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Diane Kruger
Königin in Berlin
Interview: Royale Diane Kruger
Diane Krugers Tage als Königin sind gezählt. Sie muss als französische Regentin Marie Antoinette in "Leb wohl, meine Königin!" hilflos mit ansehen, wie die Revolution unaufhaltsam voranschreitet. Zur Berlinale 2012 besuchte die in Paris und Los Angeles lebende Schauspielerin die deutsche Hauptstadt, um das Historiendrama vorzustellen. Im Interview mit Filmreporter.de spricht die gebürtige Niedersächsin über die emotionale Reise Marie Antoinettes sowie ihr eigenes Leben zwischen drei Sprachen und Kulturen.
erschienen am 25. 05. 2012
Capelight Pictures
Leb wohl, meine Königin!
Ricore: "Leb wohl, meine Königin!" zeigt Marie Antoinette von einer unbekannten Seite. War sie lesbisch?

Diane Kruger: Auf jeden Fall mochte sie Gabrielle de Polignac. Aber ich sehe das nicht als lesbische Beziehung. Wenn man die Biografien liest, sieht man, dass Gabrielle de Polignac die Favoritin der Königin war. Sie trafen sich auf einem Maskenball in Paris. Gabrielle wusste nicht, dass sie die Königin trifft. Ich glaube, sie mochten sich sofort. Marie Antoinette war auf Versailles sehr isoliert und fühlte sich auch so. Sie genoss es, so jemanden um sich zu haben. Gabrielle nahm sie so, wie sie war und sah in ihr nicht primär die Königin. Von dieser Person betrogen zu werden, ist hart. Das bricht mir das Herz. Es ist der einzige Moment im Film, in dem Marie Antoinette echt ist. Das heißt aber nicht, dass sie Sex hatten.

Ricore: Hat Sie schon mal jemand so betrogen?

Kruger: Wir wurden alle schon mal verlassen - uns allen wurde schon einmal das Herz gebrochen. Aber so extrem nicht? Nein!

Ricore: Haben Sie sich wie Marie Antoinette gefühlt, wenn Sie das Kostüm anhatten?

Kruger: Das Kostüm hilft, dich in eine Umgebung hineinzufinden. Ich habe die Rolle angenommen, weil ich verstehe, was diese Frau durchmacht. Es war interessant, einen Film zu machen, in dem es nicht um die Kostüme und Frisuren geht. Es geht um eine Frau, die zu spät begreift, dass ihre Realität Geschichte ist. Sie ist nicht die Hauptfigur, aber man sieht sie oft. Sie ist sehr frivol und unbeschwert. Dann spürt sie, dass alles enden wird, was sie im Leben kannte. Dazu kommt das gebrochene Herz. Am Ende muss sie die Verantwortung für ihr Leben übernehmen. Das finde ich faszinierend. Die Figur ist so extrem.

Ricore: Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Kruger: Ich habe viele Biografien gelesen, auch Stefan Zweigs Buch, auf dem der Film beruht. Niemand weiß, wie sie war. Auch Stefan Zweig nicht. Jeder hat eine Meinung über Marie Antoinette. In manchen Filmen wird sie als jemand dargestellt, der von nachfolgenden Generationen ungerecht behandelt wird. Im Film "Marie Antoinette" wird klar, dass Sofia Coppola sie toll findet. Das wollte ich nicht. Ich wollte dem Zuschauer die Interpretation überlassen. Was ich über sie denke, ist irrelevant. Ich wollte rüberbringen, dass in diesen vier Tagen sehr viel passiert. Ich wollte eine Frau darstellen, die ihren Frieden mit sich und der Welt macht.
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Diane Kruger in "Leb wohl, meine Königin!"
Ricore: Haben Sie die Szenen chronologisch gedreht, um Marie Antoinette auf diese emotionale Reise schicken zu können?

Kruger: Nein, es war ein Durcheinander. Außerdem wollte Benoît Jacquot nicht, dass Léa Seydoux probt. Das hat es für mich wirklich schwierig gemacht. Die Szene, vor der ich am meisten Angst hatte, war die allererste. Da sieht man Marie in ihrem Nachthemd und sie ist sehr frivol. Das ist sehr weit von meiner eigenen Persönlichkeit entfernt. Schon mit 16 habe ich gearbeitet. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, einen Tag so verbracht zu haben. Ich wusste nicht, worauf ich die Darstellung basieren sollte. Benoît sagte, ich solle mich an einem alten Filmstar orientieren. Einer Diva, die alles bekommt, was sie will. Meine Stimme wurde ganz von alleine total hoch.

