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Jon Favreau
Popcorn oder Filmkunst?
Interview: Jon Favreaus Vorbilder
Jon Favreau lässt sich nicht gerne festlegen. Er arbeitet mal vor, mal hinter der Kamera. Seine bislang größten Erfolge sind die beiden "Iron Man"-Comicadaptionen. Diese inszenierte er mit Robert Downey Jr. in der Hauptrolle. In "Cowboys & Aliens" widmet er sich erneut der Verfilmung eines Comics. Doch ganz etwas anderes reizte ihn am Projekt, wie er gegenüber Filmreporter.de erläutert. Außerdem erklärt er, was er vom andauernden 3D-Boom hält. Zudem erfahren wir, welche Verbindung es zwischen seinem Film und den Western vergangener Jahrzehnte gibt.
erschienen am 25. 08. 2011
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Cowboys & Aliens
Ricore: Weshalb haben Sie die vielen Kuss-Szenen aus dem Film geschnitten?

Jon Favreau: Wenn man dreht, probiert man einiges aus. Man muss alles im Kontext betrachten. Es gab eine Fassung des Films, die 20 Minuten länger war und etwas komplexer, aber immer noch die gleiche Geschichte erzählte. Das wird im Extended-Cut zu sehen sein. Aber ich hatte das Gefühl, dass ein Film der "Cowboys & Aliens" heißt, sich wie ein Popcorn-Film anfühlen muss. Deshalb wäre es nicht richtig gewesen, den Film bei über zwei Stunden zu belassen. Diejenigen, die den Film bereits gesehen haben, finden das ganz gut, was wir gemacht haben. Wenn sie sich noch mehr ansehen wollen, gibt es den Extended-Cut.

Ricore: Stimmt es, dass bei Harrison Ford ein wenig Überzeugungsarbeit geleistet werden musste, damit er mitmacht?

Favreau: Das habe ich erst später erfahren. Während des Casting-Prozesses gingen wir Listen mit möglichen Darstellern für den Film durch. Auch Ford war dabei, doch mir wurde gesagt, er würde das sicher nie machen. So haben wir seine Rolle verschiedenen Schauspielern angeboten, die jedoch alle absagten. Man fragt niemanden, der sowieso nicht zusagen wird. Schließlich wurde uns von jemandem Mut gemacht, der sowohl für Ford, als auch für mich arbeitet. Ich habe bei Ford angerufen und gefragt, ob es eine Möglichkeit gibt, dass er mitmache. Sein Agent sagte, dass ich das Drehbuch schicken solle und eine schnelle Antwort bis zum Wochenende bekäme.

Ricore: Und wie hat er reagiert?

Favreau: Was während des Lesens des Drehbuchs passierte, kann ich nicht beurteilen, auch wenn ich Verschiedenes gehört habe. Ich weiß nur, dass er sehr nett war, als ich ihn traf. Als er in mein Büro kam, hatte ich viele Illustrationen an meiner Wand. Das habe ich von "Iron Man" gelernt. Zeichnungen sind genauso wichtig, wie das Drehbuch, da man so die Beleuchtung und andere Dinge besser einschätzen kann. Ford betrachtete die Bilder von "Cowboys & Aliens" und merkte offenbar, dass ich die Sache mit den Cowboys in unserem Halb-Western sehr ernst nehme. Wenn man einen Western realisieren möchte, muss man es wie "True Grit" machen. So ein Projekt hat ein kleines Budget aber es besteht die Chance, dass daraus ein Überraschungshit wird. Es spricht sicher nicht sehr viele Zuschauer an. Für uns lag das Spannende darin, dass wir einen Film machen wollten, der für alle etwas bietet. Durch die Aliens und die aufregenden Bilder des Films, sehen auch Jugendliche einen diszipliniert erzählten Western. Beim Studieren von Western-Geschichten habe ich gelernt, dass es nicht darauf ankommt, eine neue Geschichte zu erzählen. Die Geschichten und Charaktere sind sich alle sehr ähnlich. Es gibt nur kleine Variationen. Die Charaktere in ruhigen Genrebeispielen wie "Ringo" machen das gleiche durch, wie die in "Cowboys & Aliens".
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Harrison Ford, Jon Favreau und Daniel Craig bei der Premiere von "Cowboys & Aliens" in Berlin
Ricore: Hatten Sie keine Angst, dass ihrem Film ähnliches passiert, wie der Westernkomödie "Wild wild West"?

