Ricore
Ich verneige mich vor Tokio Hotel
Interview: Smudo über Asterix als popkultureller Meilenstein
Im letzten Jahr synchronisierten die Fantastischen Vier eine Pinguinbande im Animationsfilm "Madagascar". Nun begibt sich Michael B. Schmidt alias Smudo auf Solopfade und synchronisiert zwischen den Aufnahmen fürs neue Album der Fanta-4 in "Asterix und die Wikinger" den Angsthasen Grautvornix, der bei den furchtlosen Galliern das Kämpfen lernen soll. In München trafen wir den jung gebliebenen 38-Jährigen zum Gespräch.
erschienen am 15. 05. 2006

Ricore: Smudo, was war das für ein Gefühl, ohne Ihre Bandkollegen im Tonstudio zu stehen?

Smudo: Meine Kollegen sind eigentlich gar keine Synchronfans. Zu der Rolle in Asterix kam ich auch gar nicht über "Madagascar", sondern das war eher Zufall. Eigentlich sollte ich Frozone in "Die Unglaublichen" meine Stimme leihen, aber beim Casting hat das einfach nicht gepasst. Nun hat man wieder an mich gedacht, und im Vergleich zu Grautvornix waren die Pinguine Kinkerlitzchen.

Ricore: Warum?

Smudo: Wir hatten damals relativ wenig Text, außerdem waren die Pinguine recht tonlos. Keine waschechten Charaktere, die im Zuge der Geschichte ein Problem bewältigen und andere Menschen werden. Es war dufte, nett, schön - aber eben keine wirklich große Herausforderung.

Ricore: Liegt Ihnen die Synchronsprecherei im Blut?

Smudo: Anfangs hatte ich immer Angst, dass übertriebenes Sprechen doof wirkt. Dabei muss das sein, damit es im Film später gut rüberkommt. Die Devise lautet, seine Hemmungen fallen zu lassen. Als Musiker ist das was anderes, da spreche ich meine Texte in der Stimmung, die ich beim Schreiben hatte. Synchronrollen dagegen sind immer was Fremdes, obwohl man mir auch da bereit öfters ein gutes Rhythmusgefühl assistiert hat.

Ricore: Was war für Sie der schwierigste Moment?

Smudo: Der Satz: "Weißt du, ein Freund hat mir mal gesagt, man muss nur fest dran glauben." Im Gesamtkontext klingt das ganz gut, aber einzeln extrahiert hielt ich es damals für pathetischen Quatsch und habe mich arg geniert.

Ricore: Warum ist Asterix seit Jahrzehnten so populär?

Smudo: Damals waren die Hefte ein popkultureller Meilenstein, und die damalige Jugend, die heute schon Kinder hat, hat die Begeisterung an die nächste Generation weitergegeben. Und das nicht ohne Grund: Vor allem, was die Moral angeht, ist Asterix ziemlich unprätentiös und sehr nah an der Welt der Jugendlichen. Außerdem bekommt man - wenn auch sehr rudimentär - historischen Fakten gleich mitgeliefert und lernt die wichtigsten Ausdrücke in Latein.
Universum Film
Asterix und die Wikinger
Ricore: Dabei ist über Asterix als Person eigentlich wenig bekannt...

Smudo: Stimmt, eigentlich ist er ziemlich fad. Wir wissen nicht, was er liebt und was er hasst, sogar sein Alter kennt niemand. Er funktioniert nur im Duo mit Obelix. Der ist der Mann mit Gefühl, ist sensibel, modisch interessiert und liebt Römer wie Wildschweine. Obwohl die beiden so gut zusammenpassen, gibt es bis heute keine Hinweise, dass sie ja auch schwul gewesen sein könnten. (lacht)

Ricore: Mögen Sie die Comics persönlich?

Smudo: Ich bin ein tierischer Fan, deshalb habe ich mich über das Angebot auch so gefreut. Lustigerweise gehört die Vorlage "Asterix und die Normannen" genauso zu meinen Lieblingsbüchern wie die Ausgabe "Kampf der Häuptlinge", das ich bis heute ungeschlagen finde. Dass alle Bücher, die nach dem Tod des Comic-Autors Goscinny entstanden, absoluter Quatsch sind, braucht eigentlich nicht extra erwähnt zu werden. Leider ist er viel zu früh von uns gegangen. Wie ich hörte, hat er mit 51 Jahren bei einer Vorsorgeuntersuchung einen Herzinfarkt auf dem Trimmrad bekommen. (lacht) Ich muss demnächst auch zum Test. Hoffentlich habe ich mehr Glück.

