Zephir Film GmbH
Gisela Schneeberger in "100 Pro"
Schüchterne Domina?
Interview: Gisela Schneeberger ist kritisch
Privat gibt sich Gisela Schneeberger eher zurückhaltend. In "Eine ganz heiße Nummer" wird sie beim Telefonsex zur Domina. Schneeberger und ihre Figur haben zumindest das lose Mundwerk gemein, wie Filmreporter.de im Gespräch mit der sympathischen Schauspielerin feststellt. So erfahren wir, was sie an Harald Schmidt gut findet und weshalb Leute, denen es finanziell gut geht, nicht zu Aldi und anderen Discountern gehen sollten. Zudem erklärt Schneeberger, was sie machen würde, wenn das Geld zum Leben knapp werden würde.
erschienen am 20. 10. 2011
Universum Film
Eine ganz heiße Nummer
Ricore: Wie haben Sie sich auf das Thema Telefonsex vorbereitet?

Gisela Schneeberger: Wir haben uns vor Drehbeginn zur Leseprobe getroffen. Bei dieser hat uns Markus Goller auf seinem PC einige entsprechende Gespräche vorgespielt. Der Witz ist, dass du als Frau dort gar nicht anrufen kannst. Es gibt nur Hotlines für Männer.

Ricore: Das ist eine richtige Marktlücke, oder?

Schneeberger: Genau. Daher kann man sich nur aus zweiter Hand informieren. Aber der Service für die Frau kommt bestimmt noch.

Ricore: Wie war es für Sie, Telefonsex zu machen?

Schneeberger: Normalerweise geniere ich mich etwas. Ich kann die moderne Offenheit bis heute nicht verstehen. Für mich wäre das nichts. Aber ich denke, man gewöhnt sich mit der Zeit an die Sprache. Je länger wir gedreht haben, desto schamloser wurden wir. Allerdings ohne die Spezialausdrücke, die uns eh unbekannt waren. Irgendwann haben wir richtig Spiellust bekommen und Marcus Goller hat uns in manchen Szenen improvisieren lassen. So etwas geht nicht gleich am ersten Drehtag, sondern erst nach ein paar Wochen.

Ricore: Welche Optionen hätten Sie in einer finanziell schwierigen Lage?

Schneeberger: Wäre ich in einer schwierigen finanziellen Lage, würde ich etwas in meinem Umfeld machen. Ich habe mir das tatsächlich schon mal überlegt. Vielleicht würde ich in der Continuity beim Dreh oder an der Garderobe arbeiten. Ich verurteile aber niemanden, der Telefonsex betreibt. Ich war noch nie in der Situation, nicht zu wissen, wie es weiter gehen soll. Dennoch kann ich mich in die Personen hineinversetzen, die auf diese Weise relativ leicht Geld verdienen.
Universum Film
Rosalie Thomass und Sigi Zimmerschied in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Waren Sie schon einmal in einem Sexshop?

Schneeberger: Ich war noch nie in einem Sexshop. Ich würde mich schämen da überhaupt rein zu gehen. Außerdem ist die ganze Merkantilisierung von Sex nicht mein Ding ist. Ich bin dafür zu prüde.

Ricore: Haben Sie sich abgesprochen, zu welcher Figur das Französische am Besten passt?

Schneeberger: Im Film wird es ja ausgesprochen: "Oh der will etwas auf französisch." Vielleicht hatte Waltraut in der Schule ein paar Wochen Französisch und daraus ihren Ehrgeiz für die französische Linie entwickelt.

Ricore: Gehen Sie wie Ihr Charakter Waltraut in den Tante-Emma-Laden oder suchen Sie Discounter auf?

Schneeberger: Zu Aldi und Lidl gehe ich aus politischen Gründen nicht. Dort werden die Angestellten schlecht behandelt. Ich finde es pervers, wenn Leute die genügend Geld verdienen, ihren Schampus im Discounter kaufen. Jene, die wirklich mit jedem Cent rechnen müssen, verurteile ich nicht. Allerdings werden die besseren Kreise von der Mentalität "Geiz ist geil" in ihrer Denkweise verdorben. Außerdem gibt es kaum noch Tante-Emma-Läden. Als ich in die Max-Vorstadt gezogen bin, gab es noch an jeder Ecke kleine Lebensmittelgeschäfte. Jetzt gibt es nur noch Tengelmann und Plus.

