Jean-François Martin/Ricore Text
Manoel de Oliveira
Manoel de Oliveira geehrt
Starfeature: Späte Passion fürs Kino
Die Karriere von Manoel de Oliveira wirkt so, als habe er immer gewusst, dass er viel Zeit habe. Spät kommt er zum Film, seine größten Erfolge feiert er in einem Alter, in dem andere sich aus der Branche zurückziehen. Heute gilt er als der älteste aktive Regisseur und er ist der einzige, der sein filmisches Handwerkszeug in der Stummfilmära erworben hat. Portugal feiert ihn als seinen größten Filmemacher. Aber auch die internationale Kritik würdigt das Urgestein: 2008 bekommt Manoel de Oliveira die Ehren-Palme der Internationalen Filmfestspiele von Cannes für sein Lebenswerk.
erschienen am 20. 05. 2008
Pietro Pesce/Ricore Text
Manoel de Oliveira
Als Jugendlicher will er lieber vor der Kamera stehen. Also bewirbt er sich als 20-jähriger an der Schauspielschule des Italieners Rino Lupo. Erst als er Walter Ruttmanns Dokumentarfilm "Berlin: Die Symphonie der Großstadt" (1927) sieht, ist er von den Möglichkeiten der Regie fasziniert und wechselt das Fach. 1931 dreht er mit dem 18-minütigen Dokumentarfilm "Douro, Faina Fluvial" einen ersten Kurzfilm. Sein erster Spielfilm - "Aniki Bóbó" - erscheint ein gutes Jahrzehnt später und handelt wie die Dokumentation von Straßenkindern seiner Heimatstadt Porto. Der Junge aus wohlhabendem Hause hat sich der sozialkritischen Betrachtung des Elends verschrieben und nimmt den italienischen Neorealismus von Roberto Rossellini, Luchino Visconti und Federico Fellini bereits vorweg. Das ambitionierte Frühwerk findet erst spät Beachtung - 1942 ist es ein Flop.
Jean-François Martin/Ricore Text
Manoel de Oliveira
Nach dem Rückschlag findet erst mal Oliveira keine Geldgeber für weitere Projekte und widmet sich ein volles Jahrzehnt der Bewirtschaftung des elterlichen Weinbergs. Erst 1956 gibt man ihm wieder Gelegenheit, Dokumentarfilme zu drehen. "Der Leidensweg Jesu in Curalha" (1963) verschafft ihm immerhin etwas Renommee. Trotzdem zieht er sich erneut für Jahre aus der Filmbranche zurück. Oliveira behauptet, er drehe Filme nur zu seinem Vergnügen. Die Reaktion der Kritik interessiere ihn nicht. Sein Leben lang hält er sich von jeglichem Startrubel fern. Der Mann aus der portugiesischen Oberschicht betreibt das Filmemachen lange wie ein Hobby. Nicht minder gut beschäftigt er sich mit Sport, reist und ist ein leidenschaftlicher Rennfahrer und widmet sich mit seiner Frau Isabel seinen zwei Kindern.
Jean-François Martin/Ricore Text
Manoel de Oliveira
Die Passion für den Film erfasst ihn erst in einem Alter, in dem andere an ihre Pensionierung denken. Seit 1990 erscheint jedes Jahr zumindest ein Film von dem Altmeister. Insgesamt hat er bis ins Jahr 2008 immerhin 47 Werke gedreht und 39 Drehbücher geschrieben. Häufig übernimmt Oliveira auch Produktion und Schnitt. Zudem agiert er gelegentlich als Darsteller und Kameramann. Sein Markenzeichen ist die reduzierte Kameraarbeit. Meist gibt es wenige Einstellungen, die Kamera bewegt sich nicht oder sehr langsam. Der gelernte Dokumentarfilmer der alten Schule ist heute nicht nur in Portugal ein Idol. Er gehört zu den einflussreichsten Filmemachern in Europa und zeigt keine Anzeichen, in Rente zu gehen.

Vier Golden Globes spricht man ihm von 1997 bis 2002 zu, fünf Mal ist er für den Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig nominiert, nachdem man dem damals 66-Jährigen dort 1985 bereits den Preis für sein Lebenswerk verliehen hat. Und auch in Cannes bringt Oliveira es bereits auf fünf Nominierungen als er 2008 für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird. Wollen wir hoffen, dass auch diese Auszeichnung sich als verfrüht erweist und der Altmeister des europäischen Kinos sein Publikum noch mit einigen Filmen in seinen Bann ziehen kann.
erschienen am 20. Mai 2008
Zum Thema
Manoel de Oliveira gilt als der älteste aktive Regisseur. Der Portugiese, der ursprünglich Schauspieler werden wollte, drehte schon während der Stummfilmzeit. Seine gesellschaftskritischen Dokumentationen gelten als Vorläufer des italienischen Neorealismus. Die ganz großen Erfolge kommen aber erst im hohen Alter ("Ich geh' nach Hause" 2001). Seit der Weinbauer Oliveira sich Anfang der 1990er Jahre hauptsächlich auf seine Filmleidenschaft besinnt, stellt er in jedem Jahr mindestens einen Film..
Weitere Starfeatures
Christopher Nolans filmisches Labyrinth
Prinzessin Dianas Leid
2024