StudioCanal
Hossein Amini auf der Premiere von "Die zwei Gesichter des Januars" in London
Regiedebüt vom "Drive"-Drehbuchautor
Interview: Hossein Amini wechselt die Seiten
Hossein Amini wird zunächst als Drehbuchautor bekannt. Der auf seinem Skript beruhende Thriller "Drive" von Nicolas Winding Refn genießt bereits Kultstatus. Mit "Die zwei Gesichter des Januars" legt der in England lebende Iraner Filmschaffende nun sein Regiedebüt vor. Der atmosphärisch dichte und vielschichtige Thriller basiert auf dem gleichnamigen Roman von Patricia Highsmith, den Amini schon als Student gelesen hat. Im Gespräch mit Filmreporter.de verrät der 48-Jährige, warum das Buch ihn nicht losgelassen hat.
erschienen am 2. 06. 2014
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Die zwei Gesichter des Januars
Thriller-Element von Hitchcock und Film Noir inspiriert
Ricore Text: Was faszinierte Sie an einem Roman von Patricia Highsmith, der aus ihrem Werk nicht gerade heraussticht?

Hossein Amini: Vor allem die drei Charaktere. Ich las das Buch zum ersten Mal vor 25 Jahren, als ich noch Student war. Seitdem hat mich der Roman nicht mehr losgelassen. Im Laufe der Jahre hat er sich in meinem Kopf immer wieder verändert. Jedes Mal wenn ich ihn las merkte ich, dass ich die Geschichte anders in Erinnerung hatte. Das Buch hatte genug Lücken für eine Adaption. Ich liebe die Schwäche der Figuren. In einem Moment sind sie liebevoll, dann wieder grausam. Sie hassen und lieben sich zur gleichen Zeit. Das alles kam mir sehr menschlich vor. Ich habe selten ein Buch gelesen, bei dem ich so sehr mit den Figuren identifiziert habe. Ich kann auch zu meiner Frau gemein sein, um mich deswegen im nächsten Moment schrecklich zu fühlen. Chester hat Charaktereigenschaften, die ich durchaus nachvollziehen konnte.

Ricore: War das Projekt von Anfang an als Ihr Regiedebüt vorgesehen?

Amini: Auf jeden Fall hatte ich schon immer vor, es zu inszenieren. Das Drehbuch zu dem Film war das erste, mit dem ich mich an ein Studio wandte. Sonst hat man mich immer wegen eines Projekts angesprochen. Ich hatte die Geschichte immer im Hinterkopf.

Ricore: Der Film ist in einem langsamen Rhythmus erzählt. Was sind Ihre Einflüsse?

Amini: Das Thriller-Element ist von Alfred Hitchcock und dem Film Noir inspiriert. Außerdem habe ich mir immer wieder die Antonionis Trilogie über Beziehungen angeschaut, "Die mit der Liebe spielen", "Die Nacht" und "Liebe 1962". Ich schaute mir auch "Die Verachtung" von Jean-Luc Godard an. Auch dieser Film ist eine Studie über Ehekrisen. Etwas später lief Bernardo Bertoluccis "Himmel über der Wüste". Die Langsamkeit, die Sie ansprechen, resultiert daraus, dass sich die Kamera immer wieder auf die Charaktere konzentriert. Das interessiert mich vor allem - nicht die Pyrotechnik. Es ging mir darum, die Figuren zu beobachten und einfach mit ihnen sein.
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Viggo Mortensen, Daisy Bevan, Kirsten Dunst und Oscar Isaac auf der Premiere von "Die zwei Gesichter des Januars" in London
Hossein Amini: Ungeduld der Testzuschauer
Ricore: War es eine Herausforderung, drei Charaktere in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen?