Ricore: In "Asterix und die Wikinger" sprechen Sie Grautvornix, den "Meister der Angst", privat dagegen sind Sie Adrenalinjunkie und fliegen im eigenen Flugzeug und oder fahren Autorennen. Vor was fürchten Sie sich?

Smudo: Ich weiß nicht, ob ich mich Adrenalinjunkie nennen würde. Die Autorennen fahre ich tatsächlich wegen dem Nervenkitzel, aber das Fliegen ist sehr entspannend und eher ein Naturerlebnis als Abenteuer. Aber ich kann mich auch fürchten. Zum Beispiel habe ich Tiefenangst. Wenn ich im Meer schwimme und in die dunkle Tiefe gucke, wird mir immer ganz schummrig. Und wenn ich auf meinem Motorrad - einer Triumph Thunderbird - sitze, habe ich wie fast alle leidenschaftlichen Fahrer trotzdem immer Angst vor dem großen Unfall, der passieren könnte.

Ricore: Der Film stellt außerdem die Frage, wie cool es ist, auf dem Land zu wohnen. Wie denken Sie als ehemaliges Landei und Wahl-Hamburger darüber?

Smudo: Ich bin ein absoluter Großstadttyp und möchte um nichts in der Welt auf dem Land meinen Lebensabend fristen. Ich liebe Hamburg so sehr, dass ich da bleiben möchte. Ich wohne in Eimsbüttel, direkt an der Schanze. Ich bilde mir ein, dass es für meinen Job auch ganz gut ist, am Puls der Zeit zu sein.

Ricore: Schon mal vor einem leeren Blatt gesessen und keine Ideen mehr gehabt?

Smudo: Das ist der nackte, kalte Alltag des Künstlers. Wir arbeiten gerade an einer neuen Platte und haben dieses Problem ständig. Es ist eine Qual, sich immer selbst zu erneuern und nie zu wiederholen. Die Schreibblockade kommt deshalb immer nur bei dem, der bereits Erfolg hatte. Wenn man berühmt wird, will man die erste Zeit nur herumliegen und Lebkuchen essen. Doch dann merkt man, dass das auf Dauer auch nicht glücklich macht, und man muss sich neu motivieren. Je mehr man gemacht hat, desto mehr schreckt man vor dem steinigen Weg zurück, vo den Problemen, wieder den ganzen Schaffensprozess einer Platte durchzumachen.
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Asterix und die Wikinger
Ricore: Wie motivieren Sie sich?

Smudo: Derzeit mit "morning pages" - unter Künstlern ein sehr populäres System. Sobald ich morgens meine Augen öffne, nehme ich mein Notizbuch zur Hand und schreibe drei Seiten über Dinge, die mir gerade einfallen. Brainstorming ohne großartiges Nachdenken, fast wie eine Therapie. So kann man sich einerseits überflüssige Dinge vom Herz schreiben und andererseits spontane Ideen bekommen.

Ricore: Was inspiriert Sie?

Smudo: Ich fand schon immer die Momente am faszinierendsten, wenn man zum ersten Mal eine Erfahrung gemacht hat. Führerschein, erste Liebe, die erste Ohrfeige von der Mama. So etwas bleibt und wird zu kreativen Ideen. Das Problem ist, dass man mit Anfang dreißig fast alles schon einmal durchlebt hat und sich seine Leidenschaft wieder wachrufen oder wahlweise auch künstlich erzeugen muss. Deswegen sind Drogen bei Künstlern so beliebt, deswegen liegen extreme Situationen und Kunst so nah beieinander. Der erste Marathon kann genauso inspirativ sein wie die erste warme Spritze Heroin am Weihnachtsabend. Jeder muss für sich herausfinden, was für ihn am gesündesten ist. Mich treibt mein Erlebnishunger an, der mich immer neues entdecken lässt.

Ricore: An welchem Moment des kreativen Prozesses sprechen Sie sich mit Ihren Bandmitgliedern ab?

Smudo: Nachdem jeder sich seine eigenen Gedanken gemacht hat, fahren wir gemeinsam für zehn Tage in eine Landhütte und hängen gemeinsam rum. Da kochen wir, machen Sport und sprechen über unsere Texte. Wir leben inzwischen alle verteilt in ganz Deutschland, da sind solche gemeinsamen Besinnungstage sehr praktisch, um die unterschiedlichen Eindrücke abzugleichen und in eine Form zu gießen.

Ricore: Wann soll das neue Album erscheinen?

