20th Century Fox
Hella von Sinnen spricht Miss Grunion in "Die Abenteuer von Mr. Peabody & Sherman"
'Es hat einen Rückwärtssalto gegeben'
Interview: Hella von Sinnen fordert mehr Toleranz
Tschaka, Tschaka - mit den bunt-schrägen Klamotten, ihrem extrovertierten Auftreten und nicht zuletzt dem selbstbewussten Umgang mit ihrer Körperlichkeit stellt Hella von Sinnen das deutsche Fernsehen auf den Kopf. Sendungen wie "Alles nichts, oder?!" und "Genial daneben" genießen heute Kultstatus. In den letzten Jahren ist es etwas stiller um die Moderatorin und Schauspielerin geworden. Man sieht sie weniger vor der Kamera, dafür tönt ihre unverkennbare Stimme auf vielen Kanälen. So auch wenn sie sich als Synchron-Sprecherin in Animationsfilmen wie "Die Abenteuer von Mr. Peabody & Sherman 3D" betätigt. Im Interview sinniert die 55-Jährige über Zeitreisen, ihre Lieblingsepochen und unsere Gesellschaft, die noch immer nicht genug Toleranz gegenüber Homosexuellen zeigt.
erschienen am 26. 02. 2014
20th Century Fox
Die Abenteuer von Mr. Peabody & Sherman
Von Zeitreisen fasziniert
Ricore Text: Ein interessanter Anzug, den Sie da tragen. Damit sind wir schon beim Thema unseres Interviews.

Hella von Sinnen: Ja, ich freue mich darauf, das Kostüm demnächst auch privat zu tragen und bin wild entschlossen, es auch im Fernsehen anzuziehen. Ein Dinnerjacket im Stil von James Bond, das finde ich schön. So etwas hatte ich noch nie.

Ricore: Wie kam es zu dieser Idee?

Von Sinnen: Ich bat meinen Kostümbildner, etwas zum Film zu machen und Fox war so freundlich, die Kosten zu übernehmen. Ich mag es, mich thematisch zu kleiden. Es weckt ja auch Aufmerksamkeit für das Produkt.

Ricore: "Die Abenteuer von Mr. Peabody & Sherman 3D" greift ein zeitloses Thema auf. Wie erklären Sie sich die Faszination von Zeitreisen?

Von Sinnen: Mich hat das Thema schon immer fasziniert. Mein allererster Zeitreisefilm war "Die Zeitmaschine" mit Rod Taylor. Kurze Zeit später kam die Serie "Star Trek: Raumschiff Enterprise" heraus. Hier mussten die Figuren mal ins alte Rom oder in den Wilden Westen reisen. Die "Zurück in die Zukunft"-Reihe habe ich geliebt.

Ricore: Filme wie "Zurück in die Zukunft" zeigten aber auch, dass man durch Zeitreisen das Zeitkontinuum leicht durcheinanderbringen kann. Würden Sie vor diesem Hintergrund eine Zeitreise wagen, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?

Von Sinnen: Ja, sofort. Ich fände es aber toll, wenn zwei, drei Leute es vor mir gemacht hätten. Ich weiß nicht, ob ich den Mut hätte, die allererste Zeitreisende zu sein. Denken Sie an den Film "Die Fliege". Das Risiko möchte ich nicht eingehen (lacht).
20th Century Fox
Hella von Sinnens Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert
Hella von Sinnen in der Steinzeit
Ricore: Würden Sie sich eher für die Vergangenheit oder die Zukunft entscheiden?

Von Sinnen: Ich würde gerne in die Steinzeit reisen. Ich will wissen, wie die Luft damals roch. Ich habe nur ein bisschen Angst, dass die Dinosaurier so viel gepupst haben, dass sie ganz verpestet war (lacht). Die Vorstellung, dass es einmal eine Zeit gab, in der die Welt klar und rein war, fasziniert mich sehr. Als Wassermann bin ich sehr Luft-affin. Ich habe gerne gute Luft um mich.