Ricore: Sie kennen doch sicher Leute in Hollywood, an denen Sie sich orientieren konnten.

Kruger: Das sagte Benoît auch. Aber meine Freunde sind überhaupt nicht so.

Ricore: War es einfach, die Rolle wieder loszuwerden?

Kruger: Am Wochenende nach Drehschluss waren wir in Versailles und bekamen eine private Tour. Und eine Woche später war ich dort auf einem Konzert. Ich fühle mich Marie Antoinette sehr verbunden. Die Reaktionen auf den Film und meine Darstellung werden gemischt sein. Wenn man eine solche Figur spielt, weiß man, dass Menschen schon ein Urteil über sie gefällt haben. Manche werden sagen, ich sollte grüne Augen haben und 20 Pfund schwerer sein oder so. Aber die Rolle war für mich als Frau interessant - unabhängig davon, ob sie eine Königin ist oder nicht.

Ricore: Im Film wirkt es so, als wüsste Marie Antoinette oft nicht um den Effekt, den ihr Verhalten auf die Gerüchteküche am Hof hat.

Kruger: Ich glaube schon, dass ihr das bewusst ist. Aber ihr ist vollkommen egal, was die Leute über sie denken. Gabrielle war nicht von nobler Herkunft. Sie wurde erst wegen Marie Antoinette zu etwas. Das kam natürlich bei Hof nicht gut an. Gabrielle war eine Bürgerliche, das stieß auf Ablehnung bei den Adeligen, die sechs Generationen Inzest hinter sich hatten.

Ricore: Worauf beruht die Geschichte von Gabrielle und Marie?

Kruger: Das haben wir uns nicht ausgedacht. Das steht so in Stefan Zweigs Biografie von Marie Antoinette. Der Adel war nicht glücklich über diese Freundschaft. Gabrielles Schwester hat versucht, Gabrielle und Marie zu manipulieren, um mehr Geld aus der Königin herauszuholen. Maries Zuneigung zu Gabrielle war sehr freundschaftlich. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Gabrielle auch so unschuldige Intentionen hatte.
Rufus F. Folkks/Ricore Text
Diane Kruger
Ricore: Inwiefern ist Marie Antoinette heute noch relevant?

Kruger: Menschen, die Macht und Privilegien genießen, missbrauchen diese oft. Sie schließen sich in Elfenbeintürmen ein und vergessen, wie die Realität aussieht. Sie haben kein Gespür mehr dafür, was die Menschen brauchen und wollen, was ihnen wichtig ist. Dieser Machtmissbrauch führt zu Revolutionen. Es ist also insofern relevant, dass wir nichts dazugelernt haben.

Ricore: Welche andere Königin würden Sie gerne spielen?

Kruger: [lacht] Meine Mutter meinte, in zehn Jahren könnte ich Angela Merkel spielen.

Ricore: Wie wichtig sind Ihnen die Reaktionen von Kritikern und Publikum?

Kruger: Das ist nicht so wichtig. Wenn jeder meine Darstellung oder den Film mögen würde, wäre das auch verdächtig. Das würde sich zu glatt anfühlen. Man will, dass die Leute darüber diskutieren. Ich will keine Filme machen, die man sich mit Popcorn ansieht und die man in der Minute vergisst, in der man den Kinosaal verlässt.

Ricore: Was erwarten Sie von Ihrer Karriere?

Kruger: Ich will Filme machen, die auch mal kontrovers sind. Ich will welche machen, die Spaß machen und dann auch mal solche, die man sich gar nicht anschauen kann, weil sie so komplex sind.

Ricore: Wie groß ist der Unterschied zwischen großen Studioproduktionen in den USA und kleinen europäischen Filmen?

Kruger: In Amerika sind viele Filmfiguren überlebensgroß. Es gibt eine Menge Jason Bournes. Aber es macht einen Riesenspaß, unerhörte Figuren zu erschaffen. In "Seelen" spiele ich ein Alien in einem menschlichen Körper. So eine Rolle würde ich in Europa nie annehmen. Keine Ahnung, warum. Das ist toll an Amerika. Man kann ein Superheld sein.
Concorde Filmverleih
Mr. Nobody
Ricore: "Seelen"-Regisseur Andrew Niccol ist aber Neuseeländer.

