir haben ständig neue und immer wieder neue Aufnahmen gemacht.

Ricore: Haben Sie aktiv an diesem Schaffensprozess teilgenommen?

Clement: Ja, ich denke schon. Ich habe einen Song zu dem Film beigesteuert und bei meiner Figur ziemlich viel improvisiert.

Ricore: Wie hat Ihnen die Arbeit im Synchronstudio gefallen?

Clement: Es war etwas komisch und auch schwierig mit einer kleinen Gruppe in diesem dunklen Raum zu arbeiten. Ich bin ein eher scheuer Typ.Trotzdem finde ich es einfacher, vor 1.000 Leuten zu stehen, als vor einer kleinen Gruppe. Bei der schlechtesten Show, die ich je abgeliefert habe, war nur eine Person anwesend. Man kann bei so etwas dann nirgendwo anders hinschauen. Im Studio habe ich mich an diese Erfahrung zurückerinnert gefühlt. Außerdem war es seltsam, weil wir Schauspieler uns nie begegnet sind. Jeder hat für sich gearbeitet. Ich habe die Figur der Anne Hathaway als böser Vogel Nigel ein halbes Jahr lang gepiesackt, habe sie in Persona aber eben erst kennen gelernt.

Ricore: "Rio 3D" ist nicht ihre erste Synchronrolle. Sie standen schon mal im Studio.

Clement: Ja, für "Ich - Einfach Unverbesserlich (3D)". Aber die Rolle war winzig, ich war einer von diesen unzähligen kleinen gelben Helferlein namens Minions. Diese Erfahrung war noch komischer, denn da habe ich nicht einmal englisch gesprochen, sondern in einer Fantasiesprache vor mich hin gebrabbelt. Da hatte ich auch kein Drehbuch (lacht). Kulimunka patu, dui dutu und so weiter. Das habe ich vier Stunden lang gemacht.
20th Century Fox
Rio 3D
Ricore: Würden Sie gerne mehr Synchronisieren?

Clement: Ja, das würde ich gerne. Aber ich schreibe auch gerne und schauspielere noch.

Ricore: Herr Santoro, wie war es, mit einem Landsmann, dem brasilianischen Regisseur Carlos Saldanha zusammen zu arbeiten?

Santoro: Er ist furchtbar (lacht). Nein, er ist wunderbar, großartig, einfühlsam und klug, wie man Schauspieler anleiten muss. Ich habe ihn als talentierten Regisseur kennen gelernt. Er hat Vorschläge gemacht und wir haben viel improvisiert. Wir durften die Figuren mit erschaffen und hatten die Freiheiten, zu tun, was uns gefällt.

Ricore: Sie sind in Brasilien geboren. Wird Rio im Film treffend dargestellt?

Santoro: Carlos hat versucht, nicht nur die Stereotypen von Rio, also den Karneval und diese Sachen zu zeigen. Diese Dinge kommen natürlich auch vor. Aber der Film hat eben auch die Essenz des Ortes und seiner Bewohner eingefangen, die Essenz unserer Kultur.

Ricore: Was ist denn die Essenz von Rio de Janeiro?

Santoro: Es gibt da so ein Klischee über den Carioca (Bezeichnung für die Bewohner Rios, Anm. d. Red.), der sein Leben in vollen Zügen genießt. Dieses Klischee kann man sowohl positiv als auch negativ auslegen. Wenn man jemandem böse wollte, würde man sagen, er wolle immer nur genießen und sei arbeitsfaul und dergleichen. Das ist aber, meiner Meinung nach, nicht wahr. Rio ist eine Stadt, die einen inspiriert. Wenn du aufwachst, ist der Himmel blau, es ist warm und du möchtest nach draußen gehen. Wahrscheinlich wirst du einen kurzen Stopp am Strand einlegen, auf deinem Weg zur Arbeit. Und dann gibt es hier eine Verbindung mit der Natur, die ungewöhnlich ist.
Alamode Film
Rodrigo Santoro
Ricore: Stammen Sie aus Rio?

