Wild Bunch
Alexander Fehling in "Wir wollten aufs Meer"
Alexander Fehlings hoch gesteckten Ziele
Interview: Traum, sich weiterzuentwickeln
Alexander Fehling spielt in "Wir wollten aufs Meer" einen jungen Hafenarbeiter, der in der DDR der 1980er Jahre einen großen Traum hat. Gemeinsam mit seinem besten Freund will er auf hohe See hinaus. Um sein Ziel zu erreichen, muss er einen Freund verraten. Der packende Thriller läuft im Rahmen des 2012er Filmfests München. Zu diesem Anlass kam der talentierte Schauspieler an die Isar, wo ihn Filmreporter.de zum Interview traf. Dabei verriet Fehling unter anderem, warum es für ihn ein Gräuel ist, sich seine Filme mit dem Publikum anzuschauen.
erschienen am 12. 09. 2012
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Alexander Fehling in "Wir wollten aufs Meer"
Ricore: Hallo Herr Fehling, Sie waren letztes Jahr auf dem Filmfest präsent und stellen auch dieses Jahr einen Film vor. Ihr Terminplan scheint immer voller zu werden.

Alexander Fehling: Ja, so langsam. Es gibt immer Schlagzeiten, in denen es ganz hektisch wird. Wie das halt so ist. Entweder es passiert immer alles gleichzeitig, oder es passiert gar nichts.

Ricore: Haben Sie genug Momente der Ruhe.

Fehling: Total. Es ist ja nicht so, dass ich einen Film nach dem anderen drehe. Es gibt auch Phasen, in denen Projekte nicht zustande kommen. Dann führe ich ein ganz normales Leben.

Ricore: Wo und wie finden sie Ihre Ruhemomente?

Fehling: In letzter Zeit bin ich viel gereist. Teilweise privat, teilweise auch beruflich. Zum Beispiel hatte ich neulich einen Termin in der MoMA in New York, den ich zu einem Urlaub verlängert habe. Ein andermal war ich in der Jury auf einem Filmfest in Istanbul. Ich mag es, an verschiedene Orte zu kommen.

Ricore: "Wir wollten aufs Meer" ist ein weiterer Film über die gesellschaftspolitischen Verhältnisse in der ehemaligen DDR. Warum braucht Deutschland einen weiteren DDR-Film?

Fehling: Ich glaube, dass sich der Film von den bisherigen Ansätzen durchaus unterscheidet. Er erzählt eine sehr zugespitzte Situation und traut sich an eine dramatische Überhöhung. Ich finde aber, dass "Wir wollten aufs Meer" kein Film über die ehemalige DDR ist. Er handelt nicht davon, sondern spielt dort. Das ist ein großer Unterschied. Film ist eine interessante Mischung aus explosiven Situationen und universell-existentiellen Konflikten. Dabei entwickelt er eine ganz zarte und feine Nähe zu den Figuren.
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Alexander Fehling in "Wir wollten aufs Meer"
Ricore: Ist das Menschliche das, was den Zuschauer an politischen Filmen in erster Linie reizt?

Fehling: Am Ende geht es im Kino darum, dass der Zuschauer ein Erlebnis haben will. Nicht unbedingt ein Intellektuelles. Was er mit dem Erlebnis macht, ob er sich mit seinen Großeltern austauscht oder das Thema durch die Lektüre eines Buches vertieft, das bleibt jedem Einzelnen überlassen. Im Kino will man jedenfalls eine Reise machen. Diese Reise besteht in "Wir wollten aufs Meer" aus Dingen, die in unserem Land oder unserem Leben tatsächlich passiert sind, und auch aus einer dramatischen Fantasie. Um dieser Fantasie willen gehen wir doch ins Kino. Sonst könnten wir auch ein Buch lesen, weil man hier viel mehr erfährt.

Ricore: Inwiefern hat der Film ihr Bild von der DDR beeinträchtigt?

Fehling: Beeinträchtigt? Ich hatte kein so festes Bild von der DDR. Ich war als Kind dort, lebte acht Jahre in diesem Land. Ich kann mich nicht erinnern, eine schlechte Kindheit gehabt zu haben. Aber das hat wahrscheinlich eher mit meinen Eltern zu tun. Insofern ist mir das, wovon in "Wir wollten aufs Meer" erzählt wird, nicht besonders nah. Natürlich habe ich mich mit dem Thema durch Recherche im Rahmen der Vorbereitung auf meine Rolle auseinandergesetzt. Aber irgendwann kam diese Realitätsaneignung an ihre Grenze. Irgendwann befasst man sich mit dem Drehbuch und dem Film. Das macht auch einen großen Teil der Beschäftigung mit dem Stoff aus.

Ricore: Gilt das nur für diesen Film oder haben Filme bei Ihnen generell keine Bewusstseins-verändernde Wirkung?

Fehling: Oft kommt es vor, dass mir nach einem Film gar nicht bewusst ist, dass er in mir etwas bewirkt hat. Manchmal fällt mir viel später auf, dass da etwas in mir passiert ist.