Kruger: Er mag Neuseeländer sein, aber glauben Sie mir: das Studio, der Produzent, der Gehaltsscheck - die sind sehr amerikanisch.

Ricore: Was finden Sie an Andrew Niccol so interessant?

Kruger: Ich liebe seine Filme, die sind wirklich cool. Außerdem bin ich ein großer Science-Fiction-Fan. Mir gefällt das Drehbuch, das Niccol nach dem Roman von Stephenie Meyer geschrieben hat.

Ricore: Würden Sie sich selbst als Science-Fiction- beziehungsweise Popkultur-Nerd bezeichnen?

Kruger: Ich weiß nicht. Ich werde auf jeden Fall der erste sein, der sich die "Avengers" ansieht. Was immer das bedeutet.

Ricore: Was mögen Sie an Superhelden?

Kruger: Die sind einfach cool. Wer will denn keine Superkräfte haben? Mit diesen Geschichten bin ich aufgewachsen.

Ricore: Machen Sie nur Filme, die Sie selbst machen wollen? Oder kommt manchmal Ihr Agent und sagt, dass ein Projekt gut für Ihre Karriere sein könnte?

Kruger: In Amerika sagen sie dir manchmal, du sollst keine europäischen Filme machen. Die verstehen das nicht.
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Diane Kruger in "Leb wohl, meine Königin!"
Ricore: Wie haben Sie das Kleid für die Berlinale-Premiere ausgewählt?

Kruger: Es ist ja nicht so, dass man jeden Tag ein Abendkleid trägt. Das hat dann etwas Feierliches. Ich würde keinen Minirock zu der Premiere von "Leb wohl, meine Königin!" anziehen. Ich wollte etwas anziehen, was königlich aussieht und gleichzeitig warm genug ist. Ich wollte auf dem Roten Teppich ja nicht erfrieren.

Ricore: Fühlen Sie sich einem Land zugehörig?

Kruger: Als ich mit 15 nach Frankreich kam, sprach ich kein Wort Französisch. Obwohl ich Paris liebte, fühlte ich mich sechs Monate lang total isoliert. Ich verstand kein Wort und die Kultur war sehr anders. Ich fühlte mich allein, als ich begann, als Model zu arbeiten, mit 16 in einer Welt von Erwachsenen. Ich hatte keine Freunde, keine Kommunikation. Mein Englisch war mittelmäßig. Ich konnte gut verstehen, wie sich Marie Antoinette fühlte, als sie am Hof ankam. Das entschuldigt natürlich nicht, was später passiert ist. In Versailles ist es wunderschön, aber es ist sehr kalt. Da würde ich nicht leben wollen. Ich verstehe, warum sie dort nicht wohnen wollte.

Ricore: Tragen Sie noch etwas aus Ihrer Zeit als Model in sich?

Kruger: Ich mag Mode, weil sie die Persönlichkeit direkt widerspiegelt. Das kann man manipulieren. Man kann damit beeinflussen, wie man von anderen gesehen wird. Das ist ein Teil von dem, was ich bin. Mode ist sehr persönlich. Das ist wie die Haarfarbe.

Ricore: Hatten Sie Zeit, sich hier in Deutschland mit Freunden und Familie zu treffen?

Kruger: Leider nicht. Ich bin vorgestern angekommen und habe meine Mutter getroffen. Mehr war leider nicht drin.
Imagenet
Diane Kruger, Joshua Jackson
Ricore: Macht es für Sie einen großen Unterschied, ob Sie den Film in Deutschland, Frankreich oder den USA vorstellen?

Kruger: Deutschland ist meine Heimat, also mache ich mir ein bisschen mehr Druck. Außerdem spreche ich die Sprache und meine Familie kommt zur Premiere - und deren Meinung ist mir wichtig.

Ricore: Sie reisen gerne, oder?

Kruger: Ich reise sehr gerne. Ich hatte gerade zwei Monate frei, das war toll. Da bin ich zuhause geblieben. Im November war ich für einen Dreh in Kenia. Davor war ich in Russland und Belgien. Da war es gut, einfach mal Zuhause zu bleiben.

Ricore: Was haben Sie in Kenia gedreht?