Ricore: Gibt es sonst eine Epoche, die sie interessant finden?

Von Sinnen: Ich wäre gerne im Berlin der 1920er Jahre. In der Zeit von Marlene Dietrich, Claire Waldoff und des Cabarets. Es war eine Zeit, in der Transgender, Homosexualität und Bisexualität keine Themen waren. Dann haben die Faschisten alles zunichte gemacht. Das muss eine unglaublich tolle, kreative Zeit gewesen sein.

Ricore: Wo befinden wir uns heute weltanschaulich? Sind wir ein tolerantes oder noch immer 'kein ausreichend aufgeklärtes' Land, wie Guido Westerwelle in einem Interview sagte?

Von Sinnen: Wir Betroffenen haben eine ganz andere Einstellung zu dem Thema. Ich treffe oft heterosexuelle Menschen, die zwitschern, dass wir Homosexuellen uns nicht beschweren sollten. Es ist aber nun mal so, dass wir die Situation ganz anders empfinden. Ich habe den Eindruck, dass es schon mal eine entspanntere Zeit gab und dass es einen Rückwärtssalto gegeben hat. Nicht nur, was die Homosexualität, sondern auch was Themen wie Abtreibung angeht. Ich bin sehr unzufrieden mit der Stimmung in der Gesellschaft und teilweise auch mit der Gesetzgebung.

Ricore: Was ist der Grund für diese Entwicklung?

Von Sinnen: Offensichtlich haben unsere großen Kirchen noch immer einen meinungsbildenden Einfluss. Das sieht man auch in unseren Regierungsparteien, die das 'C' für christlich in ihrem Namen tragen. Obwohl Merkel mit der FDP in der Koalition war, hat sie sich laut gegen das Adaptionsgesetz bei gleichgeschlechtlichen Partnern ausgesprochen. Und das, obwohl sie mit Guido Westerwelle einen Homosexuellen in ihren Reihen hatte. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Wenn die Kirche sagt, dass wir die heterosexuelle Ehe bedrohen, kann ich das nicht verstehen. Es tut mir leid, aber an welcher Stelle sollen wir die traditionelle Ehe denn bedrohen? So lange wir leben, wird es immer mehr heterosexuelle als homosexuelle Menschen geben. Lasst doch bitte die Homosexuellen ihre Liebe ausleben.
20th Century Fox
Die Abenteuer von Mr. Peabody & Sherman
Outing als Mittel des politischen Kampfes?
Ricore: Was empfinden Sie bei solchen Argumenten?

Von Sinnen: Ich bin komplett verständnislos. Manchmal bin ich traurig und manchmal stinkwütend, weil ich die Argumente nicht nachvollziehen kann. Genauso wie jemand nicht begreifen kann, dass zwei Mädchen oder zwei Jungs sich lieben, kann ich nicht verstehen, warum uns das jemand nicht gönnen oder schlimmer noch: es uns verbieten will. Dass junge Männer zusammengeschlagen werden, weil sie schwul sind, finde ich schrecklich. Ich rede ungern über dieses Thema in Talkshows. Ich kann keine guten Argumente anbringen, weil mich ein solches Verhalten viel zu sehr irritiert. Ich begreife nicht, wie gerade Christen sagen können: 'Nee Kinder, ihr nicht. Ihr seid ja pervers und krank.'

Ricore: Sie haben sich früh zur ihrer Homosexualität bekannt und damit eine Option für ein Vorgehen gegen Intoleranz gezeigt - Outing als Mittel des politischen Kampfs.

