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Cédric Klapisch
Cédric Klapisch über Stadt und Land
Interview: Juliette Binoche glanzlos?
Mit der Komödie "L'auberge espagnole - Barcelona für ein Jahr" gelang dem Franzosen Cédric Klapisch der große Durchbruch. Überall auf der Welt bildeten sich Fangruppen, die sich gerade in derselben Situation befanden wie die dargestellten Figuren. Nun bringt Klapisch mit "So ist Paris" eine weitere Komödie angesiedelt in einer europäischen Metropole auf die Leinwand. Darin begleitet er mehrere Personen bei ihren alltäglichen Sorgen, Wünschen und Wegen durch Paris. In der Hauptrolle ist Juliette Binoche zu sehen, wie man sie eigentlich nicht kennt. In einem entspannten Gespräch erklärt der Regisseur, warum die Französin unbedingt hässlich sein wollte und warum er partout nicht auf dem Land leben will.
erschienen am 12. 07. 2008
Cédric Klapisch
Regisseur Cédric Klapisch am Set von "So ist Paris"
Filmreporter.de: Was fasziniert Sie so sehr an den Städten?

Cédric Klapisch: Mich fasziniert das Leben. So einfach ist das. Vor einiger Zeit habe ich gelesen, dass vor 50 Jahren etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung in Städten lebte. Heute sind es bereits 70 Prozent. Das ist der Großteil der Menschen. Mich interessiert die Art wie die Menschen leben, wie sie denken.

Filmreporter.de: Was unterscheidet Paris von St. Petersburg oder Barcelona?

Klapisch: Nachdem ich in London, Barcelona und St. Petersburg gedreht habe, hatte ich Lust, einen Film zu Hause, in Paris, zu drehen. Während der Dreharbeiten ist mir dann klargeworden, dass die europäische Idee ein Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen ist. Diese Metropolen zeichnen sich durch eine gewisse europäische Identität aus. In "L'auberge espagnole - Barcelona für ein Jahr" und "L'Auberge Espagnole - Wiedersehen in St. Petersburg" habe ich versucht, diese wiederzugeben. Es geht mir aber auch um das Zusammenspiel von Alt und Jung: Einerseits die Bewahrung von Kulturerbe und andererseits die Darstellung der Moderne. In New York, wo ich ebenfalls eine Zeit lang gelebt habe, gibt es dies nicht. Ich glaube, das ist ein speziell europäisches Problem, allerdings kein negatives. In Paris ist dieser Eindruck am stärksten. Es gibt dort sehr viele alte Dinge, die man bewahren muss, aber gleichzeitig auch sehr viel Neues. Für mich ist Paris eindeutig eine europäische Stadt, da sie sich ständig weiterentwickelt.
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Romain Duris in "So ist Paris"
Filmreporter.de: Wie erleben Sie Paris persönlich?

Klapisch: Ich lebe seit 46 Jahre hier, von daher ist sie mein Leben. In einem solchen Zeitraum erlebt man sehr viel, man fühlt sie, mal lebt sie. Paris bedeutet für mich mehr als nur Architektur oder Monumente, mehr als nur die typischen Postkartenbilder. Es geht für mich sehr stark um den Moment. Ich bin hier zur Schule gegangen, habe mich hier entwickelt, meine Kinder gehen jetzt ebenfalls in Paris zur Schule. Es sind aber auch ganz viele Kleinigkeiten, die Paris über all die Jahre wichtig gemacht haben.

Filmreporter.de: Können Sie sich vorstellen, auf dem Land zu leben? Zumindest für eine kurze Zeit?

Klapisch: Für eine sehr kurze Zeit, ja. Aber ich bin nun mal ein Stadtmensch und liebe Paris. Umweltthemen wie Verschmutzung und Müll spielen allerdings eine immer größere Rolle. Daher bekomme ich schon des Öfteren Lust, für eine kurze Zeit aufs Land zu gehen. Immer wieder hatte ich das Bedürfnis hatte, Paris zu verlassen, die Stadt und all ihre Probleme hinter mir zu lassen, aber ebenso groß ist das Bedürfnis, wieder zurück zu kommen. Ich bin sehr viel herum gereist, aber Paris war immer mein Lebensmittelpunkt. Für mich ist das Leben in Städten auch ein Leben der Bewegung.

Filmreporter.de: Ist es diese Bewegung, die Sie dem Publikum über Paris vermitteln wollen?

Klapisch: Ja, aber es sind auch die Probleme von Paris, die ich dem Publikum aufzeigen will. Wenn man eine Figur beschreibt und über sie erzählt, muss man deren Bewegungen mitgehen. Die Menschen bewegen sich fort, gehen von einem Ort zu einem anderen, benutzen öffentliche Verkehrsmittels wie Busse, Straßen- oder U-Bahnen. Daher sind die geografischen Probleme bei der Darstellung der Handlungen fast die gleichen wie die narrativen. Diese Idee der Bewegung ist natürlich die Idee des Lebens. Ich wollte Paris so darstellen wie einen menschlichen Körper: Die Stadt bringt das Essen, verzehrt das Essen, produziert Müll, der wieder weg muss und hat ein Zentrum, das wie ein Herz ständig pulsiert.
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Juliette Binoche und Romain Duris in "So ist Paris"
Filmreporter.de: Welcher Stadt werden Sie Ihren nächsten Film widmen?

