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Óskar Thór Axelsson
Tristes Island mit...
Interview: ...fröhlichem Óskar Thór Axelsson
Óskar Thór Axelsson kann sich wahrlich nicht beklagen, denn sein Spielfilmdebüt "Black's Game - Kaltes Land" (als Kauf-DVD und -Blu-ray ab 18. Januar 2013 erhätlich) avancierte 2012 in seiner Heimat Island zum zweiterfolgreichsten Film aller Zeiten. Nur "Die kalte See" von Baltasar Kormákur lockte noch mehr Zuschauer in die Kinos. Im Interview mit Filmreporter.de auf dem Filmfest München 2012 erklärt ein gut gelaunter Axelsson, wie er mit Erfolg umgeht, weshalb Island depressiv machen kann und wie es zur Zusammenarbeit mit "Drive"-Regisseur Nicolas Winding Refn kam.
erschienen am 25. 11. 2012
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Black's Game - Kaltes Land
Ricore Text: Herr Axelsson, Sie sind ganz außer Atem. Wo kommen Sie gerade her? Óskar Thór

Axelsson: Ich komme gerade vom Einkaufen, da ich hier in München noch ein paar Dinge für meine Kinder besorgen musste, Spielzeug zum Beispiel.

Ricore: Wie organisieren Sie Ihr Familienleben, wenn Sie auf Reisen sind?

Axelsson: Das ist der schwierige Teil meines Jobs. Wenn ich einen Film drehe, sehe ich meine Kinder zu wenig. Wenn ich das Material schneide, habe ich wieder normale Arbeitszeiten und kann meine Familie ganz normal sehen. Zu Filmfesten oder ähnlichen Veranstaltungen gehe ich eher selten.

Ricore: Wie war es, mit "Black's Game - Kaltes Land" Ihren ersten Spielfilm zu realisieren?

Axelsson: Es war ein ziemlich langer und harter Weg, diesen Film zu realisieren, vor allem bei der Finanzierung gab es zunächst Schwierigkeiten. Anfang 2009 stand die Finanzierung eigentlich schon, aufgrund der weltweiten Finanzkrise wurden dann aber plötzlich Fördergelder abgezogen, sodass wir mehrere Monate warten mussten, bis die Gelder schließlich doch noch bewilligt wurden. Aber erst als die Dreharbeiten losgingen, war ich wirklich sicher, dass der Film auch tatsächlich realisiert werden würde. Ich habe die Dreharbeiten sehr genossen, auch weil es so hart war, bis sie überhaupt stattfinden konnten.

Ricore: Wie viele Kompromisse mussten Sie eingehen, auch in Anbetracht dessen, dass der Thriller auf einem Roman basiert?

Axelsson: Das Buch ist mehrere hundert Seiten lang, insofern mussten wir die Geschichte natürlich ein wenig umschreiben sowie hier und da kürzen. Außerdem hatten wir nur 25 Tage Zeit zu drehen und nicht wie ursprünglich geplant 33. Deswegen habe ich zunächst die Szenen realisiert, die sehr simpel sind, beispielsweise das jemand in einen Raum kommt und nur kurz etwas sagt. Ich habe davon immer nur ein bis zwei Takes gedreht, um mir dann für die schwierigeren Szenen genügend Zeit lassen zu können. Zum Glück hat mir keiner in mein Drehkonzept hineingeredet.

Ricore: Wie sind Sie zu "Black's Game - Kaltes Land" gekommen?

Axelsson: Ich habe mit dem Projekt bereits seit dem Jahr 2006 zu tun. Die Produzenten hatten gerade die Rechte am Buch erworben und mich sowie ein paar andere Leute für dessen Verfilmung im Blick. Sie baten uns den Roman zu lesen und unsere Vorstellungen dazu zu nennen. Ich war sofort begeistert und wollte den Film unbedingt machen. Deshalb habe ich auch sehr gerne am Drehbuch mitgearbeitet und mich so lange mit "Black's Game - Kaltes Land" beschäftigt.
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Black's Game - Kaltes Land
Ricore: Wann stieß Nicolas Winding Refn zum Projekt?