Amini: Ja, in früheren Fassungen hatten wir ziemliche Probleme mit der Erzählperspektive. Letztlich haben wir den Film so geschnitten, dass der Fokus auf den beiden männlichen Figuren liegt. Obwohl die Frau anwesend ist, schauen sich die Männer immer wieder an. Entscheidend war, dass der Vater-Sohn-Aspekt der Geschichte hervorgehoben wird. Es geht darum, dass der Sohn den Vater tötet, um ein Mann zu werden. Die Beziehungsthematik wurde vor diesem Hintergrund etwas reduziert. Es hat lange gedauert, bis der Film seine endgültige Struktur gefunden hat.

Ricore: Warum musste der Beziehungsaspekt geopfert werden?

Amini: Das hat unter anderem dramaturgische Gründe. Das Buch beginnt als Drama, entwickelt sich dann zu einem Thriller, um wieder zu einem Drama zu werden. Als wir eine frühere Fassung des Films Testzuschauern zeigten, bemerkten wir eine gewisse Ungeduld. Ein Film kann von einem Drama zu einem Thriller wechseln, aber nicht von einem Thriller zu einem Drama. Das Thriller-Genre hat eine ungeheure Energie, sodass das Interesse des Zuschauers erlischt, wenn die Spannung nicht aufrechterhalten wird. Aus diesem Grund mussten wir den Beziehungsstrang ein wenig opfern.

Ricore: Die Figuren im Film haben etwas Verletzliches an sich. Die perfekten Rollen für Ihre drei Hauptdarsteller?

Amini: Ja, vor allem Oscar Isaac hat diese erstaunliche Fähigkeit, empfindsame Figuren zu verkörpern. Er sieht verwundet aus und hat etwas Unschuldiges an sich. Diese Eigenschaften sind vor allem für den Anfang des Films wichtig. Wenn sich Rydal in Colette verliebt, bleibt er immer respektvoll. Mit seinen großen braunen Augen sieht Oscar Viggo Mortensen fast bewundernd an. Generell kam es beim Casting darauf an, Schauspieler zu besetzen, die den Mut haben, auch hässliche Charaktereigenschaften zu spielen. Die zugleich aber eine gewisse Wärme ausstrahlen, um die Zuschauer auf die Seite der Figuren zu holen.
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Hossein Amini auf der Premiere von "Die zwei Gesichter des Januars" in Berlin
Oscar Isaacs Popularitätsschub nützt Film
Ricore: Oscar Isaac hatte letztes Jahr seinen großen Durchbruch mit "Inside Llewyn Davis". Dieser Popularitätsschub dürfte Ihrem Film nützen.

Amini: (lacht) Als wir mit den Dreharbeiten anfingen, war er von den dreien der unbekannteste. Wäre das so geblieben, hätte es den seltsamen Effekt zur Folge, dass sich die Zuschauer auf Viggo und Kirsten konzentrieren. Eben weil sie die berühmteren Schauspieler sind. Durch die gestiegene Popularität Oscars entsteht eine größere Balance zwischen den Figuren. Er ist ein großartiger Schauspieler und hat eine große Karriere vor sich.

Ricore: Was ist das Fazit aus Ihrer ersten Regiearbeit.

Amini: Ich liebe es. Ich war froh, nicht jeden Tag aufzustehen zu müssen, um zu schreiben. Drehbuchschreiben ist sehr anstrengend. Ich war voller Energie, weil ich nicht den ganzen Tag vor dem Computer sitzen musste. Die Postproduktion des Films war allerdings ein Kampf, weil es schwierig war, die richtige Balance und Tonlage zu finden.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 2. Juni 2014
Zum Thema
Athen 1962. US-Amerikaner Rydal (Oscar Isaac) verdient seinen Unterhalt als Stadtführer. Zu seinen Kunden gehört auch das Ehepaar Colette (Kirsten Dunst) und Chester MacFarland (Viggo Mortensen). Rydal ist fasziniert von dem Paar. Geblendet von ihrer kultivierten Art und ihrer ungezwungenen Weltanschauung erliegt er ihrem Charme. Doch der Schein trügt. "Drive"-Drehbuchautor Hossein Amini feiert mit der Adaption von Patricia Highsmiths gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1964 sein Regie-Debüt.
2024