Paramount Pictures
Patton Oswalt auf der Berlinale 2012
Zwischen Popkultur und Arthouse
Interview: Patton Oswalts Liebe zum Kino
In Deutschland kennt man Patton Oswalt vor allem als Sidekick in der Sitcom "The King of Queens". Dabei ist der US-Amerikaner nicht nur ein versierter Nebendarsteller in Fernsehen und Kino. In den USA kennt man den 43-Jährigen auch als erfolgreichen Stand-Up-Comedian und Comic-Autor. Anlässlich der Komödie "Young Adult" hat sich Filmreporter.de während der Berlinale 2012 mit Oswalt unterhalten und ihn als großen Comic-Fan und ausgewiesenen Kenner der deutschen Filmkultur kennengelernt.
erschienen am 23. 02. 2012
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Young Adult
Ricore: Wie war die Zusammenarbeit mit Charlize Theron?

Patton Oswalt: Es war toll. Einerseits war es sehr einschüchternd, mit ihr zu arbeiten. Später war es entspannt. Charlize ist eine großartige Schauspielerin, die es immer wieder schafft, das Beste aus ihren Schauspielkollegen herauszuholen.

Ricore: Was reizte Sie an Ihrem Charakter in "Young Adult"?

Oswalt: Ich mochte die Tatsache, dass er mit einer schlimmen Situation konfrontiert ist. Auf der einen Seite fehlen Matt Freehauf einige wichtige Mechanismen, um in der Welt zu bestehen. Er ist nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen, sondern lässt die Dinge um sich herum einfach geschehen. Auf der anderen Seite hat er gelernt, mit seiner Verzweiflung zu leben. Er macht sich lustig über seine Lage, auch wenn ihn das nicht weiterbringt. Diese Haltung finde ich sehr menschlich, gleichzeitig hat sie auch etwas Komisches an sich.

Ricore: Was haben Sie für Erinnerungen an Ihre Schulzeit?

Oswalt: Wie alle habe auch ich gemischte Gefühle, wenn ich an diese Zeit denke. Als Teenager kommt einem die Welt sehr irreal vor. Meine Schulzeit war eine Mischung aus positiven und negativen Erfahrungen.

Ricore: In Deutschland kennt man Sie vor allem aus der Serie "King of Queens". War es für Sie eine große Umstellung, nun eine größere Rolle in einem Kinofilm zu spielen?

Oswalt: Ja, es gibt durchaus Unterschiede zwischen der Arbeit an einer Sitcom und einem Kinofilm. Im Fernsehen hat man die Möglichkeit, eine Szene öfters zu proben. Außerdem herrscht in Sitcoms ein ganz anderer Rhythmus, weil sie sehr Gag-zentriert sind. In einem Kinofilm sind die Szenen viel stärker ausgearbeitet. Außerdem muss man über einen Zeitraum von mehreren Monaten immer im Auge behalten, an welchem Punkt des Films man sich gerade befindet. In einer Sitcom ist die Arbeit durchgehend, wie bei einem Theaterstück.
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Patton Oswalt auf der Berlinale 2012
Ricore: Ihr Charakter in "Young Adult" sammelt Actionfiguren. Konnten Sie sich damit identifizieren?

Oswalt: Nein, ich habe nie Actionfiguren gesammelt, aber ich habe viele Freunde, die das taten. Vielleicht war mein Zimmer nicht groß genug für eine solche Sammlung. Dafür las ich viele Comics und sah mir viele Filme an.

Ricore: Was ist ihr Lieblingscomic?

Oswalt: Schwer zu sagen, ich habe so viele gelesen. Ich mag alle Sachen von Jonathan Hickman. Von ihm stammen unter anderem die Comics "Pax Romana" und "Red Wing". Außerdem ist er ein Autor von "Fantastic Four". Er hat einen wunderbaren Sinn für Science-Fiction. Außerdem ist er in der Lage, gewichtige Themen auf unterhaltsame Weise zu verarbeiten.

Ricore: Was schätzen Sie an Comics?

Oswalt: Ich liebe ihren Eskapismus. Es ist eine junge Form der Unterhaltung mit brillanten Autoren wie Alan Moore, Grant Morrison und Neil Gaiman. Die schaffen es immer wieder, die Handlung ihrer Comics mit einer tieferen Bedeutung zu versehen.

Ricore: Sie haben selbst einige Comics verfasst. Wie wichtig ist Ihnen als Fan die Meinung anderer Fans?

