Filmisches Labyrinth
Von einer poetischen Sinnlichkeit ist "Michael Kohlhaas" auch im Großen, in den Sequenzen, der Summe von Bildern und Szenen. Dabei ist hier Desorientierung, das Aussparen von Details das erzählerische Prinzip. Wenn Kohlhaas mit seinen Anhängern auf Rachefeldzug im unübersichtlich-großen Anwesen des Barons wütet, entwirft des Pallières ein filmisches Labyrinth, in dem sich der Zuschauer verliert.
Mit der Zeit verfährt der Regisseur ähnlich. So vergehen Wochen und Monate, in denen Kohlhaas mit seinen Leuten vergeltend und tötend durch das Land zieht, doch eine zeitliche Orientierung wird dem Zuschauer ebenso wenig gegeben wie grundlegende inhaltliche Informationen wie etwa der Aufstieg Kohlhaas' zu einem Revoluzzer, die Begeisterung, die er bei den Menschen entfacht oder die Angst, die er bei den Herrschenden auslöst.
Fast könnte man angesichts "Michael Kohlhaas" meinen, dass bei den vielen klaffenden Lücken ein Dilettant zu Werke war. Doch ist die erzählerische Unbeholfenheit hier Prinzip und bewusstes Anklingen an eine längst vergangene filmische Ästhetik. Man spürt bei des Pallières das Klagelied der
Nouvelle Vague gegen den 'Makel der Makellosigkeit'. Auch nimmt "Michael Kohlhaas" an die strukturellen Filme der 1970er Jahre Anleihen, die mit Bild- und Tonexperimenten das filmische Erzählen gleichberechtigt neben den Inhalt stellten. Die Hommage an
Eric Rohmer zeigt sich auch in der Besetzung
Bruno Ganz' in einer Nebenrolle. Ganz spielte in "
Die Marquise von O..." die Hauptrolle. Auch in Stimmung und Struktur ist der Film eine Reverenz an die wunderbare Kleist-Verfilmung des Vorbildes.
Des Pallières selbst nennt
Werner Herzogs "
Aguirre, der Zorn Gottes",
Akira Kurosawas "
Die sieben Samurai" und
Andrej Tarkowskijs "
Andrej Rubljow" als unmittelbare Inspirationsquellen. Tatsächlich kann man die Spuren dieser Klassiker in seinem "Michael Kohlhaas" entdecken. Sie finden sich in der grenzenlosen Besessenheit des Titelhelden, die ihn zum Verwandten Aguirres macht; wie die sieben Samurai kämpfen Kohlhaas' Truppe gegen einen übermächtigen Feind für Gerechtigkeit. Ebenso wie Kurosawa und vor allem Tarkowskij geht es des Pallières nicht nur um eine authentische Darstellung einer historischen Zeit. Es geht ihm um das, was dahinter steckt, um die ewige Wahrheit. Um die Essenz, die übrigbleibt, wenn man die Vergangenheit erinnert und durch das künstlerische Auge filtert.