News: Hollywood Insider
20th Century Fox
Szene aus "Titanic"
Nr. 44 - Neues aus der Traumfabrik
Stunde der Saubermänner
Zensur ist in der Traumfabrik kein Schimpfwort, sondern ein Geschäft. Wenn jedoch andere damit Geld verdienen wollen, geht Hollywood auf die Barrikaden. Außerdem: Internet-Raubkopieren soll es noch im Oktober an den Kragen gehen und Medienmogul Rupert Murdoch kauft sich (s)einen Kandidaten für nächste US-Präsidentschaftswahl.
24. Sep 2002: Robert Altman, Norman Jewison, Michael Mann, Sydney Pollack, Robert Redford, Martin Scorsese, Steven Soderbergh und Steven Spielberg haben zwei Dinge gemeinsam: Sie zählen zur Regie-Elite Hollywoods, und sie zogen diese Woche vor Gericht.

Es geht um CleanFlicks und weitere Firmen, die ihr Geld damit verdienen, zensierte Videos bekannter Kinofilme gegen Aufpreis unters Volk zu bringen. Kurzum: "Titanic" ohne Sex, Gewalt und unflätige Wörter - im fundamentalistischen Amerika, wo Prüderie und scheinheiliger Moralismus tief verwurzelt sind, ist das ein Knüller und ein sicheres Geschäft, das sich zurzeit etwa ein Dutzend Unternehmen teilen. Mit verheißungsvollen Firmennamen locken CleanFlicks, Play it Clean und Co. die gottesfürchtige Kundschaft an, um Videos und DVDs bekannter Blockbuster - oft ziemlich radikal - zu "säubern". Dabei berufen sich die kommerziell organisierten Filmverstümmeler ausgerechnet auf das in der amerikanischen Verfassung zementierte Recht auf freie Meinungsäußerung.

<div align="center">Zensur im Namen des Profits


Hollywoods ehrwürdiger Regieverband, dem die eingangs genannten Filmemacher angehören, sieht das naturgemäß ganz anders. Die Regisseure pochen auf ihr Copyright und reichten deshalb Klage ein. Nur sie allein hätten das Recht, argumentieren sie, gemeinsam mit den Studios zensierte Fassungen von Kinofilmen auf den Markt zu werfen.

Nur vordergründig geht es Hollywood dabei darum, die künstlerische Freiheit seiner Regisseure gegen CleanFlicks und Konsorten zu verteidigen. In Wirklichkeit geht es den Studios nur ums Geld: Sie wollen an den Säuberungsaktionen mitverdienen und diesen einträglichen Markt selber beherrschen. Das Know-how dafür ist längst vorhanden, schließlich ist die Traumfabrik seit jeher selbst ihr größter Zensor. Fürs Fernsehen liefert sie routinemäßig umgeschittene "network versions" der eigenen Kinoproduktionen ab, und für die so genannten Airline-Fassungen, die Flugpassagiere auf Langstrecken vorgesetzt bekommen, werden die Werke oftmals vollkommen entstellt. Alles im Namen des Profits und eines vorgeschobenen Rechts auf freie Meinungsäußerung.

<div align="center">Panik im Netz: Online-Raubkopierern geht es an den Kragen


Online-Raubkopierer aufgepasst: Der Spaß, sich aktuelle Kinofilme aus dem Internet zu saugen, dürfte bald einen Dämpfer kriegen. Schon im Oktober sollen die schlimmsten jener Übeltäter, die Serien, Songs und Spielfilme online vertreiben oder konsumieren, hinter Gitter wandern. Wer sich auf Tauschbörsen wie Gnutella oder Kazaa bisher vollkommen anonym und folglich sicher wähnte, war auf dem falschen Dampfer. Big Brother was watching you - und zwar die ganze Zeit.

Big Brother heißt in Wirklichkeit Mark Ishikawa und erhält regelmäßig Todesdrohungen. Kein Wunder, dass auf seiner Visitenkarte bloß eine anonyme Postfachanschrift steht. Ishikawa ist im Internet eine Art Oberbulle - er schützt das Copyright von Software-Unternehmern, Plattenfirmen und Filmstudios, die seiner irgendwo im Silicon Valley versteckten Firma BayTSP pro Monat bis zu 50.000 Dollar dafür zahlen, dass er die schlimmsten Anbieter und Nutzer illegaler Angebote dingfest macht.

Ishikawa, selbst ehemalige Hacker, operiert aus dem Verborgenen. Ganz nebenbei ermittelt er zusammen mit dem FBI im Kinderporno-Sumpf, sein eigentliches Ziel aber sind illegale Unterhaltungsangebote. Wo immer sich die Anbieter und Konsumenten solcher Angebote in den letzten Monaten online tummelten - Ishikawas Rechenzentrum war schon da, protokollierte alles mit und ermittelte über die Internet-Anbieter die Personen hinter den IP-Adressen. Nun hat der Schrecken aller Raubkopierer nach eigenem Bekunden genug Material gesammelt, um zu handeln. Im Oktober, sagt er, wird es eine Säuberungs- und Verhaftungswelle geben.

<div align="center">"American Candidate": Per Fernsehwahl ins Weiße Haus


Es ist keine Satire, auch kein schlechter Scherz und keine Science-Fiction: Nach "Popstars" und "American Idol" wird in den USA bald auch der nächste Präsidentschaftskandidat vom Fernsehpublikum gewählt. Der erzkonservative Medienmogul Rupert Murdoch, dem in Amerika das TV-Network Fox sowie die Kabelsender Fox-News und FX gehören, will mit der Reality-Show "American Candidate" (s)einen perfekten Mann des Volkes finden und 2004 ins Rennen um die Präsidentschaft schicken. Ganz klar, dass dieser Mann dann Murdoch ewig dankbar sein wird.

Jeder in Amerika geborene US-Bürger, der zudem in den letzten sieben Jahren in den Vereinigten Staaten gelebt hat und am 20. Januar 2005 mindestens 35 Jahre alt ist, kann sich mit einem Video bewerben. Ein auszufüllendes Fragebogen und 50 Unterschriften von lokalen Anhängern, die das Vorhaben unterstützen müssen als Eintrittskarte ins Weiße Haus? Eine Expertenjury wählt im Vorfeld 100 potenzielle Kandidaten aus, die sich in den folgenden Sendungen als Wettbewerber gegenüberstehen und vor geschichtsträchtigen Kulissen wie der Freiheitsstatue oder Mount Rushmore debattieren und verschiedene Aufgaben lösen müssen, die ihre Eignung für das Staatsamt offen legen sollen.

Wer in die jeweils nächste Runde kommt, entscheidet ein Punktesystem, das Live-Publikum vor Ort sowie die Fernsehzuschauer zuhause per Telefon oder Internet. Aus den drei Finalisten wird am 4. Juli 2004 in einer Live-Sendung der endgültige Sieger gekürt. Wenn er möchte, wird er gegen George Bush und die anderen etablierten Kandidaten ins Rennen um die Präsidentschaftswahl geschickt. Von Murdochs Sendern, Zeitungen und Magazinen wird er dabei natürlich medial tatkräftig unterstützt und immerfort begleitet. Dass man Telefonabstimmungen hervorragend manipulieren kann, haben verschiedene Skandale um "American Idol" in den USA gerade erst bewiesen. Armes Amerika...
Von Rico Pfirstinger/Filmreporter.de
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