Eiryan/Ricore Text
Christoph Maria Herbst
Christoph Maria Herbst ein eitler Gockel?
Interview: Stromberg über fiese Kindertricks
Christoph Maria Herbst und seine Stimme sind aus dem deutschen Fernsehen und Film nicht mehr wegzudenken. So spricht er auch Animationsfiguren wie Franz Hahn in "Mullewapp - Das große Kinoabenteuer der Freunde" und verkörpert mit "Stromberg" den wohl fiesesten Bürohengst der Fernsehgeschichte. In unserem Interview geht es nicht um fiese Tricks, sondern um die Intelligenz von Kindern. Denn auch die können manchmal ganz schön gemein sein.
erschienen am 24. 07. 2009
Kinowelt Filmverleih
Mullewapp - Das große Kinoabenteuer der Freunde
Ricore: In "Mullewapp - Das große Kinoabenteuer der Freunde" übernehmen Sie erneut eine Sprechrolle. Auch bei den "Simpsons" haben Sie synchron gesprochen, nicht wahr?

Christoph Maria Herbst: Ja, ich habe Ricky Gervais gesprochen, das englische Pendant zu "Stromberg". Oder sollte ich sagen, das Original? Das war aber nur ein Schmankerl.

Ricore: Was ist am Synchronsprechen das Besondere?

Herbst: Das lässt sich nicht vergleichen. Es ist eine eigene Herausforderung. Auf der Bühne zu stehen, ist was anderes, die Urform. Gerade war ich auf Lesung, und das ist noch einmal ein anderes Medium. Auch Synchronsprechen ist für mich eine eigene Form. Ich könnte es aber nicht zu meinem Brotberuf ernennen, wie es viele meiner Kollegen machen. Dafür ist es eine zu einsame Arbeit, noch dazu in einem abgedunkelten Raum. Ich bin eher jemand, der zum Licht strebt.

Ricore: Bietet "Mullewapp" für Sie die Möglichkeit, in eine Art Phantasiewelt zu entfliehen?

Herbst: Als "entfliehen" würde ich das nicht bezeichnen. Ich muss der Realität nicht entfliehen. Den eigentlichen Job haben die Animatoren schon gemacht. Meine Aufgabe als Synchronsprecher ist es, der Welt, die ich visualisiert vor mir sehe, gerecht zu werden. Außerdem muss ich versuchen, der Geschichte und der Figur zu dienen, wie es die Aufgabe eines Schauspielers vorsieht. Startalent hin, Startalent her! Auf der einen Seite muss man der Figur gerecht werden, auf der anderen Seite möchte der Produzent, dass man einen Benno Fürmann oder Joachim Król noch aus den Rollen heraushört. Das ist ein schwieriger Spagat.
Eiryan/Ricore Text
Christoph Maria Herbst
Ricore: Warum haben Sie sich dafür entschieden, "Mullewapp" zu synchronisieren?

Herbst: Ehrlicherweise und auch zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich "Mullewapp" nicht kannte, als das Angebot kam. Das Drehbuch las sich unheimlich charmant. Außerdem dachte ich: So ein Gockel fehlt in meiner Vita eigentlich noch! Dem gebe ich gerne meine Stimme, um es politisch auszudrücken.

Ricore: Finden Sie die Figur sympathisch?

Herbst: Absolut. Keine einzige der Figuren ist unsympathisch. Sogar den Wolf und den Fuchs mag ich. Sie kriegen eh eins auf den Deckel. Die Figuren Johnny Mauser, Waldemar und Franz von Hahn können halt nur zu dritt existieren. Insofern hat der Film - und da will ich Ihnen zuvorkommen - eine Botschaft. Das wird auch an der Klapprad-Szene gezeigt. Sie können das Rad nur zu dritt fahren, indem der eine fährt, der andere lenkt, der nächste bremst. Es gelingt ihnen anfangs mehr oder minder, am Ende dann aber wirklich gut. Das sind schöne Bilder, genau wie von der letzten sozialistischen Hochburg unserer Tage. Die Tiere leben auf einem selbst verwalteten Bauernhof und ich finde es wunderbar, dass in dem Film kein einziger Mensch vorkommt. Dafür haben ja auch alle genug menschliche Züge.

Ricore: Wenn Sie ein Tier auf dem Bauernhof wären: Welches wären Sie?

Herbst: (lacht) Ich wäre gern der Waldemar gewesen. Joachim Król spricht den Waldemar ganz wunderbar. Man möchte ihn die ganze Zeit nur in den Arm nehmen - also, nicht Król, sondern den Waldemar. Die Figur ist zauberhaft.
Eiryan/Ricore Text
Christoph Maria Herbst steht Rede und Antwort
Ricore: Was gefällt Ihnen so sehr an Waldemar?

Herbst: Oh, dass er auf der faulen Haut liegt und sich gern in seinem eigenen Schlamm suhlt. Er ist ein Faultier mit viel Herz. Am Anfang denkt man noch: Wie kann ausgerechnet er eine Hilfe dabei sein, Wolke zu retten? Er wächst aber über sich hinaus. Vom Waldemar würde man das am wenigsten erwarten. Ich möchte es auch nicht zu Tode psychologisieren, aber die Entwicklung dieser Figur ist das Größte, mindestens von Null auf Tausend.

Ricore: Durch Waldemar wird der Film erst richtig lustig. Was ist für Sie der größte Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenen-Humor?

