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Regisseur Justin Lin
"Actionszenen dürfen nicht nur cool sein"
Interview: Justin Lin mag Herausforderungen
Als 2001 die "Fast and the Furious" Reihe begann, steckte Justin Lins Karriere als Regisseur noch in den Kinderschuhen. Zu dieser Zeit besuchte er eine Schauspielschule in Los Angeles. Anschließend drehte er einen Werbespot für eine Kreditkarte. Das Budget dafür betrug 250.000 Dollar. Lins jüngstes Werk "Fast & Furious - Neues Modell. Originalteile." ist das dritte Sequel der "Fast & Furious" Reihe. Das Budget: 80 Millionen Dollar. Warum die Vielfalt an Möglichkeiten bei einer solchen Produktion auch seine Tücken mit sich bringt, erläutert uns der Regisseur im Gespräch.
erschienen am 31. 03. 2009
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Vin Diesel und Justin Lin albern auf der Premiere
Ricore: Was ist für Sie als Regisseur der Unterschied zwischen dem dritten und dem vierten Teil von "Fast & Furious"?

Justin Lin: Ich wollte den Film nur machen, wenn es uns gelänge, alle Schauspieler aus dem ersten Teil dafür zu gewinnen. Dann wollte ich alles, was ich aus dem dritten Teil gelernt hatte, einfließen lassen, um zu sehen, inwieweit ich mich weiterentwickelt habe. Also Verfolgungsjagden und solche Dinge. Doch die große Herausforderung war, die Schauspieler wieder zusammenzubringen. Sie machten es mir nicht leicht. Als der erste Film der "Fast & Furious" Reihe rauskam, war ich ja selbst noch auf der Filmschule. Insofern war es eine große Herausforderung, die Schauspieler aus dem ersten Teil zu überzeugen, einen vierten "Fast & Furious" zu machen. Der erste Teil war ja für alle von ihnen ein großer Erfolg, der ihre Karriere und ihr Leben stark veränderte. Deshalb sind ihnen die Charaktere sehr wichtig. Als erstes mussten wir also eine Idee für die Story bekommen. Danach mussten wir die Schauspieler davon überzeugen.

Ricore: Hat der dritte Teil Ihnen als Regisseur auch Türen zu großen Studios in Hollywood geöffnet?

Lin: Er hat mir eine Menge Möglichkeiten eröffnet. Es war für mich eine rasante Entwicklung. 2002 habe ich noch bei der Werbung für eine Kreditkarte Regie geführt. Das Budget betrug 250.000 Dollar. Als ich dann "The Fast and the Furious: Tokyo Drift" drehte, wurde dieser Betrag ausgegeben, noch bevor wir in der Mittagspause waren. Das war eine große Veränderung. Es ist wirklich toll. Ich habe das Gefühl, dass ich mehr Möglichkeiten habe, als noch vor fünf Jahren. Ich fühle mich so, als würde ich ständig dazulernen. Oft hat man keine Wahl. Ich bin heute in der dankbaren Situation, dass ich mir meine Projekte aussuchen kann. Das ist sehr aufregend.

Ricore: Und was würden Sie sich aussuchen?

Lin: Ich würde gerne einen kleinen Independent Film machen, ein bisschen abschalten. In der Zwischenzeit habe ich viel entwickelt. Und ich habe eine Option für eine Buch-Adaption erworben. Dieser Film wäre sehr düster, die Charaktere hätten viel Profil. Ich hoffe, dass ich das mache werde. Doch man weiß nie. Jeder Tag kann etwas Neues bringen. Ich wache auf und bekomme Anrufe von Leuten, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich einmal mit ihnen telefonieren würde. Als Filmemacher fühle ich mich gerade so, als wäre ich in genau der Position, in der ich immer sein wollte. Das ist sehr aufregend.
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Justin Lin mit Hauptdarsteller Vin Diesel
Ricore: Haben Sie bereits für ein neues Projekt zugesagt?

