Walt Disney
Pete Docter auf der Premiere von "Alles steht Kopf 3D"
Kampf zwischen Freude und Angst
Interview: Pete Docter laboriert im Hirn
Pete Docter schrieb die Vorlage für "Wall-E - Der Letzte räumt die Erde auf" und inszenierte "Die Monster AG". Jetzt ist er der kreative Kopf hinter "Alles steht Kopf 3D" einem weiteren Familienfilm der Disney-Tochter Pixar. Er erzählt die Geschichte der elfjährigen Riley, in deren Kopf die fünf Emotionen Freude, Kummer, Angst, Ekel und Wut miteinander um die richtigen Entscheidungen ringen. Freude bestimmt die Stimmungen des Mädchens, während Kummer noch ihren Platz sucht. Als beide durch einen Unfall aus der Kommandozentrale des Gehirns vertrieben werden, müssen die anderen drei Emotionen alleine klar kommen. Freude und Kummer begeben sich derweil durch eine abenteuerliche Reise durchs menschliche Gehirn.
erschienen am 1. 10. 2015
Walt Disney
Pete Docter ("Alles steht Kopf 3D"-Premiere Los Angeles)
Bin ich gut genug?
Ricore Text: Welche Emotion kontrolliert die Sinne in ihren Kopf?

Pete Docter: In mir kämpfen Freude und Angst. Ich frage mich ständig, bin ich gut genug und wird alles funktionieren? Wenn der Film dann gut angenommen wird, habe ich eine gute Zeit.

Ricore Text: Nach "Monster AG" haben Sie sich wieder für einen Film entschieden, der in eine Phantasiewelt führt. Ist dies Ihr Markenzeichen?

Docter: Als Kind wollte ich der realen Welt entfliehen. Heute nutze ich diese Fantasiewelten, um meine Umgebung und unsere Beziehungen zu reflektieren.

Ricore Text: Sie hatten auch das Konzept von "Wall-E" entwickelt. Stehen Sie hinter dem Konzept, Filme auch für einen etwas älteren Zuschauerkreis zu entwickeln?

Docter: Pixar hat stets alle Altersgruppen im Hinterkopf. Uns treibt an, bei jedem Projekt Unbekanntes zu entdecken und die Zuschauer auf diese Reise mitzunehmen. Und da wir vier bis fünf Jahre an einem Projekt sitzen, sollte es so viel Tiefe und Relevanz besitzen, dass wir uns nicht langweilen.

Ricore Text: Was haben Sie bei "Alles steht Kopf" gelernt?

Docter: Das menschliche Gehirn ist unendlich komplex. Von der Geburt an steuern unsere Emotionen unser Verhalten, unser Denken und unsere Gefühle ohne dass wir dies steuern oder bemerken.
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Paula Poundstone und Pete Docter feiern Premiere
Pete Docter: Katastrophen in der Zukunft vermeiden
Ricore Text: Wie wichtig sind gute Erinnerungen für unser Wohlbefinden?

Docter: Wir sind davon ausgegangen, dass sie für unser Überleben unabdingbar sind. Während der Recherche haben wir gelernt, dass sich Erinnerungen verändern. Wenn man zu seiner Großmutter ein tolles Verhältnis hatte, werden die Erinnerungen nach ihren Tod bittersüß. Das Glück kriegt einen Beigeschmack durch den Verlust. Das zeigen wir im Film, in dem wir die Farben der Erinnerungsbälle verändern. Die orangen Glücksbälle bekommen einen blauen Schatten, wenn sich Kummer in die Erinnerung mischt. Die Wissenschaftler haben uns auch erklärt, dass Gefühle bei der Bewertung der Vergangenheit zweitrangig sind. Sie sind aber unabdingbar für die Gestaltung der Zukunft. Wir nutzen sie, um Katastrophen in der Zukunft zu vermeiden.

Ricore Text: Warum haben Sie eine Elfjährige ins Zentrum gestellt?

