Wild Bunch
Brendan Gleeson und Taylor Kitsch und die "Die große Versuchung - Lügen, bis der Arzt kommt"
Vergnüglich-betulicher Culture-Clash
Feature: Sozialmärchen über Die große Versuchung
Im Inselhafen Tickle Head vor Neufundlands Küste herrscht Beschäftigungslosigkeit. Als ein Ölkonzern eine Recyclingfabrik errichten will, lautet die Bedingung: ein niedergelassener Arzt muss im Ort sein. Dorfvorsteher Murray (Brendan Gleeson) animiert nach schwieriger Suche die 120-Seelen-Gemeinde, dem jungen Dr. Lewis (Taylor Kitsch) ein Paradies vorzuspiegeln.
erschienen am 23. 06. 2014
Wild Bunch
Die große Versuchung - Lügen, bis der Arzt kommt
In seinen französischsprachigen Arbeiten beweist der Kanadier Ken Scott Esprit und Seele, auf Englisch geht beides verloren - so bei seinem eigenen Remake des wundervollen "Starbuck" ("Der Lieferheld - Unverhofft kommt oft"). Und er scheitert auch als Drehbuchautor des Kinohits "Die große Verführung - La Grande Séduction" von 2003, dessen Neufassung Landsmann Don McKellar ("Die Stadt der Blinden") kauzig, aber kaum kantig und deshalb zu glatt geraten ist.

Trotz irischem Touch mit Küstenlandschaft und Gefiedel fallen Figuren und Humor viel zu harmlos statt kernig aus. Es überwiegt mildes Amüsement, auch wenn manche Sequenzen und Einfälle witzig sind - da werden Bruchbuden zum Weltkulturerbe deklariert, von ergrauten Damen lückenlose Stasi-Protokolle über Telefonsex erstellt, Cricket-Trikots aus Blumengardinen geschneidert. Das alles hat Charme, aber meist auch einen langen Bart.

Der wandlungsfähige Ire Brendan Gleeson ("Edge of Tomorrow 3D") ist als urwüchsiger Dorfvorsteher authentisch, Taylor Kitsch ("Lone Survivor") als argloser Schönheitschirurg unglaubhaft gutgläubig und einfach nur hübsch. Romantik und Tragik bleiben vage Andeutungen, weshalb der emotionale Output begrenzt bleibt, in einem nicht nur im Märchenende zu simplen Treiben.
Wild Bunch
Lässt sich der junge Dr. Lewis (Taylor Kitsch) von Dorfvorsteher Murray (Brendan Gleeson) einwickeln?
Man hofft vergeblich, dass McKellar mal einen oder zwei Gänge höher schaltet. Außerdem geht er nur oberflächlich darauf ein, was Lügen bei sich und anderen anrichten. Gleiches gilt für Identitätsfragen, Gemeinsinn, Bürgerpflichten, Sozialschmarotzertum, psychische Folgen von Arbeitslosigkeit oder gar das verlogene Greenwashing von großen Konzernen. McKellar setzt auf den Weichzeichner.

Die moralischen und legalistischen Aspekte von Lügen und Intrigen kommen zwar vor, religiöse Facetten liegen trotz eines gewissen Anflugs sündhafter Frivolität brach. Selbst der sich aufdrängenden calvinistischen Arbeitsethik geht Don McKellar aus dem Weg, ihm liegen Subplots wie jener des Mannes, der kein Geldautomat sein will, mehr am Herzen: Ein sanftes Vergnügen, wenn auch eines der leichten und seichten Sorte.
erschienen am 23. Juni 2014
Zum Thema
In dem kleinen Küstenort Tickle Cove plant Ortsvorsteher Murray French (Brendan Gleeson) den Bau einer Fabrik. Um die behördlichen Auflagen zu erfüllen, muss French einen Arzt nach Tickle Cove locken, der die Fabrikarbeiter im Notfall behandeln kann. Leichter gesagt, als getan, welcher Mediziner will schon ans Ende der Welt ziehen? An Überredungskünstlern mangelt es dem Remake der charmanten Tragikomödie "Die große Verführung - La Grande Séduction" keinesfalls.
Ken Scott wird 1970 in Quebec geboren, wo er 21 Jahre später an der Université du Québec erfolgreich seinen Abschluss in Kommunikation und Drehbuch erlangt. Nachdem er Autor und Darsteller einer französischen Comedy-Gruppe ist, wendet er sich vermehrt dem Film zu. Im Jahr 2000 erlangt er mit seinem ersten Langfilm "La vie après l'amour" Anerkennung bei seinen Kollegen. Le plateau" und besetzt sich für eine der Hauptrollen. Im selben Jahr verfasst er das Drehbuch zu seinem bisher..
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