Favreau: Wir haben "Cowboys & Aliens" ja nicht auf Witze ausgelegt, auch wenn ich ein lustiger Typ bin. In "Iron Man" gab es viel mehr Raum für Humor. Der von Robert Downey Jr. gespielte Charakter ist ein starker Typ. Robert hat in die Geschichte viel Humor eingebracht. Hätten wir in "Cowboys & Aliens" zu viel gemacht, wäre es wie "Jonah Hex" geworden. Ich denke wir haben die beste Version eines Films gemacht, die den Titel "Cowboys & Aliens" trägt. Was uns alle vereint hat, war die Liebe zum Western. Wir hatten die Chance eine Geschichte zu schaffen, die seit den 50ern nicht mehr erzählt wurde. Damals waren Cowboy-Filme die großen Popcorn-Filme. Heute sind Western Kunstfilme. Wegen Vietnam war es schwieriger, Western zu erzählen. Damals gab es noch das einfache Gut gegen Böse. Das Böse wurde nicht wie eine sympathische menschliche Gestalt gesehen, sondern entmenschlicht. Wir haben dies ein wenig modernisiert.

Ricore: Haben Sie je mit Joss Whedon über seine Erfahrungen gesprochen? Der hat mit "Firefly" eine Serie geschaffen, die ebenfalls auf die Kombination von Western und Science-Fiction setzt.

Favreau: Nein, aber es wäre sehr interessant, da er derzeit "The Avengers" dreht. Ich könnte ihm so mal bei seiner Arbeit zuschauen und er auch bei mir. Mir hat die "Firefly"-Serie und "Serenity - Flucht in neue Welten" wirklich gut gefallen. Er hat verschiedene Elemente genommen und in der Zukunft angesiedelt. Ich bin genau den entgegengesetzten Weg gegangen. Was Whedon gemacht hat, hat Ähnlichkeiten zu George Lucas' "Star Wars". Für mich war die größte Anstrengung, das Western-Genre nicht aus den Augen zu verlieren und eine gute Story abzuliefern. Als Filmemacher war es interessant, für einen Sommer ein sehr ambitioniertes Projekt zu machen, während der Rest schon mit Fortsetzungen, Spielzeugen oder anderem voll war. Es sollte auf der einen Seite genügend Popcorn-Thrill vermitteln, der die breite Masse anspricht, auf der anderen Seite für Cineasten Interessantes bieten.

Ricore: Wollte das Studio "Cowboys & Aliens" in 3D drehen?

Favreau: Fast alle Studios wollten zur Entstehungszeit den Film in 3D drehen. Der Chef von Dreamworks ist ein Filmschaffender und er verstand, dass es im Film ums Geschichtenerzählen geht und nicht den optischen Effekt. Wir haben Testaufnahmen gemacht, um den Film zu konvertieren. Ich mag 3D und ich kann es nicht abwarten mal mit der Technik zu arbeiten. Aber wenn man mit 3D dreht, ist es wie Video. Es ist zwar alles digital, aber in Wirklichkeit Video. 3D ist auch nicht immer so erfolgreich, wie man hofft. Man verdient nicht automatisch 20 Prozent mehr an den Kinokassen. Nach "Avatar" hat man das gedacht. Jeder hat gedacht, er könne auf jeden Fall eine Milliarde US-Dollar verdienen. Vieles wurde konvertiert - meist schlecht. Hollywood war einfach auf der Suche nach dem nächsten Goldrausch.
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Jon Favreau bei Fans in Berlin
Ricore: Was ging schief?