Von Sinnen: Ich war damals die erste Frau im deutschen Farbfernsehen, die sich als Lesbisch geoutet hat. Kurze Zeit später hat auch Conny (Cornelia Scheel ist Hella von Sinnens Lebensgefährtin; A. d. Red.) diesen mutigen Schritt getan. Wir taten das damals aber nicht, um Aktivistinnen zu sein. Für uns war das nichts Anormales. Wir haben uns geliebt und das haben wir einfach gesagt: Wir lieben uns. Dann nahmen wir an der 'Aktion Standesamt' teil, weil wir für die Homoehe kämpften. Dafür sind wir vereinnahmt worden und haben uns auch gern vereinnahmen lassen, um der Aktion eine größere Wucht zu verleihen. Wir waren nun mal populäre Figuren in diesem Land.

Ricore: Sie sind Ende der 1980er Jahre, Anfang der 1990er Jahre mit der Sendung "Alles nichts, oder?!" bekannt geworden. Gibt es einen konzeptionellen Unterschied zwischen der Hella von Sinnen von damals und der von heute in Bezug auf Ihren Humor?

Von Sinnen: Nein, den gibt es nicht. Humor ist bei mir nie ein Konzept gewesen. Ich habe einen 'Mutterwitz', wie man so schön sagt. Meine Familie war sowohl väterlicherseits als auch mütterlicherseits immer sehr humorbegabt. Wir hatten das Herz immer auf der Zunge, konnten immer über uns selbst lachen. Ich bin höchstens etwas ruhiger geworden und weiser. Außerdem bin ich nicht mehr so verletzbar wie noch mit 30 Jahren. Ich bin jetzt 55 und damit seit 25 Jahren im Licht der Öffentlichkeit. Anfangs habe ich mir die Dinge viel mehr zu Herzen genommen. Das ist jetzt nicht mehr so, was ich als sehr angenehm empfinde.

Ricore: Sehen Sie sich rückblickend als Pionierin in Bezug auf weibliche Komikerinnen im deutschen Fernsehen?

Von Sinnen: Nein, so sehe mich nicht. Ich war schon als Kind Fan von Hanne Wieder, Lore Lorentz, Grethe Weiser, Trude Herr und Gisela Schlüter. Von den großen deutschen Komikern gab es immer einen weiblichen Sidekick: Karl Valentin und Liesl Karstadt, Loriot und Evelyn Hamann, usw. Ich hatte immer den Fokus auf den Frauen und ich habe sie geliebt. Nein, ich bin auf keinen Fall eine Vorreiterin für Komikerinnen oder Kabarettistinnen. Eher ist dies für den Bereich Fernsehshow-Moderatoration der Fall. Ich denke nicht, dass eine Cindy aus Marzahn bei "Wetten dass...?" funktioniert hätte, wenn nicht schon 20 Jahre vorher eine Hella von Sinnen so auf die Kacke gehauen hätte (lacht).

Ricore: Stimmt! Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 26. Februar 2014
Zum Thema
Hella von Sinnen beginnt ihre Karriere als Kabarettistin. Mit der schrillen Sendung "Alles nichts, oder?!" die sie mit Hugo Egon Balder moderiert, hat sie ihren großen Durchbruch. Mit Balder arbeitet sie auch in der Rate-Sendung "Genial daneben" zusammen. Kondom des Grauens" und "Neues vom Wixxer" sowie in Serien wie "Lukas" und "Ritas Welt" mit. In "Der König der Löwen" und "Die Abenteuer von Mr. Peabody & Sherman 3D" ist die extrovertierte Komikerin mit der markanten Stimme zudem als..
Als der kleine Sherman nebst Freundin und seinem genialen Hund Mr. Peabody die Zeitmaschine WABAC benutzen, lösen sie ein heilloses Chaos aus. Durch die Reise in die Vergangenheit bringen die drei das Zeitkontinuum durcheinander. Sie drohen, den Lauf der Geschichte zu verändern. Um das zu verhindern, ist das Superhirn von Mr. Peabody gefragt. "Die Abenteuer von Mr. Peabody & Sherman" entstand unter der Regie von Rob Minkoff, der mit "Der König der Löwen" den erfolgreichsten Disney-Film..
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