Ricore: Was reizte sie persönlich mehr an dem Projekt, das Menschliche oder das Politische?

Fehling: Auf jeden Fall das Menschliche. Den politischen Aspekt kann man schließlich nicht spielen. Die größte Herausforderung für mich war tatsächlich der Charakter, den ich verkörpern musste. Es ist ein Charakter, der nicht einfach zu greifen ist. Conny erklärt sich nicht sofort. Man lernt ihn Stück für Stück kennen. Einerseits wird er immer wieder in einen äußeren Konflikt eingebunden. Auf der anderen Seite hat er einen großen inneren Konflikt zu überwinden. Sich in der Innenwelt dieser Figur zu orientieren und sie ein zu erfinden, das waren meine Aufgabe und meine Herausforderung.
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Wir wollten aufs Meer
Ricore: Der Film wird stark von den drei Hauptdarstellern getragen, von Ihnen, August Diehll und Ronald Zehrfeld. Mit Herrn Diehl hatten Sie schon mal öfters zusammengearbeitet. Macht das die Arbeit einfacher, wenn man sich als Schauspieler bereits kennt?

Fehling: Ja, wir kannten uns ein bisschen und wir waren beide hungrig aufeinander. Wir waren schon in drei Filmen zusammen ("Buddenbrooks", "Inglourious Basterds" und "Wer wenn nicht wir"; Anm. der Redaktion), aber wir haben noch nie zusammen gespielt. Wir liefen immer nur aneinander vorbei. Bei beiden von uns hat sich ein kleiner Wunsch erfüllt, indem wir endlich in Kontakt getreten sind.

Ricore: Sie spielen im Film den positiven Helden, während Diehl den zwielichtigen Charakter verkörpert. Hätte es Sie auch gereizt, seine Rolle zu spielen?

Fehling: Sowohl den Protagonisten als auch den Antagonisten zu spielen hat seinen Reiz. Die Figur des Andreas Baader in "Wer wenn nicht wir" ist zwar kein Antagonist. Aber er vertrat eine ganz andere Position als die Hauptfigur. Das fand ich sehr reizvoll. Aber über solche äußerlichen Aspekte denke ich nicht nach. Entweder mich interessiert die Figur oder sie interessiert mich nicht. Bei "Wir wollten aufs mehr" stand nie zur Debatte, ob ich die Rolle spielen will oder nicht. Ich las ein Treatment von 70 Seiten und hatte sofort einen Bezug zur Figur. Sie hatte mich sehr interessiert. Später habe ich mich mit Toke (Regisseur Toke Constantin Hebbeln; Anmerkung der Redaktion) getroffen, wir haben verschiedene Sachen ausprobiert und stellten fest, dass da vieles einfach passt.

Ricore: "Wir wollten aufs Meer" handelt vom Traum zweier Männer nach der großen Welt, nach Freiheit. Was ist Ihr großer Traum?

Fehling: Mein Traum ist, mich weiterzuentwickeln. Als Mensch und als Schauspieler. Das hängt von vielen Faktoren ab - etwa davon, ob man wachbleiben will. Ich wünsche mir, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Das ist hochgestochen genug. Ich bin gespannt, wie das weitergeht. Ich werde jedenfalls alles für diesen Wunsch tun. Komplett in der Hand hat man es aber nicht.

Ricore: Früher war Ihre Antwort auf diese Frage etwas materieller gestrickt. Sie sagten, dass Sie sich als Kind immer wünschten, mit einem Delfin zu schwimmen und einmal im Leben mit der Transsibirischen Eisenbahn zu fahren. Haben Sie sich diese Wünsche mittlerweile erfüllt?

Fehling: (lacht) Nein, leider noch nicht. Vielleicht ist das auch ganz gut so. Delfinen bin immerhin schon etwas näher gekommen. Ich könnte noch ewig über das Thema reden. Leider haben wir keine Zeit dafür. Es sind einfach faszinierende Tiere.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 12. September 2012
Zum Thema
Alexander Fehling wird 1981 in Berlin geboren. Nach der Schulzeit absolviert er ein Studium an der renommierten Am Ende kommen Touristen" erhält er 2007 den Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" als SS-Soldat Wilhelm zu sehen, der eine Widerstandsgruppe in den Wahnsinn treibt.
Die DDR im Jahr 1982: Cornelis (Alexander Fehling) und Andreas (August Diehl) haben einen Traum. Sie wollen aufs Meer und so die weite Welt sehen. Dafür heuern sie als Hafenarbeiter in Rostock an, um später zu Matrosen der Handelsmarine aufzusteigen. Jahre später hat sich ihr Traum immer noch nicht erfüllt, so dass sie sich von der Stasi engagieren lassen. Wenn sie ihren Brigadier Matze (Ronald Zehrfeld) ausspionieren, dürfen sie endlich aufs Meer. Als sich Conny weigert, wird er von Andy..
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