Lin: Wissen Sie, ich habe die Arbeiten an diesem Film erst vor fünf Tagen abgeschlossen. Ich will erst einmal diesen Aufenthalt in Deutschland genießen. Dann fahre ich nach Hause und werde weitersehen.

Ricore: Sie können wirklich nichts über ihr nächstes Projekt sagen?

Lin: Wenn wir uns in einer Woche nochmal treffen, kann ich Ihnen mehr sagen

Ricore: Wie schwierig war es, die Balance zwischen Geschichte und Action zu finden?

Lin: Sehr schwierig. Wenn man einen Film macht, der sich mehr auf die Charaktere fokussiert, dient jede einzelne Szene als Hilfsmittel, um dies zu unterstreichen. Die Schwierigkeit war, nichts in der Geschichte als vorausgesetzt zu betrachten. Man muss auch einfache Charakterzüge berücksichtigen, darf nicht davon ausgehen, dass der Zuschauer sie automatisch annimmt. Speziell bei einem Film mit so einem hohen Budget ist das schwer. Man hat alle technischen Möglichkeiten, ist in nichts eingeschränkt. Viele Action-Sequenzen waren eine Übung darin, nein zu sagen. Wir dachten oft "Hey, das wäre so cool. Lasst uns noch dies und dies und jenes machen". Doch wir mussten jedes Mal überlegen, ob es der Geschichte zuträglich war. Beispielsweise die erste Sequenz des Films, der Überfall auf den Truck. Das ist spannend und aufwendig. Doch gleichzeitig ist es eine Wiedereinführung der Charaktere für das Publikum. Das muss man bedienen. Man darf die Actionsequenzen nicht nur machen, weil sie cool sind und Spaß machen. Man muss durch sie die Beziehungen der Charaktere untereinander erklären. Es ist schwierig, diesbezüglich die richtige Sprache zu finden. Zu erklären, wo die Charaktere im Vergleich zu früher jetzt sind.
Universal Pictures International
Fast & Furious - Neues Modell. Originalteile.
Ricore: Ist es schwierig, eine Figur sterben zu lassen?

Lin: Sicher. Es ist eine sehr komplizierte Sache. Gerade jemanden sterben zu lassen, der geliebt wird. In den letzten beiden Filmen haben wir zwei der beliebtesten Figuren der Franchise sterben lassen. Ich weiß, dass das auch für Michelle Rodriguez sehr schwer war. Doch ich bin ein Anhänger der Theorie, die besagt, dass die Präsenz einer Figur manchmal noch stärker ist, wenn sie nicht auf dem Bildschirm zu sehen ist. Wir mussten etwas finden, das die Hauptcharaktere wieder zusammenbringt.

Ricore: Und wie ist es, ein tolles Auto zu zerstören? Sie haben bestimmt nicht so viele Wagen geschrottet, wie man beim Betrachten des Films annehmen könnte.

Lin: O doch, das haben wir. Es waren bestimmt über hundert Autos. Die Szene, in welcher der Subaru aus dem Tunnel kommt und den Torino während des Flugs rammt. Das ergibt weniger als zwei Sekunden an Filmmaterial. Wir haben dafür sechs Autos verschlissen. Wir mussten einen Wagen, den Torino, an einem Drahtseil befestigen und in einer bestimmten Geschwindigkeit schwingen lassen. Der Subaru musste mit einer anderen Geschwindigkeit aus dem Tunnel geschnellt kommen. Beim ersten Versuch ist das Seil gerissen und der Subaru hätte fast die Crew umgebracht. In dieser Szene stecken drei Tage Arbeit, auf dem Bildschirm sieht man gerade einmal zwei Sekunden. Doch das macht einen Teil des Spaßes an einem solchen Film aus. Man hat die Unterstützung von einigen der besten Leute der Welt.

Ricore: Schmerzt es innerlich, einen schönen Wagen zu zerstören?