Favreau: Da Videos und DVDs aufgrund des Online-Angebots verschwinden, muss das ganze Geld an den Kinokassen gemacht werden. Man versucht für die Tickets so viel wie möglich zu verlangen und Dinge wie 3D sind ein Hilfsmittel dafür. Ich war aufgrund von "Iron Man" in der glücklichen Position, zu machen, was ich wollte. Ich dachte: Wenn du nicht das Risiko eingehst, wer würde es dann tun? Film ist derzeit leider kein Medium, in dem die Regisseure den Ton angeben. Momentan ist es ein von den Marken bestimmtes Medium. Selbst Stars spielen kaum noch eine Rolle. Es gibt nur wenige, die durch ihre Persönlichkeit einen Film tragen. Diese werden durch Marken und Franchises getragen, es ist eine Welt mit viel Konkurrenz. Man muss diesen Wettkampf durchbrechen. Der sicherste Weg ist, auf Franchises zu setzen, zu denen man immer wieder zurückkehren kann.

Ricore: Etwa bei Superheldenfilmen...

Favreau: Es fällt allerdings auf, dass kaum ein Regisseur mehrere Filme einer Reihe inszeniert. "Harry Potter" und "Twilight" waren erfolgreich. Allerdings assoziiert man die Filme nicht mit einem bestimmten Regisseur. Auch die Marvel-Filme werden immer von unterschiedlichen Kollegen inszeniert. Der einzige Regisseur der derzeit ein Franchise auf der großen Leinwand allein trägt, ist Christopher Nolan. Die Studios müssen mit ihrem Geld haushalten und investieren lieber in Effekte und Marken, anstatt in Stars oder Regisseure.

Ricore: Kleine Filme sind nicht Ihr Ding, oder?

Favreau: Ich würde im Fernsehen klein arbeiten. Die beste Unterhaltung, die es derzeit für Erwachsene gibt, ist im Fernsehen zu sehen. Es ist ein goldenes Zeitalter.
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Jon Favreau auf der Premiere von "Cowboys & Aliens" in San Diego
Ricore: Haben Sie TV-Pläne?

Favreau: Nein. Ich habe gerade drei Filme direkt hintereinander gedreht. Aber wenn ich Zuhause bin, kann ich es nicht abwarten TV zu sehen. Ich mag "Game of Thrones", "Mad Men", "Boardwalk Empire". Daraus ziehe ich meine Vielfalt. Wenn ich ins Kino gehe, nehme ich meine Kinder mit.

Ricore: War es ein Risiko, den Film hauptsächlich damit zu bewerben, dass Daniel Craig und Harrison Ford zum ersten Mal gemeinsam auf der Leinwand zu sehen sind?

Favreau: Ich hoffe darauf, dass dieser Aspekt mehr Leute ins Kino bringen wird. Es wäre riskant nicht darauf hinzuweisen. Auf meiner Werbetour sehe ich, dass die Leute die Arbeit der beiden sehr hoch anerkennen. Das hat mir gefallen - nicht nur wegen dem Film. Wenn man herumreist und sieht, wieviel Wert deren Arbeit in verschiedenen Kulturen beigemessen wird, insbesondere von Harrison Ford, ist das schon toll. Ich habe mal mit Peter Falk für "Columbo zusammengearbeitet. Er würde auch um die Welt reisen und alle würden ihn kennen und lieben. Er scheint ein sehr spezieller amerikanischer Charakter zu sein. Aber er hatte etwas Besonderes, dass ihn sogar Menschen in Indonesien kannten. Das ist für mich die Magie an der Arbeit, die wir tun. Deshalb können wir keine sicheren Entscheidungen treffen, da alles, was wir machen die Leute irgendwo berührt und beeinflusst. Man hat eine gewisse Verantwortung. Man muss beweisen, dass man das Geld wert ist, dass Sie in einen investieren. Gleichzeitig muss man die Grenzen des Publikums austesten, wenn man die Chance dazu hat. Aufgrund meines Erfolges in den letzten Jahren bin ich nun in der Position, manches ausprobieren zu können. Ich habe viel in meiner Karriere dafür getan, um da hinzukommen. Es ist nicht so, dass ich mir derzeit Sorgen machen müsste. Ich habe eine Familie und ein Auto, ich kann die Rechnungen bezahlen. Solange ich nicht versuche, ein Flugzeug zu kaufen, geht es mir gut. Warum soll ich also nicht etwas riskieren?