Klapisch: Ich glaube, dass ich meinen nächsten Film vielleicht sogar in der Natur ansiedeln werde. Wwahrscheinlicher ist, dass es sehr viele Ortswechsel gibt.

Filmreporter.de: Stieg nach dem internationalen Erfolg von "L'auberge Espagnole" der Druck?

Klapisch: Es war ein zweischneidiges Schwert. Es war zugleich einfacher geworden, einen Film zu machen, als auch schwieriger. "L'auberge espagnole" habe ich völlig frei gemacht und werde dies auch weiterhin tun. Der Erfolg des Films hat allerdings mehr soziologisch-gesellschaftliche als künstlerische Gründe. Man weiß nie genau, warum Filme erfolgreich sind. In diesem Fall habe ich nie mit einer derart großen, positiven Resonanz gerechnet. Aber in dem Moment war es eben genau das, was die Leute sehen wollten. Wenn ich an ein neues Thema heran gehe, versuche ich, eine Unschuld zu bewahren und mit derselben Freude an das Projekt heranzugehen, wie ich es immer getan habe.

Filmreporter.de: Sie drehen oft mit demselben Schauspielerteam. Wie kam es zum Engagement von Juliette Binoche?

Klapisch: In der Tat habe ich fünf Schauspieler, mit denen ich immer wieder zusammen arbeite. Und jeder einzelne Film den ich mache, zeigt mir neue Talente auf, mit denen ich ihn Zukunft arbeiten will. Bei "So ist Paris" habe ich beispielsweise 15 neue Gesichter entdeckt. Mein Ziel ist es, neue Schauspieler zu entdecken. Ich weiß, dass man denkt, dass ich immer nur ein festes Ensemble habe, wie beim Theater, aber das stimmt nicht.
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Juliette Binoche mit angeblich zerzausten Haaren
Filmreporter.de: Repräsentiert Juliette Binoche gewissermaßen Paris?

Klapisch: In diesem Film auf jeden Fall. Juliette Binoche arbeitete sehr viel im Ausland und spielt nicht nur französische Charaktere. Ich glaube, ein Grund warum dieser Film so erfolgreich in Frankreich lief, war, dass man Juliette Binoche wiederentdeckt hat. In "So ist Paris" sieht man sie wieder als einfache Französin, die auch manchmal eine wirre Frisur hat. So hat man sie schon lange nicht mehr gesehen. Wir haben versucht, den Glamour und das Star-Image weg zu bekommen. Sie war es auch, die hässlich sein wollte. Wir haben dann natürlich versucht, sie nicht allzu schön herzurichten. Und dadurch, dass sie so natürlich und einfach wirkt, strahlt sie eine unglaubliche Schönheit aus.

Filmreporter.de: Sie übernehmen in all Ihren Filmen kleinere Rollen. Werden Sie jemals eine Hauptrolle spielen?

Klapisch: Das glaube ich nicht, ich bin zu hässlich und spiele zu schlecht. Aber dass ich immer wieder kleine Rollen übernehme, hat eine lange Tradition. In meinem ersten Kurzfilm hatte ich die erste Rolle und das hat sich so fortgesetzt.

Filmreporter.de: Es scheint, als hätten Sie sich auf das Genre Komödie mit ernstem Hintergrund und Tiefgang spezialisiert…

Klapisch: Ich habe in meiner Vergangenheit durchaus Genrewechsel vollzogen. Ich habe beispielsweise Gangsterfilme oder Film Noirs gemacht, die sehr viel schwerer sind, als meine anderen Filme. Bei "Abschlussklasse: Wilde Jugend - 1975" dachte ich, dass es ein sehr trauriger Film werden würde. Darin habe ich übrigens das erste Mal mit Romain Duris zusammengearbeitet. Später hat der Film Komödien-Preise erhalten. Auch "So ist Paris" ist ein trauriger Film, aber das Publikum sieht durchaus auch die lustigen Momente.

Filmreporter.de: Gefällt Ihnen diese Gratwanderung zwischen Komödie und Drama?

Klapisch: Ja, das mag ich sehr gerne. Ich glaube, dass sich alles zwischen lustigen und traurigen Momenten abspielt. Es ist nämlich auch im Leben nicht alles nur lustig oder nur traurig, sonders es ist immer eine Mischung vorhanden. Dennoch möchte ich jedem meiner Filme eine neue Richtung geben.

Filmreporter.de: Vielen Dank für das angenehme Gespräch.
erschienen am 12. Juli 2008
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2024