Ricore: Wenn das Produkt gut und günstig ist, spricht doch nichts dagegen dorthin zu gehen.

Schneeberger: Wenn Sie auf günstige Produkte angewiesen sind, ist das auch in Ordnung. Aber Leute, die gut verdienen und das System trotzdem mittragen, könnten politisch mehr bewirken. Ich gehe daher auch nicht zu Schlecker. Das ist ein furchtbarer Arbeitgeber. Mit gefällt mein Drogeriemarkt besser, der einen ganz tollen Chef hat.
Universum Film
Gisela Schneeberger in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Es ist doch oft geheuchelt, wenn manche behaupten, dass sie Tante-Emma-Läden toll finden.

Schneeberger: Ja, da beißt sich die Katze in den Schwanz. Das ist das Problem. Wenn nicht mehr genügend Leute in den Laden gehen, müssen sie schließen. Selbst jene die es gut meinen, bleiben wegen mangelnden Zulaufs aus.

Ricore: Wie stehen Sie zur Kirche?

Schneeberger: Es gibt die katholische und evangelische Kirche. Ich selber bin evangelisch, da ich dieser näher stehe. Die katholische Kirche ist viel verlogener. Zum Beispiel mit diesen ganzen Missbrauchsfällen.

Ricore: Wieso ist das so?

Schneeberger: Ich war als Kind katholisch, da mein Vater es auch war. Damals habe ich die Beichten bezüglich meiner angeblichen Unkeuschheit aufgedrückt bekommen. Ich wusste zwar nicht was es heißt, aber ich habe es einfach nachgeplappert. Die Kirsche ist gegenüber Priestern unfair. Sie dürfen beispielsweise nicht heiraten. Ich kenne diverse Pfarrer, die Kinder gezeugt haben. Das ist diese Verlogenheit, die mir nicht liegt. Dabei gibt es sogar Priester, die von der Kirche aus Kinder hätten zeugen dürfen, nur es nie der Öffentlichkeit preisgeben sollen.

Ricore: Wie sind Sie zur evangelischen Kirche gekommen?

Schneeberger: Mein Vater war katholisch und meine Mutter evangelisch. Als sie sich getrennt haben, sind wir automatisch gewechselt.
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Gisela Schneeberger in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Wie alt waren Sie und wie haben Sie das miterlebt?

Schneeberger: Da war ich zwölf und es war eigentlich selbstverständlich. Meine Mutter wollte immer, dass wir evangelisch werden, doch die Eltern meines Vaters haben sich durchgesetzt. Sie waren der Ansicht, dass wir sonst in die Hölle kämen. Daher wurden wir katholisch getauft. Das war auf dem Land üblich.

Ricore: Kennen Sie den Mutzenbacher?

Schneeberger: Ich kannte es als Titel, hab es aber nie gelesen. Ich hätte mich geniert es zu kaufen. Ich glaube Maria (Bettina Mittendorfer) hat es auf dem Speicher, da ihr Vater erotische Literatur liest.

Ricore: In der Harald Schmidt-Show hat letztens jemand aus einem Porno vorgelesen.

Schneeberger: Ehrlich? Das habe ich wohl verpasst.

Ricore: Gefällt Ihnen der Humor von Herrn Schmidt?

Schneeberger: Zum Teil schon. Man möchte kein Opfer von ihm sein. Schmidts Sarkasmus gefällt mir. Ich finde, dass das ein sehr intelligenter Humor ist. Etwas das ich gerne gesehen hätte, war, als ein Star da war und er nur die Fragen gestellt hat, die er nicht hätte stellen dürfen. Das hielt ich für eine sehr intelligente Idee.
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Rosalie Thomass in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Was finden Sie an sich lustig?

Schneeberger: Wenn ich mich blöd benehme. Das ist der Fall, wenn ich zum Beispiel leicht betrunken nach einem Bier über den Flur torkle. Schon da kann ich über mich lachen.

Ricore: Nur eines?