Ricore: Sind Sie auch mit Harrison Ford geflogen?

Favreau: Oh ja! Er ist mit seinem Flugzeug auch ans Set gekommen. Wir mussten dagegen mit dem Auto zwei Stunden durch die Wüste fahren, um ans Set zu gelangen. Er ist in 20 Minuten hingeflogen. Deswegen sind wir mit ihm geflogen. Er ist ein guter Pilot - sehr ernst und diszipliniert. Er fliegt Flugzeuge und Helikopter. Er hat uns an alle möglichen Stellen geflogen, damit wir früh nach Hause kamen. Er selbst war immer erst um ein Uhr nachts im Bett (lacht).
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Harrison Ford, Daniel Craig und Jon Favreau auf dem Set von "Cowboys & Aliens"
Ricore: Helikopter beleben die soziale Interaktion?

Favreau: Allerdings. Das einzige Problem ist, dass man nicht trinken kann, wenn man fliegt. Harrison ist wirklich sehr ernsthaft. Er guckt auf die Uhr und sagt: Okay, einen kann ich noch nehmen.

Ricore: Wie finden Sie, dass die Zuschauer nicht mehr wegen den Stars ins Kino gehen, sondern wegen eines Franchises?

Favreau: Es hat sich definitiv verändert. In den 1980er Jahren drehte sich alles um den Star. Im Komödienfach ist es immer noch so. Wenn man ein Franchise erfolgreich etabliert hat, behält man auch die Darsteller bei. Oft hält die Marke länger, als die Hauptdarsteller. Das sieht man auch an Harrison Ford. Er spielte Indiana Jones, Jack Ryan und Han Solo. Wer mimt diese Figuren als nächstes? Auch der nächste "Spider-Man" hat einen neuen Hauptdarsteller. Mich würde es auch nicht wundern, wenn in einigen Jahren die Harry Potter Bücher neu verfilmt würden. Es gibt genügend Zeit für Neuauflagen und Reboots. Die Erinnerung währt nur kurz, das Publikum ist sehr jung.

Ricore: Haben Sie einen Lieblingsstar?

Favreau: Schwere Frage. Von den aktuell noch arbeitenden gefallen mir Harrison Ford und Jack Nicholson. Allerdings haben mich Nicholsons Filme nicht so sehr beeinflusst, wie die von Ford. Harrison ist eine Figur meiner Kindheit, speziell als ich in einem Kino in Queens arbeitete und ihn auf großer Leinwand in "Star Wars: Episode VI - Die Rückkehr der Jedi Ritter" und "Indiana Jones und der Tempel des Todes" sah. Ich habe ihn immer und immer wieder im Kino gesehen. Wenn man Ford trifft und sich mit ihm anfreundet, ist es, als hätte man eine Belohnung bekommen. Jack Nicholson kommt dagegen von Anfang an wie der beste Freund auf einen zu. Mit Ford, Steven Spielberg und Ron Howard in einem Raum zu sitzen und zu überlegen, wie man eine bestimmte Szene schneidet, ist schon was Besonderes. In gewisser Weise ist ein Traum in Erfüllung gegangen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 25. August 2011
Zum Thema
Nach der Graphic Novel von Scott Mitchell Rosenberg erzählt Regisseur Jon Favreau die Geschichte eines namenlosen Cowboys, der in einem kleinen Wüstennest strandet. Das wird von Aliens angegriffen. Colonel Dolarhyde (Harrison Ford) ist bei der Verteidigung jedoch keine große Hilfe. Er sieht seine Machtstellung innerhalb des Ortes durch den Cowboy (Daniel Craig) gefährdet. Doch dieser ist offensichtlich die einzig wirksame Waffe im Kampf gegen die Aliens.
Jonathan Kolia Favreau wird 1966 in Queens geboren. Er geht auf die Touchdown - Sein Ziel ist der Sieg". Swingers" erhält er den Iron Man" und "Iron Man 2" einen Namen. Seit dem 24. November 2000 ist Favreau mit Joya Tillem verheiratet. Die beiden haben einen Sohn und zwei Töchter.
2024