Docter: Die Erfahrung mit unseren Kindern war für das Team die wichtigste Informationsquelle. Meine Tochter war 16 Jahre alt als wir mit den Vorbereitungen begannen. Wie Riley stand sie am Übergang von der Kindheit zur Jugend und dem Erwachsenenalter. Ihre Gefühlswelt änderte sich rasant und sie war mit Problemen wie der ersten Liebe konfrontiert, die sie zuvor nicht kannte.

Ricore Text: Und warum spielt Riley Eishockey?

Docter: Ich bin in Minnesota aufgewachsen, wo jeder im Winter Eishockey spielt. Für die Geschichte bot sich dieser Sport an. In San Francisco ist es ein Außenseitersport. Das unterstreicht Rileys Gefühl der Verlorenheit nach dem Umzug.

Ricore Text: Woran haben Sie sich bei der Gestaltung des Gehirns orientiert?

Docter: Unser Gehirn ist eine Kombination aus klinischem Apple Store und Small World aus Disneyland. Die Modelle unserer DNA und unserer Synapsen brachten uns schnell auf die Idee, die Verbindungen zwischen den einzelnen Gehirnregionen wie Straßen zu gestalten. Und dass unser Gehirn arbeitsteilig arbeitet und bestimmte Regionen für bestimmte Fähigkeiten und Emotionen zuständig sind, führte zur Idee, den Erinnerungen verschiedene Inseln zuzuweisen.
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Alles steht Kopf 3D (Inside Out, 2015)
Selten war ein Film von Pixar so dialoglastig
Ricore Text: Selten war ein Film von Pixar so dialoglastig. Hatten Sie keine Bedenken?

Docter: Diese Herausforderung schälte sich heraus als das Konzept einer Komödie mit fünf Charakteren stand. Wir hatten sofort die Stimmen im Kopf, die miteinander stritten, und so viele Ideen, dass die Mehrzahl im Papierkorb landete.

Ricore Text: Zugleich ist es der bislang poetischste Film aus dem Hause Pixar...

Docter: Wir wollten einen abstrakten Gegenstand durch die Kraft der Poesie zum Leben erwecken. Nachdem wir verstanden hatten, dass die Geschichte dieser Komödie komplex ist und eventuell für Kinder schwerer verständlich. Deshalb mussten wir sie über den Spaß und die emotionale Ebene packen. Um sicher zu gehen, haben wir den Film regelmäßig im Studio, dem Sicherheitsdienst und in unseren eigenen Familien gezeigt. Kinder sind in ihren Reaktionen unbestechlich. Doch auch bei Pixar haben wir eine Atmosphäre geschaffen, wo jeder mir die Wahrheit ins Gesicht sagt.

Ricore Text: Sie haben sich auf fünf Emotionen beschränkt, unter den fehlenden ist die Liebe. Haben Sie deshalb "Alles steht Kopf" mit der Liebesgeschichte von zwei Vulkanen gekoppelt?

Docter: Wenn ich ganz ehrlich bin, war es ein Zufall, dass der Kurzfilm "Alles steht Kopf" ergänzt. Aber ein Zufall, über den ich sehr froh bin.

Ricore Text: Danke für das Gespräch.
erschienen am 1. Oktober 2015
Zum Thema
Pete Docter bezeichnet sich selbst als "Spinner aus Minnesota, der gerne Cartoons zeichnet". Mit seinen gesponnenen Arbeiten feiert er große Erfolge. Er gehört seit 20 Jahren zu den kreativen Köpfen von Pixar Studios. Bei "Toy Story 2" und "Wall-E - Der Letzte räumt die Erde auf" ist er am Drehbuch beteiligt, bei "Oben" einer der beiden Regisseure.
Im Kopf der elfjährigen Riley ist allerhand los. Fünf Emotionen sind unentwegt damit beschäftigt, das Leben des Mädchens zu steuern. Angeführt wird die Kommandozentrale von der Freude, deren oberste Prämisse es ist, das Riley glücklich ist. Ihre Kollegen Angst, Wut, Ekel und Kummer sorgen für die nötige Balance der Gefühle. Als Riley mit ihren Eltern umzieht, stehen die Emotionen vor ihrer größten Herausforderung. Riley fühlt sich in der neuen Umgebung alles andere als glücklich. "Alles steht..
2024