Schneeberger: Ja. Ich vertrage nur eines. Nach dem Zweiten hab ich schon eine Alkoholvergiftung.

Ricore: Sie haben Psychologie studiert. Haben Sie das Studium abgeschlossen?

Schneeberger: Nein. Das war nur ein Jahr zur Überbrückung. Abitur und Schauspielprüfung wären sonst zusammen gefallen. Deshalb habe ich mich zunächst auf mein Abitur konzentriert und musste dann ein Jahr bis zur Schauspielprüfung warten.

Ricore: Also wussten Sie schon früh, welchen Beruf Sie später ausüben wollen?

Schneeberger: Im Prinzip schon. Mein Vater hat immer gesagt, dass ich erst mein Abitur machen muss und erst danach auf die Schauspielschule darf. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.
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Gisela Schneeberger und Bettina Mittendorfer in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Wie sind Sie dann auf Psychologie gekommen?

Schneeberger: Psychologie hat wie die Schauspielerei etwas mit Interesse am Menschen zu tun und ist von dieser nicht allzu weit entfernt.

Ricore: Angeblich bekommen Sie mit steigendem Alter bessere Angebote.

Schneeberger: Das ist immer Glückssache. Ein Redakteur mag dich und dann bekommst du immer mehr Angebote. Das ist wie ein Selbstläufer. Je mehr du machst, desto mehr kannst du dir's aussuchen. Ich finde, es gibt viele begabte Kolleginnen und Kollegen, die nicht das Glück haben, für eine Rolle genommen zu werden. Das ist wirklich traurig.

Ricore: Lesen Sie die Kritiken über Filme, an denen Sie mitgearbeitet haben?

Schneeberger: Ja. Ich finde es ganz normal, Kritiken zu lesen. Es ärgert mich nur, wenn es persönlich wird. Ich habe aber nichts dagegen, wenn jemand schreibt, dass ihm zum Beispiel "Eine ganz heiße Nummer" nicht gefällt. Das ist mir sogar lieber. Ich bin nicht beleidigt, wenn jemand damit nichts anfangen kann.

Ricore: Bekommen Sie auch Drehbücher, mit denen Sie nichts anfangen können?

Schneeberger: Etliche. Aber ich bin zum Glück in der privilegierten Situation, solche Angebote ablehnen zu können. Somit kann ich Rollen spielen, die ich wirklich mag und in denen ich gut bin. Deshalb werde ich immer besser und es wird zum Selbstläufer der sich hochschaukelt.

Ricore: Was benötigt eine Figur, damit Sie sie mögen?

Schneeberger: Sie darf nicht nur liebenswert sein. Ich mag es, wenn sie zwei oder drei Seiten an sich hat. Sie darf auch gerne einmal unsympathisch sein, selbst wenn es einigen nicht gefällt. Mir ist das Wurscht, denn jeder Mensch hat solche Seiten an sich.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 20. Oktober 2011
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Gisela Schneeberger wird am 3. Oktober 1948 im oberbayerischen Dollnstein geboren. Vor der Einschulung zieht sie mit ihren Eltern nach München, wo die Schauspielerin und Kabarettistin bis heute lebt. Bekannt wird sie an der Seite von Gerhard Polt, mit dem sie in der Fernsehsendung "Fast wia im richtigen Leben" (1978) sowie in mehreren Kinofilmen ("Man spricht deutsh") zu sehen ist. Ihren Rollen sind oft durch die bayerische Mundart geprägt, was schnell zu ihrem Markenzeichen wird. 1993 trennt..
Waltraud (Gisela Schneeberger), Maria (Bettina Mittendorfer) und Lena (Rosalie Thomass) leben in einem Dorf im Bayrischen Wald. Da die Menschen mittlerweile lieber in der Stadt einkaufen, droht ihrem Lebensmittelgeschäft das Aus. Als Maria einen obszönen Anruf erhält, kommt ihr die rettende Idee. Markus Gollers Adaption von Andrea Sixts gleichnamigen Roman bietet sympathische Protagonistinnen und klischeebehaftete männliche Figuren. Die Thematisierung des Telefonsex gelingt mit viel Humor. Die..
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