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Dogville
Schlägt Europas Kulturelite zurück?
Kampf der Kulturen
Das "alte Europa" schlägt zurück: Lars von Triers "Dogville" vergrätzt in Cannes die angereiste Hollywood-Elite, doch die Traumfabrik revanchiert sich mit einer gigantischen Marketingkampagne.
26. Mai 2003: Der dänische Filmemacher und Dogma-Vorreiter Lars von Trier ("Dancer in the Dark") liebt die Provokation: Beim Festival in Cannes schlug sein mit stehenden Ovationen umjubelter Wettbewerbsbeitrag "Dogville" so heftig in die USA-kritische Kerbe, dass sich selbst Todd McCarthy, Chefrezensent des US-Branchenblattes "Variety", genötigt sah, auf den Film einzuprügeln.

In dem fast drei Stunden langen Werk (ins Kino kommt später eine gekürzte 140-Minuten-Fassung) nehmen die Bewohner eines kleinen Dorfes in den Rocky Mountains eine rätselhafte Schönheit bei sich auf, die vor Gangstern und der Polizei auf der Flucht ist. Doch die Nächstenliebe ist nur vorgetäuscht: Die von Nicole Kidman gespielte Frau wird von den Dorfbewohnern ausgebeutet, sexuell missbraucht und wie ein Hund gedemütigt und angekettet. Am Ende des Martyriums übt sie blutige Rache: Das Dorf und seine Bewohner werden ausradiert.

Von Triers Inszenierung ist minimalistisch und von Brechts "Dreigroschenoper" inspiriert: Der gesamte Film spielt nur in einer großen Halle, tagsüber sind die Wände weiß, nachts schwarz. Auf dem Boden sind mit Kreide die Umrisse der Gebäude, Straßen und Büsche markiert. Zum Inventar gehören nur einige Möbel, Zweige und Autos.



"Free America"?
Der von Flugangst geplagte Regisseur war noch nie in Amerika, was seine Kritiker erst recht in Rage bringt. Die geißeln von Triers in der Depression der 30er-Jahre angesiedelte Fabel über die menschliche Niedertracht wütend als übles antiamerikanisches Machwerk. Kurzum: Hollywood hasst diesen Film. "Ich würde gerne eine 'Free America'-Kampagne starten", erklärte von Trier in Cannes der Presse. "So wie Amerika mit seinem Krieg 'Free Iraq' propagiert hat." "Dogville" sei ein "Kommentar dazu, wie sich Amerika in meinem Kopf darstellt". Dort würden sie ihm diesen Kopf am liebsten abreißen.

In Cannes ist Hollywood - zumindest kulturell - zweifellos in der Defensive. Von den drei nordamerikanischen Wettbewerbsbeiträgen gilt höchstens einer, Clint Eastwoods "Mystic River", als legitimer Repräsentant der Traumfabrik. Die beiden anderen, Gus Van Sants "Elephant" über ein High School Massaker à la Columbine und Vincent Gallos Roadmovie "The Brown Bunny" sind wegen ihrer unamerikanischen Attitüde ohnehin eher dem "alten Europa" zuzurechnen. Aus der Sicht des Hollywood-Establishments stehen Gallo und Van Sant längst auf der Seite der Verräter.

Amerika rächt sich auf seine Weise - und hisst in Cannes die kommerzielle Flagge. Zum Auftakt dominierte "Matrix Reloaded" das Erscheinungsbild der Straßen. Mehr als drei Millionen Dollar hat sich das Studio Warner Bros. auf der Croisette eine "Matrix"-Party kosten lassen, für die Keanu Reeves, Carrie-Anne Moss, Laurence Fishburne und Monica Bellucci im Privatjet eingeflogen wurden (Kostenpunkt: 500.000 Dollar). So begehrt waren die Eintrittskarten für die Mega-Fete, dass selbst Kevin Costner auf die Warteliste musste und Matthew McConaughey abgewiesen wurde. Das behauptete zumindest die Londoner Tageszeitung "Daily Mail".

Für "Dogville" fiel die Party dagegen ins Wasser: Die Produzenten hatten ihr Festival-Budget bereits für Nicole Kidmans Anreise und Unterbringung ausgegeben. Arnold Schwarzenegger sind derlei Probleme fremd: Obwohl der 200 Millionen Dollar teure Film noch gar nicht fertig ist, rührte der Action-Star für "Terminator 3" in Cannes kräftig die Werbetrommel. Arnie feierte auf einer Luxusyacht - bzw. ließ sich feiern.
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Stars
Arnold Schwarzenegger Matthew McConaughey Kevin Costner Monica Bellucci Laurence Fishburne Carrie-Anne Moss Keanu Reeves Vincent Gallo Gus van Sant Clint Eastwood Nicole Kidman Lars von Trier
2024