Wir schreiben den 3. Juli 2012. Nachdem sich Deutschland und Europa zwei Tage zuvor von der Europameisterschaft verabschiedet haben, darf sich München endlich ganz aufs Filmfest konzentrieren. Neben Hollywood-Prominenz - unter anderem waren James Franco, Melanie Griffith und Todd Haynes geladen -, haben sich auch etliche heimische Filmemacher an der Isar eingefunden. Eine von ihnen ist Schauspielerin und Drehbuchautorin Anna Brüggemann. Sie stellt in München stellt "3 Zimmer/Küche/Bad" vor, eine Ensemble-Komödie über acht junge Menschen, die ihre Partner so oft wechseln, wie ihre Wohnorte. Unter der Regie von Brüggemanns Bruder Dietrich Brüggemann entstand das Porträt einer rastlosen Gesellschaft, die auf der Suche nach einem festen Anker im Leben ist.

Über den geglückten Film, dem es erstaunlich gut gelingt, seine mäandernde Geschichte in den Griff zu bekommen, hat Filmreporter.de Anna Brüggemann befragt. Erneut hat die 1981 geborene Schauspielerin eine der tragenden Rolle gespielt und mit ihrem Bruders nach "Neun Szenen" und "Renn, wenn Du kannst" erneut auch am Drehbuch mitgeschrieben. Als Nachwuchsdarstellerin kann man die Wahlberlinerin eigentlich nicht mehr bezeichnen. Zu lang ist die Zahl der Filme, in denen sie mitwirkte. Neben denen ihres Bruders war sie in so prestigeträchtigen Produktionen wie dem Vater-Sohn-Kammerspiel "Bergfest" von Florian Eichinger oder "Mitte Ende August", Sebastian Schippers freier Adaption von Johann Wolfgang von Goethes "Wahlverwandtschaften" zu sehen. Genug, um sich etwas einzubilden. Uns begegnet aber nur Bescheidenheit und Natürlichkeit, als wir die 31-Jährige zum Gespräch nach der Weltpremiere von "3 Zimmer/Küche/Bad" treffen.

Und doch sind die Parallelen zwischen den im Film beschriebenen Ereignissen und der Biografie der Geschwister nicht von der Hand zu weisen. So das Umzugsmotiv, das sich wie ein roter Faden durch die Handlungsstränge zieht, spiegelt die Reisen, denen Anna und Dietrich aufgrund der Berufe ihrer Eltern ausgesetzt waren. In München geboren, sind Regensburg, Stuttgart und Südafrika weitere Lebensstationen Anna Brüggemanns. 'In Südafrika landeten wir, weil mein Vater dort eine Professorenstelle angeboten bekam. Die Familie ist dann natürlich immer mitgezogen', sagt Brüggemann in einem Interview. Hier wird sie eingeschult und bleibt bis zur zweiten Klasse. Als sie nach Deutschland muss, 'fand sie das nicht schön', auch wenn 'Heimweh da noch kein Thema war'. Als sie mit 13 von Stuttgart weg muss, 'war's dagegen schlimm. Da waren meinen Schulfreunde schon viel zu wichtig'. Regensburg markiert den Beginn ihrer Schauspielkarriere. Hier sammelt sie beim Jugendclub der Städtischen Bühnen erste Theatererfahrungen, hier und in Waldmünchen nimmt sie an Schauspielkursen der Acting Academies teil.

Brüggemann musste viele Wege gehen, um anzukommen. Das hat auch ihre Einstellung zum Leben geprägt. 'Es gibt eben viele Lebensentwürfe, aus denen man auswählen kann. Nur mit einem bestimmten Job und einer Festanstellung würde ich mich auch nicht sicherer fühlen', sagt sie. Damit steht sie beileibe nicht allein da. Vielmehr ist sie der Prototyp einer Generation junger Menschen. 'Wir und auch die, die nach uns kommen werden, sind eine Generation der sehr vielen Möglichkeiten', so Brüggemann. Das macht es uns schwerer, uns zu entscheiden und das spiegelt der Film wider'. Von dieser Rastlosigkeit auf eine generelle Unfähigkeit der heutigen Jugend zu festen Bindungen, sei es freundschaftlicher oder emotionaler Natur, möchte Brüggemann aber keinesfalls schließen. Sie kenne viele stabile Beziehungen, sagt sie und sie glaube selber fest daran. Eine romantische Auffassung sei das aber ganz und gar nicht, wehrt sie ab, vielmehr ein pragmatischer. Der Mensch brauche einfach eine 'nahe Beziehung und einen gesunden Freundeskreis', so Brüggemann, dieses Bedürfnis sei ihm 'immanent'.