Oswalt: Ich hoffe, sie mögen sie. Als Künstler verliert man die Kontrolle über sein Kunstwerk, sobald man es in die Welt gebracht hat. Man kann die Reaktion der Menschen auf das kreative Produkt nicht im Griff haben. Umgekehrt hat das Produkt keinen Einfluss auf den Künstler. Er kann höchstens ein anderes Produkt erschaffen, wenn das erste nicht funktioniert hat. So ist es auch bei mir. Ich habe immer den Prozess im Kopf und frage mich ständig, was ich als nächstes machen werde.
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Diablo Cody bei Premiere von "Young Adult" in Los Angeles
Ricore: Wie finden Sie es, dass Joss Whedon "The Avengers" inszeniert?

Oswalt: Ich finde das sehr aufregend. Man hat dieses Franchise einem großartigen Autor und Regisseur anvertraut. Der Stoff liegt Joss sehr am Herzen und ich setze große Hoffnungen in das Projekt.

Ricore: Würden Sie auch mal gerne eine Rolle in einer Comicverfilmung spielen?

Oswalt: Natürlich, sehr gerne. Ich sehe mich zwar nicht in der Rolle eines Superhelden. Einen Sidekick oder Schurken zu spielen, kann ich mir aber sehr gut vorstellen. Ich würde keine Sekunde zögern, wenn ich ein gutes Angebot bekäme.

Ricore: Das Drehbuch von "Young Adult" stammt von Diablo Cody. Wie würden Sie ihre Sicht auf Frauen und Männer beschreiben?

Oswalt: Ich denke, ihre Perspektive geht über das Geschlechtsspezifische hinaus. Cody hat eine sehr humanistische Weltsicht. In ihren Drehbüchern geht es um die gescheiterte Kommunikation zwischen Menschen. Dabei ist sie in der Lage, alltägliche Dialoge so umzusetzen, dass menschliche Schwächen sichtbar werden.

Ricore: Ist der Film so geworden, wie Sie ihn sich bei der Lektüre des Drehbuchs vorgestellt haben?

Oswalt: Ja, Jason Reitman hat sich bei der Inszenierung eng an das Drehbuch gehalten. Er hat sich auch sehr für das von Cody vorgesehene Ende eingesetzt. Der Film ist so geworden, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Das passiert nicht häufig im Filmgeschäft, aber dieses Mal war es so.
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Charlize Theron in "Young Adult"
Ricore: In "Young Adult" lässt die Protagonistin kein gutes Haar an den Kleinstädtern.

Oswalt: Ja, andererseits werden die Kleinstädter als glückliche und selbstverwirklichte Menschen dargestellt. Es ist vielmehr das Großstadtmädchen, das geschädigt und verloren ist. "Young Adult" ist in gewisser Weise eine Demontage jener Filme, in denen der Protagonist in die Kleinstadt zurückkehrt und jeder versucht, ihn zu therapieren. Hier leben die Menschen vielmehr in ihrer eigenen kleinen Welt. Sie wollen nicht helfen, sie sind mit sich selbst beschäftigt.

Ricore: Würden Sie die Protagonistin als typische amerikanische Großstädterin bezeichnen?

Oswalt: Nein, ich denke, sie ist ein Extremfall, eine sehr verletzte Frau. Sie fühlt sich nirgends wohl, nicht einmal in ihrem eigenen Körper. Sie hat sich einst eingeredet, dass sie sich in der Großstadt heimisch fühlt, was jedoch nicht der Fall war. Sie ist ein verlorener Mensch. Es gibt in einer Großstadt viele Menschen, die eigentlich in eine Kleinstadt gehören und umgekehrt. Man muss nur herausfinden, wo man hingehört.

Ricore: Welche Ihrer Eigenschaften würden Sie als kindisch bezeichnen?

Oswalt: Ich werde schnell sehr emotional und bin ziemlich ehrgeizig. Dennoch bin ich glücklich, dass ich mir manch Kindliches bewahrt habe. Um in einem kreativen Beruf erfolgreich zu sein, muss man ein wenig kindlich sein.
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Patton Oswalt bei Premiere von "Young Adult" in Los Angeles
Ricore: Was haben Ihre Eltern gesagt, als sie erfuhren, dass Sie Stand-up-Comedian werden wollten?

Oswalt: Sie haben sich Sorgen gemacht, weil sie dachten, dass das Showbusiness ein hartes Pflaster ist. Sie waren besorgt, wie alle Eltern es vermutlich sind, wenn ihre Kinder diesen Weg einschlagen. Sie haben sich meiner Entscheidung aber nicht in den Weg gestellt.

