Alison Dyer
Henry Rollins
Multiple Persönlichkeit des Showbiz
Starfeature: Wütend Gutes tun: Henry Rollins
Er sagt von sich selbst, dass er jede Menge Wut in sich habe. Die Schuld dafür schiebt er auf seine amerikanische Heimat. Die Politik, das Bildungs- sowie das Gesundheitssystem sind Themen für den sozial engagierten Schauspieler. Er nimmt nie ein Blatt vor den Mund und hat keine Angst, dies auch öffentlich zu tun. Man sollte meinen, ein derart muskulöser, von Tattoos übersäter Kerl brauche eh keine Angst auf amerikanischen Straßen zu haben. Doch Henry Rollins hat schon einiges erlebt.
erschienen am 26. 08. 2007
Alison Dyer
Henry Rollins in Aktion.
Konfrontation mit Jugendgangs
Er berichtet nicht nur von Problemen mit Jugendgangs, sondern auch von unerfreulichen Erlebnissen mit der Polizei. Einige Aspekte des amerikanischen Rechtssystems und daraus resultierende Fehlentscheidungen sind ihm ein Dorn im Auge. Und was ihm nicht passt, macht er immer ganz einfach publik.

An einem schönen Frühlingstag wird die amerikanische Stadt West Memphis von einem schrecklichen Ereignis überschattet. Gleich drei achtjährige Jungen werden am 5. Mai 1993 als vermisst gemeldet. Zuletzt wurden sie in der Nähe eines Waldstücks, den Robin Hood Hills, gesehen. Am Tag nach ihrem mysteriösen Verschwinden werden die Leichen von Steve Branch, Christopher Byers und Michael Moore geborgen. Ihre nackten Körper sind geschunden, Arme und Beine gefesselt. Verdächtige werden verhört, drei potentielle Täter schnell gefunden. Aufgrund einer wenig glaubwürdigen Aussage des geistig zurückgebliebenen Jessie Misskelley (17) werden er und seine Freunde Jason Baldwin (16) und Damien Echols (18) inhaftiert. Misskelley gibt später an, dass seine Aussagen von der Polizei erzwungen wurden. Seine Freunde haben nie ein Geständnis abgelegt. Weitere Ungereimtheiten in Zeugenaussagen treten auf. Diverse Untersuchungsfehler der Polizei kommen ans Licht. Trotzdem werden die drei Jugendlichen Anfang 1995 vom Gericht schuldig gesprochen. Echols wird zum Tode verurteilt, Baldwin und Misskelley erhalten lebenslange Haftstrafen.
Alison Dyer
Henry Rollins
Ein amerikanischer Albtraum
"Was die 'West Memphis Three' durchmachen ist ein amerikanischer Albtraum der allerschlimmsten Ausprägung. Wenn ein derartiger Irrsinn so einfach passieren kann, dann ist kein Amerikaner mehr sicher. Nichts zu tun, bedeutet, sich dieser schrecklichen Beugung der Wahrheit zu ergeben und sich mit den Tätern zu verbünden", so Henry Rollins. "Also, was kann ich tun? Ich kann etwas Geld aufbringen und gleichzeitig hoffen, dass ich die Leute zum Nachdenken anrege." Multitalent Rollins ist vom Schicksal der drei jungen Leute bestürzt und er fühlt zugleich mit den Opfern und ihren Familien. Um zu helfen organisiert er ein Benefiz-Konzert für die "West Memphis Three", das am 8. März 2002 in Los Angeles stattfindet. Es treten viele namhafte Bands auf, die sich für den gleichen wohltätigen Zweck stark machen. Im Jahr darauf erscheint das "Rise Above: 24 Black Flag Songs to Benefit the West Memphis Three"-Album. Darauf finden sich Songs von Künstlern wie Public Enemy-Frontmann Chuck D., Iggy Pop und Ice-T. Henry Rollins und seine Band "Black Flag" mischen gleich bei mehreren Songs mit. Insgesamt werden mehr als 120.000 US-Dollar für die "West Memphis Three" aufgebracht. "Neben vielen anderen berühmten Stars bin ich nur einer, der einen Teil seiner Zeit der Kampagne der 'West Memphis Three' schenkt", berichtet er. Der Sänger ist auch sonst sozial engagiert. Im Jahr 2003 fliegt er in Begleitung der United Service Organization (USO) nach Afghanistan, um sich selbst ein Bild der dortigen Situation machen zu können und den amerikanischen Truppen etwas Freude zu bereiten - obwohl er sich öffentlich klar gegen den Krieg und die Bush-Politik ausspricht.

Doch wann findet er bei so vielen ehrenamtlichen Beschäftigungen eigentlich Zeit für seine Berufe? Neben seinem Job als Schauspieler ist er Sänger, Buchautor und Verleger. "Eine Erfahrung geleitet dich zur nächsten. Also bin ich einen Tag mit Truppen in Afghanistan unterwegs, und drehe am nächsten einen Film mit Will Smith und Al Pacino", beschreibt er seinen ungewöhnlichen Lebensstil. "Das eine erweist sich als viel besser als das vorherige. Also kann ich mich eigentlich nie beschweren, noch nicht mal an schlechten Tagen." Von seiner persönlichen Zufriedenheit aufgrund dieser verschiedenen Herausforderungen abgesehen, stellt sich Rollins in die Reihe vieler multitalentierter Künstler. Er hat Recht, wenn er behauptet, dass Künstler früher mehr Fertigkeiten mitbringen mussten, um im Showbusiness erfolgreich zu sein. Sie mussten tanzen, singen, schauspielern und ein Instrument spielen können. "Ich glaube, dass sich die vielen Dinge, die mich faszinieren ganz ausgezeichnet ergänzen. Die "Spoken Word"-Tour verbessert die Musik, die Musik verbessert die Schauspielerei, diese wiederum das Schreiben usw." Henry Rollins wird auch künftig in verschiedenen Bereichen des Showbusiness anzutreffen sein. Vielleicht als dummer Polizist wie bei seiner Rolle in "Highway Heat", oder als knallroter Teufel wie im Musikvideo "Liar" der Rollins Band, oder auf der Bühne bei seiner nächsten "Spoken Word"-Tour. Doch auch die Kampagne der "West Memphis Three" ist noch nicht abgeschlossen. Im Laufe des Jahres 2007 wurden erstmals DNA-Proben beim Tatort gefunden und untersucht. Bisher konnten keine Zusammenhänge zu den drei Inhaftieren festgestellt werden. Deshalb muss der Fall wieder neu aufgenommen werden. Henry Rollins hat noch viel zu tun.
erschienen am 26. August 2007
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