Herbst: Das frage ich mich auch immer wieder. Schwierig, weil ich auch das Kind als Zuschauer ernst nehmen möchte. Dem muss ich irgendwie Rechnung tragen, ob als Synchronsprecher oder auf der Bühne. Ich habe viel Kindertheater gespielt und war in Kinderfilmen wie "Hände weg von Mississippi" dabei. Das habe ich aber nicht als Schere im Kopf nach dem Motto: "Du musst es jetzt ganz anders machen, weil es doch für Kinder gedacht ist." Das entsteht intuitiv. Ich denke schon, dass man dem Affen ein bisschen mehr Zucker geben sollte in dem Moment, wo man für Kinder arbeitet. Dennoch muss man die Rollen, die man für sie spielt, ernst nehmen. Kinder besitzen dafür eine sehr feine Sensorik. Einfach nur kabarettistisch oder mit einem Schmunzeln vorführen, funktioniert nicht. Da steigen sie aus. Das lehrt mich meine Erfahrung auf den Provinztribünen, wo ich bei "Pippi Langstrumpf" und dem "Dschungelbuch" mitgespielt habe.

Ricore: Was haben Sie dort erlebt? Haben die Kinder Ihnen etwas angetan?

Herbst: Nein, das haben sie nicht! Aber sie hätten es sicher getan, wenn ich aus dem Polizisten Larson in "Pippi Langstrumpf" eine Witzfigur gemacht hätte. Kinder buhen ganz schnell oder werfen mit Erdnüssen. Selbst habe ich es nicht erlebt, kenne aber Kollegen und Kolleginnen, die es erlebt haben. Insgesamt war es eine tolle Erfahrung, Tierfiguren authentisch zu gestalten.
Eiryan/Ricore Text
Christoph Maria Herbst mit seinen zwei Regisseuren Jesper Møller und Tony Loeser
Ricore: Muss man für das Kindertheater mehr Fantasie haben, als für das Erwachsenen-Theater?

Herbst: Ich glaube, nicht. Kinder mögen besonders schöne Bilder, die ein hoffentlich begabter Regisseur inszeniert. Ich will gar nicht auf dem jahrzehntealten "Dschungelbuch" herumreiten. Aber der damaligen Regisseurin ist eine tolle Inszenierung gelungen. In "Mullewapp" ist das auch der Fall. Ich denke, die Kinder werden die heile Welt und den Frieden auf dem Bauernhof genießen. Dann passiert auf einmal ein Unglück. Sie werden verstehen, dass es leichter ist, gemeinsam etwas zu erreichen, als wenn man ein Einzelkämpfer ist.

Ricore: Sie synchronisieren, sind auf Lesereise und drehen gerade einen neuen "Stromberg". Wie bekommen Sie alles unter einen Hut?

Herbst: Das fragen Sie besser meine Familie! Der Hut ist zum Glück aber sehr groß. "Stromberg" ist Gottseidank abgedreht. Deswegen blieb noch Zeit für eine Lesereise mit Autor Tommy Jaud. Das war so nicht geplant: Eigentlich wollten wir "Stromberg" schon im letzten Jahr abgedreht haben. Einige Drehtermine wurden dann auf 2009 verschoben, als die Lesereise schon festgesetzt war. Ich war der Wahnsinnsfürst, der die vier Wochen Drehpause nicht Waldemar-mäßig genutzt hat, um sich auf die faule Haut zu legen. Stattdessen musste ich in 30 Tagen 30 Städte bereisen und das Buch lesen. Es ist aber "Eustress", das heißt guter Stress. Noch bin ich nicht vom Herzinfarkt bedroht.

Ricore: Sehen Sie Parallelen zwischen Ihnen und der Figur, die Sie sprechen?

Herbst: (lacht) Zwischen dem sehr eitlen, narzisstischen und machtbesoffenen Hahn und mir? - Nein! Aber es ist eine gute Frage. Man sollte die Regisseure befragen, warum gerade so ein eitler Vogel mit mir besetzt wird. Deswegen spiele ich auch immer wieder gerne Theater, weil man eine Rolle entgegen dem eigenen Image besetzen kann. So muss Romeo in Shakespeares "Romeo und Julia" durchaus nicht wie Leonardo DiCaprio aussehen, sondern darf auch vollschlank sein, wenn er andere Qualitäten mitbringt. Als Zuschauer bekommt man einen ganz anderen Zugriff auf die Figur. Sobald es um Film oder sogar auch Synchronsprechen geht, wird wieder typgerechter besetzt. Aber damit muss ich wohl leben, und ich lebe sehr gut damit. Also spiele ich eben diesen eitlen Vogel, der Angst hat, dass ihm Johnny Mauser die Show stiehlt.
erschienen am 24. Juli 2009
Zum Thema
Christoph Maria Herbst absolviert nach seinem Abitur eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Bereits in dieser Zeit geht er seinem liebsten Hobby nach: der Schauspielerei. Als 20-jähriger ist er an der Gründung des privaten Theaters Michael Herbig, Moritz Bleibtreu und Alexandra Maria Lara zu sehen. Bekannt und beliebt wird er einer kleinen Fangemeinde durch seine Darstellung des egoistischen und selbstgerechten Machos "Stromberg" in der gleichnamigen Fernsehserie. Stromberg - Der Film" noch eine..
Johnny Mauser (Benno Fürmann) ist ein erfolgloser Schauspieler und wird von den Bewohnern des Mullewapp-Bauernhofs freudig aufgenommen. Nur der eingebildete Franz von Hahn (Christoph Maria Herbst) sträubt sich zunächst gegen den Eindringling. Die Kinoversion der beliebten "Mullewapp"-Bücher von Helme Heine erzählt die Entstehungsgeschichte einer lebenslangen Freundschaft zwischen Franz von Hahn, Schweinchen Waldemar und Johnny Mauser.
2024