Ricore: Wie kam es, dass Sie dann auch Schauspieler wurden?

Oswalt: Ich bin eher zufällig in diesen Beruf geraten. Irgendwann kamen Leute in meine Shows und fragten mich, ob ich nicht in einer Fernsehserie oder einem Spielfilm mitspielen wolle.

Ricore: Von welchen Künstlern werden Sie inspiriert?

Oswalt: In meiner Jugend habe ich vor allem Komiker wie Richard Pryor, George Carlin, Bill Cosby und Jonathan Winters bewundert. Als ich mit meinen eigenen Sachen anfing, haben mich Menschen und Freunde inspiriert, mit denen ich mich umgeben habe. Ich habe einen lustigen und kreativen Freundeskreis, der mich bei meiner Arbeit anspornt.

Ricore: Wie schwierig ist es in der Film- und Fernsehbranche, eine Ehe aufrecht zu erhalten?

Oswalt: Ich bin glücklich, verheiratet zu sein. Die Ehe macht mich bodenständig. Im Showgeschäft gibt es viele, denen der Ruhm zu Kopf steigt. Meine Familie ist die Realität, zu der ich jeden Tag glücklich zurückkehre. Sie ist eine Bereicherung für mein Leben und eine Inspirationsquelle für meine Arbeit.
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Patton Oswalt in "Young Adult"
Ricore: Sie sind ein großer Fan von Jason Reitman. Welche Filme mögen Sie noch?

Oswalt: Jason und ich sind beide große Filmfans. Ich schaue mir alle Filme an, die ich in die Hände kriege. Mein Geschmack ist so vielfältig, dass ich Ihnen hier unmöglich alle Filme aufzählen kann. Es ist merkwürdig, in Berlin zu sein, weil ich diese Stadt vor allem durch Filme kenne. Ich denke da zum Beispiel an die Filme Rainer Werner Fassbinders und vor allem an Wim Wenders' "Der Himmel über Berlin" und "Der amerikanische Freund". Mein Leben wird von Filmen bestimmt. Es ist eine Kunstform, die mir nahe liegt.

Ricore: Wie gefällt Ihnen die Berliner Atmosphäre?

Oswalt: Sehr gut. Jede Stadt hat ihre eigene Atmosphäre, die von ihrer spezifischen Architektur bestimmt wird. Auch die Art und Weise, wie Städte vom Sonnenlicht angestrahlt werden, unterscheidet sie voneinander. Ich denke auch, dass die nationalen Kinos von den Städten und dem Landleben stark beeinflusst wird. Das gilt auch für das deutsche Kino. Deutsche Filme haben oft etwas Düsteres und Grüblerisches an sich. Die besten amerikanischen Noir-Filme der 1940er Jahre wurden von deutschen Emigranten wie Fritz Lang inszeniert oder von Kameramännern wie Karl Freund fotografiert.

Ricore: Wie war die Atmosphäre in Ihrer Heimatstadt?

Oswalt: Ich bin im Norden Virginias aufgewachsen, in einem ziemlich blassen und nichtssagenden Vorort. Es war einer dieser Orte, wie sie Steven Spielberg in vielen seiner früheren Filme treffend dargestellt hat. Wenn man in einem solchen Ort lebt, sehnt man sich nach etwas anderem. In gewisser Weise bin ich daher froh, dass ich dort aufgewachsen bin. Es weckte in mir den Wunsch, auszubrechen und auf Reisen zu gehen.

Ricore: Ihr Vater war beim Militär. Wie war Ihr Verhältnis zu ihm?

Oswalt: Mein Vater war drei Jahre in Vietnam stationiert und hat den Krieg miterlebt. Er hat uns nicht dazu gedrängt, ebenfalls zum Militär zu gehen. Im Gegenteil, als wir in die Oberschule kamen, nahm er sich einen Bürojob, damit wir eine stabile und geordnete Jugend haben. Er war ein großartiger Kerl.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 23. Februar 2012
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Patton Oswalt wird als Sohn eines Marinesoldaten nach dem berühmten General George S. Patton benannt. Nach mehreren Umzügen quer durch die USA erwirbt er schließlich seinen Schulabschluss in Virginia. Um 1990 herum beginnt er, als Stand-Up-Comedian aufzutreten. In seinen Programmen beschäftigt er sich mit den unterschiedlichsten Themen - von Popkultur bis Politik. Mad TV" und bekommt erste Schauspielengagements im Fernsehen. Ab 1998 spielt er als Spencer Olchin in der Sitcom "The King of..
2024