Kruger: Eine französische Komödie namens "Fly Me to the Moon" mit Dany Boon. Dany ist ein unglaublich witziger Mensch. Ich spiele eine Zahnärztin. Die Figur kommt aus einer Familie voller Frauen, die grundsätzlich ihre erste Ehe in den Sand setzen. Ich bin seit zehn Jahren mit dem gleichen Mann zusammen und will ihn aus diesem Grund nicht heiraten. Als ich ein Kind will, besteht er allerdings auf die Ehe. Also entscheide ich mich dazu, jemand anderen zu heiraten und mich schnell wieder scheiden zu lassen.

Ricore: Denken Sie privat auch an Kinder?

Kruger: Ja. Nicht in dieser Sekunde, aber ich will auf jeden Fall Kinder.

Ricore: Was denken Sie generell über die Ehe?

Kruger: Hatte ich, brauche ich nicht nochmal. Aber für Menschen, welche eine Party feiern und das Dokument unterschreiben wollen, ist das toll. Ich bin nicht religiös, da fällt schon ein Grund weg. Aus Erfahrung kann ich sagen: die Unterschrift auf der Eheurkunde bringt einen nicht dazu, bei einem Menschen zu bleiben. Die Verpflichtung, die man im Herzen eingeht, ist viel wichtiger.
Jean-François Martin/Ricore Text
Diane Kruger
Ricore: Bedeutet Ihnen der Valentinstag etwas?

Kruger: Ich würde gerne Nein sagen. Aber wenn ich keine Blumen bekomme, bin ich angepisst [lacht].

Ricore: Sie sind mit Joshua Jackson liiert. Wie ist es, mit einem Darsteller aus einer Serie wie "Fringe" zusammen zu sein?

Kruger: Die Serie ist toll für ihn. Er freut sich, jeden Tag zur Arbeit gehen zu können. Und als Schauspieler ist es sehr beruhigend, jede Woche einen Gehaltscheck zu bekommen. Die Fans der Serie sind total verrückt danach. Ich denke, das macht auch Joshua Spaß.

Ricore: Würden Sie gerne mal in einem deutschen Film mitspielen?

Kruger: Ja. Aber ich bekomme keine Angebote. Ich weiß nicht, woran das liegt. Ich würde sehr gerne einen deutschen Film machen.

Ricore: Wie unterscheidet sich Ihr Leben in Los Angeles und Paris?

Kruger: Das ist sehr unterschiedlich. Paris fühlt sich wie Zuhause an. In der europäischen Kultur fühle ich mich geborgener. Ich glaube an dreistündige Mittagessen und Cocktails vor dem Abendessen. In Los Angeles nimmt man das Auto, um Kaffee zu holen. Nicht, dass das schlecht ist. Seit ich mir da ein Haus gekauft habe, geht das sowieso besser. Ich wohne direkt unter dem Hollywood-Schriftzug. Jetzt fühle ich mich da auch einigermaßen Zuhause. Aber es ist ein ganz anderer Lebensstil. New York wiederum ist ganz konträr.

Ricore: In welcher Sprache werden Sie Ihre Kinder erziehen?

Kruger: In allen drei, denke ich. Aber das Problem fängt ja schon beim Namen an. Der muss in allen drei Sprachen funktionieren. Ich mag Carter. Aber auf Französisch und Deutsch klingt das furchtbar. Das sind die Fragen, die ich mir dabei stelle.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 25. Mai 2012
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Diane Kruger wird als Diane Heidkrüger im niedersächsischen Algermissen geboren. Als Kind macht sie die Aufnahmeprüfung für die Guillaume Canet. Die Ehe wird fünf Jahre später geschieden. Nach diversen Rollen in kleineren Filmen ist sie 2004 als Helena in Wolfgang Petersens Kriegsepos "Troja" zu sehen. Es folgen Auftritte in großen internationalen Produktionen wie "Inglourious Basterds" und "Unknown Identity". Seit 2006 ist Kruger mit dem Schauspieler Joshua Jackson liiert. Kruger pendelt..
In "Leb wohl, meine Königin!" schildert Regisseur Benoît Jacquot die bevorstehende unfreiwillige Abdankung Marie Antoinettes (Diane Kruger) im Juli 1789. Das Historiendrama spielt überwiegend innerhalb der königlichen Schlossmauern von Versailles und besticht durch seine Atmosphäre des Verfalls. Jacquot konzentriert sich auf die Verfassung der Machthaber während dieser Endzeit. Neben der Königin steht deren treu ergebene Vorleserin Sidonie Laborde (Léa Seydoux) im Mittelpunkt, die das drohende..
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