Axelsson: Er stieß erst fünf oder sechs Monate vor Beginn der Dreharbeiten zu uns. Das war in der Spätphase von der letzten Überarbeitung des Drehbuchs. Nicolas wurde in das Projekt involviert, weil er mit einem der Produzenten sehr gut befreundet ist. Ich sah mir seine "Pusher"-Filme zu Inspirationszwecken an und sprach mit ihm über das Drehbuch, für welches er mir ebenso kleinere Tipps gab, wie zu den Dreharbeiten selbst.

Ricore: Welcher Teil des Films ist von ihm am stärksten beeinflusst?

Axelsson: Eigentlich ist kein einziger Teil konkret von ihm beeinflusst worden. Vielmehr bot er uns mit seinen bisherigen Filmen gute Inspirationsquellen und war zudem ein bekannter Name, der unserem Projekt gut tat. Durch ihn konnten wir uns stärker fokussieren und inspirierter sein. In der Postproduktion gab er uns dann schon den ein oder anderen Hinweis. Für seine Tipps bin ich sehr dankbar.

Ricore: "Black's Game - Kaltes Land" ist der zweiterfolgreichste Film aller Zeiten in Island. Wie gehen Sie mit dem Erfolg und aufkommender Prominenz um?

Axelsson: Eigentlich hat sich nicht wirklich viel verändert. Wir sind ein ruhiges Völkchen und ich freue mich weiterhin in Ruhe arbeiten zu können

Ricore: Zur Zeit sind skandinavische Regisseure wie Nicolas Winding Refn, Tomas Alfredson und Daniel Espinosa in Hollywood sehr angesagt. Könnten Sie sich ebenfalls vorstellen für die Traumfabrik zu arbeiten?

Axelsson: Ich habe acht Jahre in New York studiert. Dann bin ich wieder nach Island zurückgekehrt, um "Black's Game - Kaltes Land" zu drehen. Interessieren würde es mich schon einen Film in englischer Sprache zu machen, aber nicht zwangsweise im Hollywood-System.

Ricore: Liegen bereits Angebote aus Hollywood vor?

Axelsson: Ja, ein paar Anfragen gibt es. Aber leider kann ich darüber noch nicht genauer sprechen.
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Black's Game - Kaltes Land
Ricore: Warum sind skandinavische Regisseure in Hollywood derzeit so gefragt?

Axelsson: Weshalb das so ist, kann ich nicht genau sagen, vielleicht haben wir einen anderen Blick auf die Dinge. Auf jeden Fall ist es ziemlich interessant zu sehen, dass, wenn zwei bis drei Skandinavier in Hollywood etwas machen durften, gleich eine ganze Welle nachkommt.

Ricore: Was unterscheidet skandinavische Regisseure von amerikanischen?

Axelsson: Auch das kann ich nicht genau sagen. Es gibt definitiv eine bestimmte Art wie Hollywood Filme macht, genauso wie es eine europäische und eine asiatische Art gibt. Vielleicht ist es ja gut, dass es solch verschiedene Ansätze gibt. Bei uns in Island zum Beispiel ist es immer sehr dunkel, besonders im Winter. In dieser Zeit kann unser Land einen schon ein wenig depressiv werden lassen. Vielleicht haben wir deswegen eine düsterere Grundstimmung in uns, die sich auch in unseren Filmen wiederfindet, die Hollywood-Regisseure nicht haben.

Ricore: Finden Sie wirklich, dass Island ein depressiv machender Ort ist?

Axelsson: Im Winter schon. Im Dezember haben wir nur vier bis fünf Stunden Tageslicht. Viele leiden unter dem fehlenden Licht sehr und werden auch etwas depressiv. Zur Sommerzeit ist jedoch genau das Gegenteil der Fall [lacht].

Ricore: Sie selbst sind immer mit dem fehlenden Tageslicht zurecht gekommen?

Axelsson: In meiner Kindheit und als junger Erwachsener auf jeden Fall. Aber als ich nach meinem achtjährigen Amerikaaufenthalt zurück nach Island kam, war es schwierig.

Ricore: In Ihren bisherigen Filmprojekten waren Sie stets sowohl für die Regie als auch das Drehbuch verantwortlich. Sind das für Sie zwei Bereiche, die nicht voneinander getrennt werden sollten?