Smudo: Das Management hätte natürlich gerne, dass es noch dieses Jahr passiert, aber daran glaube ich nicht. Mein Tipp ist Frühjahr 2007. Aber eigentlich ist es noch viel zu früh, überhaupt davon zu sprechen. Allein beim Wort "Veröffentlichungstermin" bekomme ich Angst.

Ricore: Kein Wunder, müssen Sie sich als Alt-Hip-Hopper heute gegen Bands wie Tokio Hotel durchsetzen. Was halten Sie von der Kinderband?

Smudo: Finde ich gut. (schmunzelt)
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Asterix und die Wikinger
Ricore: Im Ernst?

Smudo: Ja, weil die kein Produkt sind. Das ist eine richtige Band, die jahrelang am Durchbruch gearbeitet hat. Natürlich wird sich nun zeigen, ob ihre Persönlichkeit dem standhalten kann, was sie gerade über sich ergehen lassen müssen. Natürlich haben sie Produzenten, die ihnen helfen, aber letzten Endes schreiben sie ihre Songs selbst. Ich habe sie sogar in Hamburg live gesehen und war beeindruckt: Da stehen 16-Jährige vor 13-Jährigen, sagen Sachen, die alle angehen und haben keine Angst, zum Pathos zu greifen und zu schreien: "Habt ihr auch Träume?" Natürlich ist das alles weit weg von dem, was mich berührt oder interessiert, aber wenn ich den Elan dieser Jungs sehe, muss ich mich verbeugen. Ich hoffe, dass die Sicherungen drin bleiben und die Fans nach dem anfänglichen Hype nicht das Interesse verlieren.

Ricore: Sprechen Sie nun aus eigener Erfahrung?

Smudo: Die Gefahr, dass die Sicherungen durchbrennen, ist sehr hoch. Als unser Durchbruch kam, war ich Anfang zwanzig, und die Veränderung hat uns sehr beschäftigt. Wir haben zum Glück uns gehabt und unsere eigene Bandkultur. Auch wir haben vorher jahrelang zusammengearbeitet und wollten populär werden. Wir konnten aus diesem Grund immer offen darüber sprechen, uns austauschen und uns gegenseitig darauf hinweisen, wenn sich einer mal danebenbenommen hat. Es ist ein komisches Gefühl, wenn sich plötzlich alles um dich dreht.

Ricore: Warum haben Sie es trotz der immer kürzer werdenden Hype-Phasen anderer Bands geschafft, so lange im Geschäft zu bleiben?

Smudo: Von meinem Kulturpessimismus mal abgesehen, gibt es offenbar trotzdem noch ein Bedürfnis nach Kunst mit Aussagekraft. Dass wir solange durchgehalten haben, liegt sicherlich nicht ausschließlich an uns.

Ricore: Warum haben Sie im vergangenen Dezember ein Best-Of-Album veröffentlicht?

Smudo: Weil es uns schon relativ lange gibt und mir bei der Veröffentlichung der Single "Troy" auffiel, dass der Song das Erste war, das viele Vierzehnjährige von den Fanta4 gehört hatten. Genau für solche interessierte Jugendliche haben wir das Album herausgegeben, nicht für den jahrelangen Fan. Ich habe mir auch eine Gary Newman Best-Of-CD gekauft, weil ich keinen Bock habe, mich durch seine komplette Diskographie zu quälen.

Ricore: Woher kommt eigentlich Ihr Künstlername?

Smudo: Es ist ein Derivat meines Nachnamens Schmidt, der sich im Laufe meiner ungepflegten Pubertätsjahre ergeben hat. Man gab mir den Beinamen "Schmuddel", und als man älter und weniger gemein wurde, veränderte sich der Wortklang allmählich hin zu "Smudo".

Ricore: Wie nennt Sie Ihre Freundin?

Smudo: Wir kosen uns mit der Verniedlichungsform eines kleinen grauen Nagetiers. Meine Eltern dagegen nennen mich konsequent Michael.
erschienen am 15. Mai 2006
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Smudo heißt mit bürgerlichem Namen Michael Bernd Schmidt. Der Künstlername geht auf einen Spitznamen zurück, der in die Schulzeit des Musikers und Schauspielers reicht. Weil Smudo damals sein Äußeres gerne vernachlässigt, wird er in Anlehnung an seinen Nachnamen 'Schmuddel' genannt, daraus wir Smudo.Andreas Rieke die Band Michael Beck und Thomas Dürr, alias Thomas D hinzu und nennen sich fortan Die Fantastischen Vier. Ihren Durchbruch hat die erfolgreichste deutsche Hip-Hop-Band mit dem Hit..
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