Santoro: Mein Geburtsort liegt ca. 60 km von Rio de Janeiro entfernt. Also bin ich kein klassischer Carioca, habe nicht diesen typischen Akzent. Aber ich denken schon, dass die Leute in Rio de Janeiro gerne Spaß haben und das Leben genießen. Auch wenn es hier eine Menge sozialer Schwierigkeiten gibt.

Ricore: Wie haben Sie Herrn Saldanha kennen gelernt?

Santoro: Wir haben uns in einem Flugzeug getroffen. Zweimal saßen wir in der selben Maschine nebeneinander. Beim ersten Mal stellte er sich vor und beim zweiten Mal tat er das gleiche. Ich dachte mir: "Das hat doch etwas zu bedeuten". Dann erzählte er mir von seinem Projekt und ich war sofort begeistert und wollte unbedingt dabei sein.

Ricore: Herr Clement, wurden Sie auch im Flugzeug engagiert?

Clement: Nein, ich habe noch nie einen Job auf einem Flug angeboten bekommen. Ich habe aber mal einen Regisseur in einem Zug kennen gelernt. Mit dem habe ich mich lange unterhalten.

Ricore: Waren sie schon mal in Rio de Janeiro?

Clement: Ich war noch nie hier und hätte nicht gedacht, dass ich es jemals in diese Stadt schaffe. Aber ich finde es toll, endlich da zu sein. Und ich bin gespannt, was die Brasilianer zu dem Bild ihrer Stadt sagen, die in Connecticut am Computer entstanden ist. Mit der Hilfe von 300 Zeichnern und einem leidenschaftlichen, enthusiastischen Regisseur.

Ricore: Kannten Sie die früheren Filme von Regisseur Carlos Saldanha?

Clement: Ich habe die "Ice Age"-Filme nicht gesehen. Als ich Carlos Saldanha getroffen habe, fand ich ihn so nett, dass ich sein Projekt nicht ablehnen konnte. Ich hatte das Gefühl, dass er weiß, was er macht. Er hatte diese Leidenschaft und dieses Selbstvertrauen, aber eines ohne Arroganz. Das macht ihn und das Projekt interessant. Dabei mag ich Animationsfilme gar nicht so sehr.
Paramount Pictures
Jemaine Clement (Premiere "Dinner für Spinner")
Ricore: Sie spielen den bösen Vogel Nigel.

Clement: Ja. Nigel war mal so etwas wie ein Vogelstar, der in Seifenopern mitgespielt hat. Weil seine besten Zeiten vorbei sind, ist er verbittert. Jetzt will er sich dafür an anderen, gut aussehenden Vögeln rächen. Weil er mal ein Schauspieler war, habe ich ihn theatral angelegt.

Ricore: Und sie haben einen Filmsong eingesungen.

Clement: Das war lustig. Carlos hat mir beschrieben, wie er sich den Song von Bösewicht Nigel vorstellt. Da habe ich gesagt: "Das hört sich cool an". Ich dachte, ich solle Nigels Lied nur singen. Aber ich habe nicht gewusst, dass Carlos von mir das Lied geschrieben haben wollte. Dann sind immer wieder E-mails von ihm gekommen: "Wie läuft's denn mit dem Song?". Und ich habe gesagt: "Gut, gut. Es läuft gut". Ich konnte mich zwar an keinen Moment erinnern, in dem er zu mir sagte: "Schreib das Lied". Aber so langsam dämmerte es mir.

Ricore: Nigels Lied klingt ein bisschen wie die Songs aus den alten Disneyfilmen.

Clement: Ja. Als ich feststellte, dass ich den Song komponieren sollte, habe ich mir einige alte Lieder angehört. Etwa "Das Dschungelbuch" und andere Filme. Ich bin ein großer Sérgio Mendes-Fan. Auch viele von seinen Lieder habe ich dann nochmal angehört. Er spielt den Klavierpart in dem Song von Nigel.

Ricore: Was haben Sie in der nächsten Zeit in Planung?

Clement: Ich arbeite gerade an "Men in Black 3D" Da spiele ich einen Bösewicht.

Santoro: Ich drehe einen HBO-Film mit dem Titel "Hemingway & Gellhorn".

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 6. April 2011
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Rio 3D (Kinofilm)
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2024