Axelsson: Nein. Bei Kurzfilmen ergibt es sich einfach, vor allem wenn man noch an einer Filmschule ist. Dann ist die Ausgangsituation schlicht so, dass man beides zu machen hat. Denn die New Yorker Filmschule war nicht so aufgebaut, dass es einen Studiengang fürs Regieführen gab, einen fürs Drehbuchschreiben und so weiter, sodass man einfach alles zu lernen hatte. Wenn man schließlich irgendwann seinen ersten Spielfilm drehen will, ist es sehr schwer ein ordentliches Drehbuch zu finden. Deswegen ist sein eigenes Material zu inszenieren der einfachste Weg, um einen Fuß ins Filmgeschäft zu bekommen. Aber es ist definitiv keine Sache, die für mich ein Muss ist.
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Ricore: Wie wurden Sie Filmemacher?

Axelsson: Mir hat es schon immer gefallen Filme im Kino anzusehen. Es ist ein wenig klischeehaft, aber der erste Film, den ich je im Kino gesehen habe und mich zum Filmfan werden ließ, war "Star Wars: Episode IV - Eine neue Hoffnung". Da war ich ungefähr fünf Jahre alt. Weil mich die Materie mit der Zeit immer mehr interessierte, drehte ich als Elf- oder Zwölfjähriger meinen ersten Kurzfilm, was mir auch sehr gut gefiel und seitdem nicht mehr losgelassen hat.

Ricore: Wurde Ihnen das Drehen beigebracht, oder waren Sie Autodidakt?

Axelsson: Damals gab es niemanden, der mir hätte Tipps geben können. Es gibt niemanden in meiner Familie, der mit dem Thema Film zu tun hat, auch nicht in meinem Freundeskreis. Deswegen haben meine Freunde und ich uns das damals selbst beigebracht.

Ricore: Und wo haben Sie die Ausrüstung herbekommen?

Axelsson: Wir mussten sie mieten, denn im Gegensatz zu heute, hatte noch nicht jeder eine eigene Videokamera. Allerdings waren ich und meine Freunde zu jung, um ein solches Gerät leihen zu können, weshalb mein älterer Bruder uns aushelfen musste. Das hat er aber immer nur am Wochenende gemacht, sodass wir an solchen Tagen nichts anderes gemacht haben, als Kurzfilme zu drehen. Solche Wochenenden hatten wir alle zwei Monate. In der Zwischenzeit haben wir dann immer an der Geschichte gearbeitet.

Ricore: Haben Sie Vorbilder beim Filmemachen?

Axelsson: [Überlegt lange] Ja, aber es ist wirklich schwierig jemand bestimmtes zu nennen, weil es einfach so viele sind. Im speziellen Fall von "Black's Game - Kaltes Land" sichtete ich viele Filme von Martin Scorsese. "Goodfellas" gefällt mir von seinen Werken am Meisten. Es zeigte mir, wie schmutzig ich meinen Film anlegen musste. Zudem bin ich ein Fan von Danny Boyle, da er immer versucht die Dinge zwischen den Zeilen zu zeigen und weil seine Filme stets sehr energetisch sind. Als drittes ist noch Steven Soderbergh zu nennen, da ich mag, wie gut es ihm gelingt zwischen kleinen unabhängigen Schauspielerfilmen und großen Blockbustern wie "Ocean's Eleven" hin und her zu springen. Ihm gelingt dies viel besser, als allen anderen Regisseuren.

Ricore: "Lola rennt" war angeblich auch ein wichtiger Einfluss für "Black's Game - Kaltes Land". Stimmt das?

Axelsson: Das ist richtig und hat vor allem etwas mit Energie zu tun. Beispielsweise die Eröffnung von "Black's Game - Kaltes Land" mit der speziellen Musikuntermalung und der Einführung der Charaktere, ist von "Lola rennt" beeinflusst. Zudem auch die Geschichte selbst, weil "Black's Game - Kaltes Land" genau wie "Lola rennt" und "Trainspotting" in den 1990er Jahren spielt. Das beides sind für mich die besten Filme dieses Jahrzehnts und ich wollte, dass diese sich in "Black's Game - Kaltes Land" widerspiegeln. Alle verrückten Ideen des Films, habe ich von diesen beiden Werken.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 25. November 2012
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Mit seinem Spielfilmdebüt "Black's Game - Kaltes Land" gelingt dem Isländer Óskar Thór Axelsson ein großer Erfolg. Der Thriller avanciert 2012 zum zweiterfolgreichsten Film in der isländischen Kinogeschichte. Als Inspirationsquelle dienen dem Regisseur Werke wie "Trainspotting - neue Helden" und "GoodFellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia".

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