Lin: So ein Crash hat auch etwas Faszinierendes. Doch teilweise ist es sehr schmerzhaft. Im dritten Teil mussten wir für eine Einstellung einen 67er Mustang präparieren. Wenn man die Crew dabei beobachtet, wie sie den Wagen mit einer Säge in zwei Teile sägt, tut das wirklich weh. Ein Mustang weniger auf der Welt. Doch man muss es tun, um den richtigen Winkel zu bekommen. Dafür muss man das Auto in zwei Teile sägen.
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Justin Lin schwebt auf Erfolgswelle
Ricore: Apropos auseinandernehmen: Können Sie sich als Regisseur einen Film ansehen, ohne ihn in seine Einzelteile zu zerlegen?

Lin: Ich liebe Filme. Ich kann ins Kino gehen, sie mir ansehen und genießen. Doch gleichzeitig nehme ich sie auch auseinander. Ich genieße beides.

Ricore: Wie lange dauert die Produktion eines solchen Films? Von der ersten Drehbuchfassung bis zum finalen Schnitt?

Lin: Dieser Film war die ultimative Herausforderung. Ich musste alles, was ich bis dahin gelernt hatte, aufbringen. Zu der Zeit gab es einen Drehbuchautorenstreik. Als ich an Bord kam, gefiel mir das Drehbuch nicht. Also sagten die Produzenten mir, dass ich es beiseite legen könnte. Es war natürlich toll, dass sie mich da unterstützten. Doch da wir uns gerade im Streik der Drehbuchautoren befanden, standen wir ohne Drehbuch da. Ich hatte die Idee, die Geschichte nach Südamerika zu verlegen. Doch es ist ziemlich gefährlich, dort unten zu drehen. Also sind wir auf die Idee gekommen, die Charaktere nach Hause zu holen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch einen Monat bis zum Beginn der Dreharbeiten. Eigentlich ist das viel zu kurz, um ein Drehbuch zu schreiben. Doch ich habe das Gefühl, dass wir davon auch profitiert haben. Wir mussten uns auf das Wesentliche konzentrieren. Wenn man dafür ein Jahr Zeit hat, wird die Geschichte manchmal träge.

Ricore: Vin Diesel meinte, für ihn sei der Film die Fortsetzung des ersten Teils

Lin: Für seinen Charakter, Dominic Toretto, stimmt das vollkommen. Doch thematisch, ist es eher eine Wiederholung. Die ungewöhnliche Definition und Herangehensweise an das Thema Familie. Das haben alle vier Teile gemeinsam.

Ricore: Würden Sie einen fünften Teil drehen?

Lin: Ich würde niemals nie sagen. (lacht) Es kommt darauf an. Bisher hatte ich sehr viel Glück. Jedes Mal, wenn ich für einen Film zugesagt habe, stellte er für mich persönlich eine neue Herausforderung dar. Wenn der fünfte Teil keine neue Herausforderung ist, dann möchte ich ihn nicht drehen. Im Moment bin ich glücklich mit meinem Weg, wie ich ihn gegangen bin. Doch wenn der Film etwas Neues wäre, etwas, das ich noch nicht gemacht habe. Wenn ich etwas Neues probieren könnte, würde ich es versuchen. Doch etwas einfach nur zu wiederholen - daran wäre ich nicht interessiert.
erschienen am 31. März 2009
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Schon während seines Studiums an der Better Luck Tomorrow". Auch dieses Projekt wird ein Erfolg. 2002 wird das Werk unter anderem für den Jury-Preis auf dem Fast & Furious"-Reihe.
Dom Toretto (Vin Diesel) ist zurück. Im vierten Teil klaut er in der Dominikanischen Republik Tanklastzüge. Wegen eines Mordfalls trifft er Brian O'Connor (Paul Walker) wieder. Eher widerwillig kämpfen die beide gemeinsam gegen ein Drogenkartell. Das gibt Regisseur Justin Lin ("The Fast and the Furious: Tokyo Drift") Gelegenheit, Verfolgungsjagden und Autorennen am laufenden Band zu inzenieren.
2024